Wenn die Leute im September aus der Sommerpause zurück sind, wartet das Literaturforum im Mousonturm e.V.
in der Frankfurter Waldschmidtstraße 4 gleich mit zwei Buchpremieren der Autorinnen Julia Wolf und Britta Boerdner auf. Zudem geht die neue Reihe „Werkseinstellungen“ an den Start, in der nicht ein einzelnes Buch, sondern das Gesamtwerk im Vordergrund steht.
Das Leseprogramm im September 2022 im Überblick
Sonntag, 4. September, 19.30 Uhr:
Robert Stripling: Unter Stunden – Album I
Über zehn Jahre hat Robert Stripling an Unter Stunden und dem Nachfolgeband Über Flüche gearbeitet – und die Sorgfalt dieser jahrelangen Arbeit spürt man in jeder Zeile. Es ist ein Buch über die Zeit (das sagt bereits der Titel), ein Buch über Erinnerungen (zum Beispiel an einen trunksüchtigen Vater), ein Buch über das Schreiben und das Schriftsteller-Sein, ein Buch über ein Ich, das wandert und beobachtet und staunt…
Diese Reihung ließe sich noch beliebig fortsetzen und würde doch nur ein unzulängliches Bild von Striplings Prosa vermitteln. Denn was Unter Stunden vor allem auszeichnet, ist nicht, was es erzählt, sondern wie es erzählt: mit feinem Gespür für die Musikalität und die Architektur eines Texts und mit Mut zur sprachlichen Extravaganz. Entstanden ist so eine Prosa, die sich allem konventionellen Erzählen so radikal verweigert, wie man es sonst vielleicht nur von Friederike Mayröcker kennt.
Moderation: Paul Jandl
Eintritt: 8,-/5,- Soliticket: 12,-
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Donnerstag, 8. September, 19.30 Uhr:
Norbert Gstrein: Vier Tage, drei Nächte
Ines und Elias sind Halbgeschwister. Seit ihrer Kindheit sind die beiden sich auf eine Art nah, die so innig wie radikal manipulativ ist, spätestens dann, wenn Ines einen neuen Liebhaber hat, der sich mit Elias’ Eifersucht konfrontiert sieht. Und Ines? Sie ist keineswegs Opfer, sondern spielt dieses Spiel mit, denn niemandes Liebe ist reiner als jene von Elias. Als dieser zum Weihnachtslockdown 2020 schließlich seinen eigenen Partner Carl einlädt, entwickelt sich zwischen den dreien ein toxisches Kammerspiel, das tief hineinführt in ein Netzwerk aus Misogynie und Rassismus.
Mit seinem neuen Roman Vier Tage, drei Nächte spinnt Norbert Gstrein jene Motivketten und Fragen weiter, die wir bereits aus seinen letzten Büchern kennen: Wer sind wir? Wie sind wir geworden, was wir sind – und welche Schuld haben wir auf diesem Weg auf uns genommen?
Moderation: Christoph Schröder
Eintritt: 8,-/5,- Soliticket: 12,-
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Donnerstag, 15. September, 19.30 Uhr:
Britta Boerdner: Es geht um eine Frau (Buchpremiere)
„An jenem Freitagmorgen des vergangenen Jahres ging ich als Kriegerin aus dem Haus.“ Ein gutes halbes Jahr später befindet sich die, die da spricht, im freien Fall. Jahrelang hat Elena für ihre Karriere auf ein Privatleben verzichtet. Als sie eine Affäre mit dem fünfzehn Jahre jüngeren Consultant M. beginnt, wird sie diese Beziehung wie ein Projekt behandeln: effizient, kühl, analytisch. Die Anforderungen ihres Berufes bestimmen längst außerhalb des Dienstes ihr Leben – mit katastrophalen Folgen.
Britta Boerdner wirft in ihrem dritten Roman Es geht um eine Frau den Blick in die moderne Arbeitswelt. Zwischen den Zumutungen von corporate language und Selbstoptimierung zeichnet sie das Porträt einer Frau, die von dieser Welt durchdrungen ist, obwohl sie genau dies immer zu verhindern versucht hat. Angesichts der Tragödie, in der ihr Verhältnis zu M. mündet und die das Ende ihrer Karriere markieren wird, blickt sie nun schonungslos auf die Vergangenheit – und sich selbst.
Moderation: Björn Jager
Eintritt: 8,-/5,- Soliticket: 12,-
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Montag, 19. September, 19.30 Uhr:
Werkseinstellungen – Ulrike Almut Sandig
Wenn man Ulrike Almut Sandig als eine der wichtigsten lyrischen Stimmen der Gegenwart bezeichnet, ist das zwar absolut korrekt, wird aber der Vielseitigkeit ihres Werks in keiner Weise gerecht. Fünf Bände mit Gedichten, zwei mit Erzählungen und einen Roman hat Sandig seit 2005 veröffentlicht und das ist nur die Spitze des Eisbergs. Denn zu den in Buchform erschienenen Texten gesellen sich noch zahlreiche Hörspiele, Musikalben, Poetryfilme, Klangkunstwerke und Live-Performances, die zusammen einen multimedialen Sprachkosmos bilden. Von poetologischem Größenwahn ist dieser Kosmos jedoch weit entfernt, vielmehr herrschen in ihm Leichtigkeit und Spontanität und immer wieder Mut, sich einzumischen, engagiert zu sein, die Gegenwart in die Texte hinein und dabei die Sprache nicht aus dem Blick zu lassen.
Zeit, den Sandig’schen Kosmos einmal auf ganz grundsätzliche Weise zu erkunden – und wo ginge das besser als beim Auftakt unserer Werkseinstellungen-Reihe? Zu hören wird es natürlich auch etwas geben, denn wie Claus-Jürgen Göpfert einmal ganz richtig in der Frankfurter Rundschau bemerkte: „Aber ach, es ist ein armer Tropf, wer nur auf die Beschreibung eines Sandig-Auftritts angewiesen ist und ihn nicht selbst erlebt.“
Moderation: Christian Dinger
Eintritt: 8,-/5,- Soliticket: 12,-
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Donnerstag, 22. September, 19.30 Uhr:
Julia Wolf: Alte Mädchen (Buchpremiere)
Anni, Else und Hannelore sollen für eine Imagekampagne ihrer Seniorenresidenz Modell stehen. Während Germany’s Next Topmodel läuft, verhandeln die drei Mittneunzigerinnen, was sie über ihr Leben erzählen wollen – und was nicht.
Auf einer Fahrt nach Polen schickt Gudrun eine Sprachnachricht. Ihre Nichte soll vom Tod der Großmutter erfahren, doch Gudrun schweift ab, erzählt von der Flucht am Kriegsende und ihrer Kindheit in den 50ern. Dann wird ihr klar: Sie muss etwas gestehen.
Jenny, Thao und Undine verbringen ein Wochenende, bevor Jenny ihr erstes Kind bekommt. Neben Erinnerungen an die Jugend in den 80ern und 90ern spielen nun auch soziale Unterschiede in ihren Gesprächen eine Rolle – als plötzlich die Wehen einsetzen.
Julia Wolf porträtiert in Alte Mädchen drei Frauengenerationen, spürt Wunden, Werten und Erfahrungen nach und erzählt bundesrepublikanische Geschichte neu: radikal subjektiv und weiblich erkundet sie, woher wir kommen, wohin wir gehen, was wir mitnehmen und was wir loslassen sollten.
Moderation: Björn Jager
Eintritt: 8,-/5,- Soliticket: 12,-
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Donnerstag, 29. September, 19.30 Uhr:
Helene Bukowski: Die Kriegerin
Zehn Jahre sind vergangen, seit Lisbeth und die Kriegerin gemeinsam ihre Grundausbildung bei der Bundeswehr absolviert haben. Während die Kriegerin beim Militär bleibt und einen Auslandseinsatz nach dem anderen antritt, geht Lisbeth zurück nach Berlin, um wieder als Floristin zu arbeiten. Doch dort hält sie es nicht lange aus – fluchtartig kehrt sie immer wieder zum Meer zurück, dem einzigen Ort, an dem sie sich sicher fühlt. Hier trifft sie auch die Kriegerin wieder. Gemeinsam verbringen sie jeden Winter zwei Wochen in einem Bungalow in den Dünen, während Lisbeth für den Rest des Jahres auf einem Kreuzfahrtschiff arbeitet und die Kriegerin im Einsatz ist. In dieser Zeit sind sie einander so nah wie sonst niemandem und dennoch immer bemüht, die eigenen Wunden voreinander zu verbergen.
Nach ihrem gefeierten Debüt Milchzähne beweist Helene Bukowski erneut ihre Fähigkeit, mit kurzen, poetischen Sätzen eine unverwechselbare Stimmung heraufzubeschwören. In Die Kriegerin erzählt sie von einer besonderen Frauenfreundschaft, erlebten und vererbten Traumata und dem unerfüllbaren Wunsch, unverwundbar zu sein.
Moderation: Christian Dinger
Eintritt: 8,-/5,- Soliticket: 12,-
Hessisches Literaturforum im Mousonturm e.V.
Waldschmidtstraße 4
60316 Frankfurt am Main
www.hlfm.de