Caricatura Museum Frankfurt zeigt zum 70. Ernst Karl’s „Vergessene Katastrophen“

Ernst Karl,  Feingeist der Hochkomik. © Foto: Diether v. Goddenthow
Ernst Karl, Feingeist der Hochkomik. © Foto: Diether v. Goddenthow

Anlässlich seines 70. Geburtstags zeigt das Caricatura Museum für Komische Kunst in Frankfurt vom 7. Februar bis zum 12. Mai 2019 die vielfältigen Fassetten des großen Werks von  Multitalent Ernst Karl in der  Ausstellung „Vergessene Katastrophen“. Um es gleich vorwegzunehmen: Die  Ausstellung, zu der auch das wunderbare gleichnamige Buch „Vergessene Katastrophen erschien,  ist einfach ein Muss für alle Freunde des bittersüßen,  feingeistigen wie bissigen Humor eines großen Malers, Zeichners, Autors, Lyrikers, Musikers, Drehbuchschreibers und Schauspielers. Ernst Karl  ist zudem ein Meister des „Aus-der-Rolle-Fallens“: Selbst in Dänemark hielt Karl nach zweieinhalb Jahren die „hartnäckige Freundlichkeit der Menschen“ nicht mehr aus, „das geht einem auf Dauer  so auf’n Geist, weil das  so langweilig ist“. Wer Karls Werk studiert, versteht, warum Heile-Welt-Idyll und bürgerliche Konventionen nie Karls Ding waren, warum es auch im Leben des   Drehbuchautor von  „Werner eiskalt“   immer wieder „kesseln“ musste.

Geboren am 11. Februar 1949 in Kirchbarkau, Kreis Plön, Schleswig-Holstein, flüchtete sich Ernst Kahl schon als Kind vor dem strengen Elternhaus in Phantasiewelten und entdeckte das Malen und Zeichnen – mit einer ausgeprägten Liebe zur Akribie und zu Details. Und sehr zum Unverständnis seines Vaters und seiner Lehrer. Mit 16 Jahren begann er auf Wunsch des Vaters eine Lehre als Klischee-Ätzer und kurz darauf eine weitere als Dekorateur. Beide brach er ab, entschied sich gegen bürgerliche Konventionen und ging ein Jahr lang auf Wanderschaft. An der Hamburger Hochschule für Bildende Künste entdeckte schließlich Professor Hans Thiemann 1967 sein Talent und nahm Kahl ohne Aufnahmeprüfung für ein Studium an.

Ausstellungs-Impression. © Foto: Diether v. Goddenthow
Ausstellungs-Impression. © Foto: Diether v. Goddenthow

Auch dies beendete Kahl vorzeitig, die Kunsthochschule sei ihm ein Gräuel gewesen. Nur kurz kehrte er für den Gastdozenten David Hockney zurück. Weitere Stationen waren der Zivildienst als Leichenwäscher in einem Hamburger Krankenhaus, Hilfslehrer auf Hallig Hooge, Aufenthalt in Dänemark und ein eigener Antiquitäten- und Kunsthandel in Ostholstein.

1980 kehrte Kahl nach Hamburg zurück und entfaltete sich endgültig als freischaffender Künstler: Mit Diashows trat er in Kneipen auf und präsentierte dort seine Cartoons, die er zu Bildergeschichten aneinanderreihte. Zudem veröffentlichte er Kolumnen, Cartoons und Bildergeschichten in Pardon, Konkret, Titanic, Der Feinschmecker („Kahls Tafelspitzen“), Stern und anderen Publikationen.

Es folgten Ausstellungen, Buchillustrationen und ab seinem Bestiarium Perversum (1985) auch zahlreiche eigene Bücher. In der Chaos-Combo „Die Trinkende Jugend“, später bei „Ernst Kahl & Kayser“, war Kahl mal Sänger, mal Gitarrist, mal Schlagzeuger und veröffentlichte Musik-CDs. Auch im Filmgeschäft machte er sich schnell einen Namen: Er schrieb Drehbücher zum Kassenschlager „Werner beinhart!“ (1989), zu „Wir können auch anders“ (1993), für das er den Bundesfilmpreis erhielt, und für „Die drei Mädels von der Tankstelle“ (1997). Zudem drehte er eigene Kurzfilme und trat als Schauspieler u.a. in „Ein Lied von Liebe und Tod – Gloomy Sunday“ (1999) in der Rolle des Zeichners Ferenc Torresz auf.

Ernst Kahl ist mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet: Darunter der Göttinger Elch für sein Lebenswerk 2007, der Wilhelm-Busch-Preis 2011 und schließlich 2014 der Sondermann-Preis für Komische Kunst.

Ausstellungs-Impression. © Foto: Diether v. Goddenthow
Ausstellungs-Impression. © Foto: Diether v. Goddenthow

Das technisch und thematisch vielseitige Werk Ernst Kahls umfasst Malerei auf Leinwand und Holz, Aquarelle, Zeichnungen und Mischtechniken verschiedenster Art – bis hin zur lavierten Sepiafederzeichnung. Zudem finden sich in seinem Repertoire bearbeitete Fotos und Fotoromane, Objekte und Installationen, aber auch gezeichnete Drehbücher, Kurzfilme, Texte und Musik.

Stets steht der offene Kontrast zu seinen Botschaften im Vordergrund. Grenzen überschreitend entlarvt Kahl die tiefen menschlichen Abgründe, das Verborgene, das eigentlich Undenkbare. Frei von althergebrachten Grenzen und Sehgewohnheiten adaptiert er Motive, Kunstmittel, Bildformen und -gattungen, zitiert und verfremdet, hebt stilistische Grenzen auf und macht auch vor der sogenannten „Hochkunst“ keinen Halt.
Kahls künstlerische Schöpfungen irritieren und provozieren: Mit seinem Repertoire an Mal- und Zeichentechniken und mit dem Einsatz unterschiedlichster Materialien setzt er ganz bewusst auf Brüche. Mit Kugelschreiber entstehen obszöne, dilettantisch wirkende Zeichnungen; drastische Geschichten zeichnet er mit kindlichem Strich. Auch motivisch sprengt Kahl Konventionen und durchbricht vertraute Welten alter Ölgemälde, in die er seine Geschichten einbaut und das Erhabene der Hochkunst mit trivialen Elementen kontrastiert. Doch nie, wie Robert Gernhardt es einmal ausdrückte, „um es den Hochkünstlern gleichzutun und lediglich ein schönes Blatt zu schaffen. Stets hat Kahl auch etwas zu erzählen, naturgemäß etwas Komisches.“

Nach eigener Aussage interessiert Ernst Kahl die große Politik nicht wirklich, ihn reizen die kleinen Geschichten des Alltags, Randgeschehnisse, Abstruses und für „Moralisten schwer Verdauliches“. So zeigt er in den drei Bänden seines Bestiarium Perversum mit voyeuristischem Blick das perverse Verhältnis des zivilisierten Menschen, vor allem der Stadtmenschen, gegenüber dem Tier. In „Kahls Tafelspitzen“, die von 1992 – 2010 in Der Feinschmecker erschienen, wandelte er Sprichwörter und Redensarten kulinarischen Inhalts in komische Bilder um. Und in vielen seiner Gemälde und Zeichnungen, die für Zeitschriften wie „Konkret“ und „Titanic“ erschienen, thematisiert Kahl den Tod, das Hässliche, Spielarten der Sexualität und die allgemeine menschliche Niedertracht – zu viel Idylle erträgt der Künstler nicht.
In der Ausstellung werden Gemälde und Zeichnungen, Illustrationen und frühe Veröffentlichungen sowie Fotomontagen und kleinere Objekte präsentiert. Das filmische und musikalische Schaffen Ernst Kahls wird an Audio- und Videostationen gezeigt.
Ort:

© Foto: Diether v. Goddenthow
© Foto: Diether v. Goddenthow

caricatura museum frankfurt
Museum für Komische Kunst
Weckmarkt 17
60311 Frankfurt am Main
Telefon: 69 212 301 61

Öffnungszeiten:
Dienstag bis Sonntag 11-18 Uhr
Mittwoch 11-21 Uhr

 

Zur Ausstellung das Buch „Vergessene Katastrophen

buchcover-vergessene-katastrophenZur Ausstellung ist in der Caricatura Museum Edition ein Katalog beim Verlag Antje Kunstmann erschienen mit dem gleichnamigen Titel der Ausstellung.
„Vergessene Katastrophen“ von Ernst Kahl zeigt sein vielseitiges Werk und beinhaltet Malerei auf Leinwand, Aquarelle, Zeichnungen und Collagen, Objekte und Installationen, Drehbücher, Filme, Texte und Musik. In diesem unvergesslichen Prachtband kann der Leser endlich wieder einen Blick auf das großartige und hochkomische Werk einer Legende der komischen Kunst werfen. Oder auch zwei, oder drei …,  Bestens als Geschenk geeignet, an sich selbst oder andere. Geeignet zu jeder Gelegenheit, außer vielleicht zur Taufe.

Ernst Kahl: Vergessene Katastrophen
Verlag Antje Kunstmann
192 Seiten, 25 EUR
ISBN: 978-3-95614-311-3