Verleihung des Robert-Gernhardt-Preises in der Naxoshalle Frankfurt. © Archivbild: Diether  von Goddenthow

Wiesbaden, Juni 2025 – Zwei vielversprechende literarische Stimmen werden in diesem Jahr mit dem renommierten Robert-Gernhardt-Preis ausgezeichnet: Lina Thiede und Kathrin Bach konnten mit ihren noch im Entstehen begriffenen Projekten die Jury überzeugen. Das gab Kunst- und Kulturminister Timon Gremmels heute bekannt. Der Preis wird gemeinsam vom Land Hessen und der Wirtschafts- und Infrastrukturbank Hessen (WIBank) vergeben. Das von der WIBank gestiftete Preisgeld wurde in diesem Jahr erstmals von bislang 24.000 Euro auf 30.000 Euro angehoben und wird von den beiden Preisträgerinnen geteilt. Damit würdigt der Hessische Literaturpreis  zwei starke Erzählprojekte über Zugehörigkeit, Ausgrenzung und gesellschaftliche Rollenbilder.

Minister Gremmels gratulierte beiden Autorinnen herzlich: „Ich wünsche Lina Thiede und Kathrin Bach, dass diese Auszeichnung ihnen die nötige Kraft und den Freiraum gibt, ihre beeindruckenden Texte zu vollenden. Beide Erzählungen kreisen um das Spannungsverhältnis zwischen Ausgrenzung und Zugehörigkeit, um gesellschaftliche Erwartungen – und um die Kraft, diese zu hinterfragen oder zu durchbrechen. Ich bin sehr gespannt auf die fertigen Werke. Gleichzeitig danke ich der WIBank für die langjährige, erfolgreiche Partnerschaft in der hessischen Literaturförderung und die Anhebung des Preisgeldes – ein wichtiges Signal für Autorinnen und Autoren, die in einer sensiblen Schaffensphase oft vor besonderen Herausforderungen stehen.“

Auch Dr. Michael Reckhard, Mitglied der WIBank-Geschäftsleitung, zeigte sich bewegt: „Die Verleihung des Robert-Gernhardt-Preises ist für mich jedes Jahr ein Highlight. Es ist eine wunderbare Tradition, die vor nunmehr 16 Jahren begann – als Hommage an den großen Dichter Robert Gernhardt und als kraftvolles Bekenntnis zur Förderung von Literatur. Es freut uns sehr, dass sich der Preis zu einer festen Größe in der Literaturlandschaft entwickelt hat. Von Herzen gratuliere ich Lina Thiede und Kathrin Bach – ihre Exposés haben die Jury nachhaltig beeindruckt.“

Lina Thiede © Foto Kayla Meyer

Lina Thiede, geboren 1996 in Gießen, hat Komparatistik, Musikwissenschaft sowie Theorien und Praktiken professionellen Schreibens in Saarbrücken, Bonn und Köln studiert. Für ihre Arbeiten wurde sie bereits mehrfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem OVAG-Jugendliteraturpreis und dem Preis des Jungen Literaturforums Hessen-Thüringen. 2022 erhielt sie das „Land in Sicht“-Stipendium des Hessischen Literaturrats, 2025 erscheint ihr dritter Roman „Manchmal weißt du, was geschehen wird“ im Radiator-Verlag. Mit dem Robert-Gernhardt-Preis 2025 wird sie nun für ihr Projekt „Weben in der Nacht“ ausgezeichnet – die Geschichte der jungen Mutter Moira, die in einem feindseligen Dorf auf sich allein gestellt ist. Ihre Familie besitzt eine geheimnisvolle Gabe: Seit Generationen spinnen die Frauen Schicksalsfäden und verweben Lebensgeschichten – ein Erbe, das ihnen Neid und Misstrauen eingebracht hat. Nach dem Tod von Mutter und Großmutter kämpft Moira darum, ihr Kind und sich selbst zu schützen – und ihren Platz in einer feindlichen Gemeinschaft zu finden. Die Jury hebt besonders Thiedes poetische, märchenhafte Sprache hervor, mit der sie die komplexe, sehr gegenwärtige Geschichte einer klugen, ehrgeizigen und dadurch oft einsamen Frau erzählt.

Kathrin Bach © Julia Vogel

Auch Kathrin Bach, 1988 in Wiesbaden geboren, überzeugte mit einem vielschichtigen Romanprojekt. Sie studierte Literarisches Schreiben in Hildesheim, ist ausgebildete Buchhändlerin und hat sich bereits mit zwei vielbeachteten Lyrikbänden („Schwämme“, 2017, und „Gips“, 2024) einen Namen gemacht. Ihr Romandebüt „Lebensversicherung“ erschien im Februar 2025 im AZUR Verlag und wurde prompt für den Literaturpreis Fulda nominiert.
Den Robert-Gernhardt-Preis erhält sie für das geplante Buch „Am Beispiel meines Onkels“. Im Zentrum steht Onkel Willi, ein nur 1,20 Meter großer Mann, der nach zwei Schlaganfällen pflegebedürftig ist, zuvor aber als Steuerberater zum reichsten Mann im Dorf wurde. Aus der Perspektive der Ich-Erzählerin entsteht ein sensibles Porträt dieses ungewöhnlichen Charakters – und zugleich ein Blick auf eine Dorfgemeinschaft, auf Wohlstand, Nachkriegsgesellschaft und Körperbilder. Die Jury lobt das Projekt als formal originell und gesellschaftlich relevant: ein eindrücklicher, fein beobachteter Roman über einen nicht-urbanen Kosmos, der auf subtile Weise große Fragen stellt.

Bewerben konnten sich Autorinnen und Autoren, die derzeit an einem größeren literarischen Vorhaben arbeiten und deren Biografie oder Thema einen Bezug zu Hessen aufweist. Die feierliche Preisverleihung findet am 18. September 2025 in Frankfurt am Main statt.

http://www.robert-gernhardt-preis.de