
Fotografien von Dirk Reinartz zur Entstehung von Skulpturen von Richard Serra – 6 Jun 25 — 14 Sep 25 © Foto Diether von Goddenthow
Heute nehmen wir erneut einen Perspektivwechsel vor: Wir betrachten das Werk nicht allein aus Sicht der Künstlerinnen und Künstler, sondern richten den Blick auf den Fotografen – auf jemanden, der die Entstehung künstlerischer Arbeit selbst ins Zentrum rückt und dokumentiert, begrüßt Dr. Andreas Henning Direktor Museum Wiesbaden beim Presserundgang. Im Mittelpunkt steht der Fotograf Dirk Reinartz, dessen Schwarz-Weiß-Aufnahmen nicht nur ästhetisch überzeugen, sondern auch als präzise und eindrückliche Zeitzeugnisse fungieren.
Reinartz war nicht bloß ein Begleiter, sondern ein scharfsinniger Beobachter künstlerischer Produktionsprozesse – insbesondere der monumentalen Stahlskulpturen von Richard Serra. Die Ausstellung, die wir heute eröffnen, entstand in Kooperation mit der Stiftung Situation Kunst, Bochum , wo sie auch erstmals gezeigt wurde. Sie ist Teil unseres Jubiläumsprogramms und führt uns eindrucksvoll vor Augen, wie gegenwärtig Kunstwahrnehmung durch Fotografie geprägt wird.
Dirk Reinartz (1947–2004) war Professor für Fotografie an der Muthesius Hochschule in Kiel und begann seine Karriere als Fotojournalist, u.a. beim Stern. In den 1980er Jahren arbeitete er zunehmend freiberuflich, fokussierte sich auf gesellschaftliche Themen in Deutschland und entwickelte eine eigene visuelle Sprache. Seine Arbeiten, etwa zur deutschen Nachkriegsgesellschaft oder zum Holocaust, sind eindrucksvolle Dokumente ihrer Zeit.

Ein wesentlicher Teil Reinartz‘ Œuvres, so Kurartor Dr. Jörg Daur, stellvertretender Direktor und Kustos moderne und zeitgenössische Kunst, Museum Wiesbaden, widmet sich der Zusammenarbeit mit Richard Serra. Seit den frühen 1980er Jahren begleitete Reinartz die Entstehung, Montage und Aufstellung von Serras Stahlskulpturen – im Stahlwerk, auf Werksgeländen, in Museen, im öffentlichen Raum, so Daur. Dabei lag sein Fokus nicht auf bloßer Dokumentation, sondern auf einer künstlerischen Interpretation des Entstehungsprozesses: dem Material, der physischen Anstrengung, der industriellen Umgebung.
Serra selbst, so der Kurator, schätzte Reinartz als eigenständigen Partner. Auch wenn es Abstimmungen über Bildauswahl und Publikationen gab, blieb Reinartz’ fotografischer Blick immer autonom – als „Auge“, wie es ein Zitat in der Ausstellung beschreibt, das die Fotografie als sinnstiftendes Gegenüber zur Skulptur begreift.
In der Ausstellung „work comes out of work Fotografien von Dirk Reinartz zur Entstehung von Skulpturen von Richard Serra“ zeige das Museum kann 130 Fotografien, die sich auf drei große Themenfelder konzentrieren:
1. Installationen von Richard Serras Werken – in Museen, im öffentlichen Raum oder im Entstehungszustand im Hafen oder auf dem Werksgelände.
2. Die Werkreihe „Probeaufstellungen“ (2003–2004) – dokumentiert vom Modell bis zur Aufstellung der Skulptur Raum im Fluss auf dem Novartis-Campus in Basel. Besonders beeindruckend ist hier die fotografische Erzählung von der Umformung tonnenschwerer Stahlplatten zu einem skulpturalen Raumkörper.
3. Werkreihen Entstehung von Skulpturen und Aufstellung – Von der Schmiede im Stahlwerk bis zur fertigen Aufstellung im Landschaftspark dokumentiert Reinartz jeden Schritt: die massive Materialität, das Schmieden, das Transportieren – alles in kraftvollen Schwarz-Weiß-Bildern.
In der thematischen Gliederung und der Reihenfolge der Bildhängung hat sich Dauer insbesondere daran orientiert, „den Produktionsprozess abzubilden“. Das ist ihm und seinem Team auf eindrucksvolle Weise gelungen – ganz im Sinne von Dirk Reinartz. Mit seiner Fotoserie hat Reinartz dem Künstler Richard Serra nicht nur ein Denkmal gesetzt, sondern zugleich eine einzigartige fotografische Dokumentation der industriellen Stahlproduktion in Deutschland geschaffen. Obwohl die jüngsten Aufnahmen noch keine 20 Jahre alt sind, besitzen sie bereits heute einen unwiederbringlichen historischen Wert – nicht zuletzt, weil einige der einst weltmarktführenden Stahlschmieden inzwischen nicht mehr existieren.
Künstlerisch betrachtet, gelingt es Dirk Reinartz gelingt, durch Licht, Perspektive und Komposition, die physische Präsenz der Werke Serras auch im zweidimensionalen Medium der Fotografie spürbar zu machen. Seine Bilder sind mehr als Zeugnisse, so Daur: „Sie vermitteln den Raum, die Kraft, die Enge, das Gewicht und sogar die Hitze, die bei der Stahlverarbeitung eine Rolle spielt. So schafft er eine fotografische Annäherung an das körperliche Erleben der Skulpturen.“
Zum Schluss des Presserundgangs greift Daur noch einen Gedanken Reinartz’auf: „Ich definiere Räume neu, damit wir unseren Standpunkt überdenken.“ Genau darum ginge es – in dieser Ausstellung, in der Kunst, in der Fotografie: Perspektiven verschieben, Wahrnehmung schärfen, Realität neu denken, erläutert der Kurartor.
Hessisches Landesmuseum für Kunst & Natur
Friedrich-Ebert-Allee 2
65185 Wiesbaden
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