Mit der neuen Ausstellung „Die dunkle Seite Roms. Das Massengrab von Scupi“, die vom 18.12.2024 bis zum 25.06.2025 gezeigt wird, präsentiert das Archäologische Museum Frankfurt gleich drei Highlights parallel. Im Fokus der Ausstellung steht ein bemerkenswerter archäologischer Fund aus einer Nekropole (Totenstadt mit 5.500 Gräbern) der römischen Stadt Scupi, nahe dem heutigen Skopje in der Republik Nordmazedonien: ein Massengrab, das Einblicke in die Schattenseiten des Römischen Reiches gewährt.
2011 stießen Archäologen dort auf einen – ursprünglich als Abfallhalde genutzten – Graben, der die sterblichen Überreste von etwa 200 Personen enthielt. Die Anordnung und der Zustand der Skelettreste deuten darauf hin, dass es sich um die Opfer einer Massenhinrichtung handelt, möglicherweise Deserteure oder gescheiterte politische Gegner aus der Zeit der politischen Krisen des 3. und frühen 4. Jahrhunderts. Das Massengrab wirft ein Schlaglicht auf die unbarmherzige und grausame Realität der römischen Militärpolitik. In einer Epoche, die von inneren Konflikten und Machtkämpfen geprägt war, wurden Soldaten, die auf der „falschen Seite“ standen, oft gnadenlos bestraft, erklärt Dr. Wolfgang David, Direktor des Archäologischen Museums Frankfurt.
Besonders spannend bei der Freilegung war zudem freigelegte Müll von damals, den die Römer zur Verfüllung verwenden. Was einerseits pietätlos war, liefert der heutigen Wissenschaft wertvolle Hinweise über das Leben zum Zeitpunkt ihrer Hinrichtung vor gut 1750 Jahren.
„Die Männer wurden durch Enthauptung getötet, eine in der Antike als vergleichsweise gnädig geltende Hinrichtungsart – im Gegensatz zur Kreuzigung, Steinigung oder dem Tod durch wilde Tiere in der Arena“, so David. Der erschütternde Befund von Scupi eröffne einen Blick auf die dunkle Seite des zivilisatorisch so erfolgreichen Imperium Romanum. „Zudem ruft der Fund ins Bewusstsein, dass Massengräber nicht nur für Opfer von Naturkatastrophen, sondern bis zum heutigen Tag auch für Opfer politischer Gewalt oder von Kriegsverbrechen angelegt werden. Nach der Auffindung der meist getarnten Massengräber und der Exhumierung der Opfer trägt die forensische Anthropologie zur Aufklärung aktueller Kriegsverbrechen und zur Identifizierung von Opfern bei“, erklärt der Museumsdirektor.
David hatte bereits 2011 etliche der Fundstücke in Scupi sehen können und organisierte 2014 erfolgreich eine Präsentation des archäologischen Erbes Makedoniens im kelten römer museum manching. Als er im Sommer 2024 bei einer Tagung Dr. Panče Velkov, den Direktor des Museums der Stadt Skopje, über den aktuellen Forschungsstand der Grabungsstätte Scupi sprechen hörte, hatte er die Idee, die Ausstellung „Die dunkle Seite Roms. Das Massengrab von Scupi“ im Archäologischen Museum Frankfurt zu zeigen. Bei Dr. Velkov stieß er damit auf offene Ohren. So konnte die Schau in ungewöhnlich kurzer Zeit in Frankfurt umgesetzt werden. Dafür dankte David Direktor Dr. Panče Velkov und Igor Kuzmanoski, Kurator für Archäologie am Museum der Stadt Skopje, sowie stellvertretend für das gesamte Team des Archäologischen Museums Frankfurt den Archäologen Dr. Hristomir S. Hristov, Kustos für Klassische Archäologie und Alten Orient, und Dr. Holger Kieburg, Öffentlichkeitsarbeit und Wissenschaftskommunikation, sowie der Graphikerin Eike Quednau, die für die Gestaltung von Ausstellung und Begleitpublikation verantwortlich zeichnet.
Mit einer Fläche von etwa 44 Hektar ist Scupi ein bedeutender Ort und eine der größten römischen Städte auf dem Balkan sowie die größte römische Stadt auf dem Territorium der heutigen Republik Nordmazedonien aus der Kaiserzeit. Die Stadt „birgt noch immer viele Geheimnisse. Das Massengrab mit den enthaupteten römischen Soldaten ist nur eines davon. Die Tatsache, dass all diese erwachsenen Männer – einst tapfere Soldaten und Angehörige des unbesiegbaren römischen Militärs – einen gewaltsamen Tod, meist durch Enthauptung, erlitten hatten, wirft eine Reihe von Fragen auf: Wer waren sie? Wann und warum wurden sie hingerichtet? Wie und von wem?“, erklärte Dr. Velkov.
Angesichts der außergewöhnlichen Bedeutung dieses Fundes wurde noch „während der Forschungen im Felde ein interdisziplinäres Expertenteam aus Vertretern des Museums der Stadt Skopje, des Archäologischen Museums Mazedoniens und des Instituts für forensische Medizin, Kriminalistik und medizinische Deontologie gebildet, um die Pilotstudie ‚Archäologisch-anthropologische und forensisch-medizinische Untersuchung der Skelette aus dem Massengrab der südöstlichen Nekropole von Scupi‘ vorzubereiten. Diese Studie sollte als Grundlage für die Entwicklung eines wissenschaftlichen Projekts mit internationaler Beteiligung dienen, um das Massengrab eingehend zu erforschen“, erklärte der Direktor des Museums der Stadt Skopje.
Mit dieser Ausstellung in Frankfurt werde „dieser wichtigen Stätte eine neue, internationale Sichtbarkeit verliehen und ihre Erforschung sowie Erhaltung weiter vorangebracht“, zeigte sich Dr. Velkov überzeugt.
Scupi und Nidda und die Frankfurter Silberinschrift
David betonte, dass sich eine Verbindung zwischen Scupi und dem rund 1.700 Kilometer entfernten Rhein-Main-Gebiet unter anderem darin zeige, dass auch Nida, das auf dem heutigen Stadtgebiet liegt, von den Unsicherheiten jener Zeit betroffen war. Trotz dieser Herausforderungen erlebte Nida im 3. Jahrhundert eine Blütezeit. Der Ort entwickelte sich zu einem bedeutenden administrativen, ökonomischen und religiösen Zentrum im Hinterland des Obergermanischen Limes. Zahlreiche archäologische Funde zeugen von dieser Epoche, so der Museumsdirektor. Ein besonders bedeutender Fund ist die „Frankfurter Silberinschrift“, die erst kürzlich der Öffentlichkeit vorgestellt wurde.
Dieses Amulett mit einer innenliegenden, zusammengerollten beschrifteten Silberfolie wurde auf einem Gräberfeld außerhalb der nordwestlichen Ecke der Stadtmauer Nidas um den Hals eines zwischen 230 und 260 n. Chr. bestatteten Menschen gefunden. Er wurde als Christ beigesetzt und gilt als der bislang früheste direkte Nachweis eines Christen nördlich der Alpen, so David. Die „Frankfurter Silberinschrift“ ist nun ein neues Highlight in der Dauerausstellung des Archäologischen Museums.
Parallel läuft zudem noch bis zum 23. März 2025 die Sonderausstellung „Aenigma 2.0 – Wer entschlüsselt den rätselhaften Code aus der Bronzezeit?“. Sie ist das dritte Highlight des Archäologischen Museums Frankfurt und widmet sich der Frage, ob es sich bei den an verschiedenen Fundorten in Europa entdeckten, rund 3.500 Jahre alten gravierten Täfelchen um noch unbekannte Botschaften aus der Bronzezeit handelt. Besucher können hier ihre Vermutungen aufschreiben und mitteilen.
(Diether von Goddenthow /RheinMainKultur.de)