Wiesbaden. Mit dem traditionellen Benefiz-Weihnachtskonzert im Wiesbadener Kurhaus am 2. Adventssonntag dankte der Hessische Ministerpräsident Boris Rhein im ausverkauften Friedrich-von-Thiersch-Saal des Wiesbadener Kurhauses allen ehrenamtlich engagierten Menschen im Bundesland Hessen für ihre außerordentlich hohe Bereitschaft, „sich ehrenamtlich zu engagieren und sich für andere Menschen verantwortlich fühlen.“ Es sei ein wichtiges Ziel der Landesregierung, „die hervorragende Arbeit der mehr als zwei Millionen Ehrenamtlichen in Hessen zu unterstützen. Mein herzlicher Dank gilt allen, die mit ihrem Engagement zur ehrenamtlichen Arbeit beitragen. Sie zu würdigen, ist alljährlich Anlass für dieses Weihnachtskonzert“. Mit dem heutigen Konzertabend wolle das Land Hessen dem weihnachtlichen Gedanken der Nächstenliebe nachkommen, „indem wir eine karitative Einrichtung aus der Region unterstützen.“, so der Ministerpräsident. Gemeinsam mit Rheingau-Musik-Festival-Intendant Michael Herrmann überreichte Boris Rhein einen Spenden-Scheck in Höhe von 10.000 Euro an Prof. Dr. Thomas O.F. Wagner, den Vorstandsvorsitzenden des Fördervereins für unerkannte und seltene Erkrankungen (FUSE e.V.), . Das Geld stammt unter anderem aus dem Erlös der rund 900 verkauften Karten für das Weihnachtskonzert.
Die Veranstaltung fand in Kooperation mit dem Rheingau Musik Festival statt. Das großartige musikalische Programm wurde vom Musikkorps der Bundeswehr Siegburg unter Leitung von Oberstleutnant Christian Weiper und erstmalig von dem Landesjugendchor Hessen Leitung von Axel Pfeiffer gestaltet.
Rhein lobte die Arbeit des Fördervereins für unerkannte und seltene Erkrankungen (FUSE e.V.) und wies auf dessen Bedeutung für viele Betroffene in Hessen hin: „Der Förderverein für unerkannte und seltene Erkrankungen gibt vielen Menschen eine neue Perspektive auf Hilfe und Heilung. Er setzt sich für die Weiterentwicklung von Lehre, Forschung und Versorgung ein und vernetzt relevante Akteure. Im Verein haben sich Vertreterinnen und Vertreter des Frankfurter Referenzzentrums für seltene Erkrankungen und des Marburger Zentrums für unerkannte und seltene Erkrankungen zusammengetan. Unterstützt von Medizinern und Patienten versuchen sie, eine breite Basis für ihre Arbeit zu schaffen.
Der Förderverein, der beim Frankfurter Referenzzentrum für seltene Erkrankungen am Uniklinikum Frankfurt angesiedelt ist, begleitet Erkrankte und deren Angehörige auf ihrem oft langen Weg zu einer Diagnose und einer adäquaten medizinischen Versorgung. Ministerpräsident Rhein erläuterte: „Schätzungsweise fünf Millionen Deutsche sind von etwa 8.000 verschiedenen seltenen Krankheiten betroffen. Wir dürfen diese Menschen nicht alleine lassen und müssen noch mehr tun, um ihnen zu helfen. Die Landesregierung hat im Koalitionsvertrag erstmals die seltenen Erkrankungen berücksichtigt. Wir wollen die Zentren für unerkannte und seltene Erkrankungen stärken. Damit nimmt Hessen eine Vorreiterrolle ein.“
„Musik hat die Kraft, Menschen zu verbinden und auf wichtige Anliegen aufmerksam zu machen. Es ist uns eine Herzensangelegenheit, mit diesem Konzertabend einen Beitrag zur Unterstützung des Fördervereins für unerkannte und seltene Erkrankungen zu leisten. Die Arbeit von FUSE e.V. ist von enormer Bedeutung für Betroffene und deren Familien, da sie Hoffnung und Orientierung in oft ungewissen Situationen gibt. Ich danke allen Konzertbesuchern, die mit ihrem Kartenkauf zu dieser Spende beigetragen haben, und freue mich, gemeinsam mit Ministerpräsident Boris Rhein diese wichtige Initiative zu unterstützen“, sagte Michael Herrmann, Intendant und Geschäftsführer des Rheingau Musik Festivals.
Prof. Dr. Thomas O.F. Wagner wies in seiner Dankesrede auf die Wichtigkeit der durch den Förderverein FUSE e.V. unterstützten Zentren für unerkannte und seltene Erkrankungen hin und erklärte, was unter den Begriff „seltene Erkrankungen“ falle. Als selten gelte in Europa eine Krankheit, so Wagner, wenn an ihr nicht mehr als 5 von 10.000 Personen litten. „70 % der seltenen Erkrankungen sind genetisch bedingt und beginnen im Kindesalter“. Dabei handele es sich „meist um chronische Erkrankungen mit einer komplexen Symptomatik, die mehrere Organsysteme betreffen. Dies macht eine interdisziplinäre Betreuung erforderlich. Die Patientinnen und Patienten haben häufig eine lange Odyssee bis zur Diagnosestellung hinter sich“, erklärte Wagner. Er schilderte den Fall eines einst sehr aktiven Mannes Mitte Vierzig, der plötzlich unerklärlich schwer erkrankte. Trotz jahrelanger Ärzte-Odyssee vermochte ihm niemand zu helfen. Als er endlich im „Zentrum für unerkannte und seltene Erkrankungen“ die richtige Diagnose erhielt, war es zu spät für ihn.
Aber selbst wenn es nicht so tragisch endet wie bei dem Mittevierzigjährigen, bedeuten die Folgen einer nicht diagnostizierten seltenen Erkrankung für die meisten Betroffenen oft erhebliche Einschränkungen im Alltag sowie eine reduzierte Lebensqualität und Lebenserwartung.
„Dies erfordert Interprofessionalität in der Versorgung. Erschwerend kommt hinzu, dass es häufig keine ursächliche Therapie für seltene Erkrankungen gibt“, erklärte der Vorsitzende von FUSE e.V. und nannte Beispiele für solche Erkrankungen. Insgesamt seien „aktuell circa 6.000 bis 8.000 seltene Erkrankungen bekannt, von denen die meisten als ultrarare eingestuft werden“, das heißt, sie treten lediglich einmal pro 1.000.000 Menschen auf. So sei zwar jede einzelne seltene Erkrankung „selten“, aber durch die hohe Anzahl verschiedener seltener Erkrankungen gebe es in der Summe viele Betroffene. Schätzungsweise seien dies in der Bundesrepublik Deutschland etwa 5 % der Gesamtbevölkerung, also 4 bis 5 Millionen Patientinnen und Patienten.
„Durch eine bisher fehlende spezifische Dokumentation sind die Statistiken über die Betroffenenzahlen ungenau, und die Dunkelziffer ist mutmaßlich höher.“ Auch wenn sich die seltenen Erkrankungen in ihrer Gesamtheit zu einer hohen Zahl summierten, betonte Wagner, „fehlt es an Wissen zu jeder einzelnen dieser Erkrankungen. Im Medizinstudium werden etwa 800 bis 900, überwiegend häufige, Erkrankungen gelehrt.“
Die Expertise in der Versorgung sei oft personengebunden und entstehe vor allem durch persönliches Interesse und Engagement. Daher drohe bei Standortwechseln von Expertinnen und Experten häufig die Schließung von spezialisierten Zentren. Patientinnen und Patienten mit seltenen Erkrankungen würden überwiegend ambulant betreut. Die zeitaufwendige inter- und multidisziplinäre Betreuung sei jedoch weder an (Universitäts-)Kliniken noch im niedergelassenen Bereich kostendeckend abrechenbar.
Anschließend entführten das Musikkorps der Bundeswehr und das Landesjugendchor Hessen die Besucher in das grandioses Weihnachts-Konzert von Barock bis Neuzeit. Nach Richard Strauss (1864-1949) „Feierlichem Einzug der Ritter des Johanniterordens“ folgten 90 Minuten lang nonstop ein musikalischer Leckerbissen nach dem anderen. Ganz besondere Höhepunkte waren dabei das Trompetensolo von Stabsfeldwebel Akio Ogawa-Müller in Giuseppe Tartinis (1692-1770) „Konzert für Trompete und Orchester D-Dur“, Nikolai Rimski-Korsakows (1844-1908) „Christmas Eve Polonaise“, das Potpourri „Weihnachten in Deutschland“, Jule Stynes (1905-1994) „Let lt Snow“ sowie abschließend die gemeinsam gesungenen Weihnachtslieder „Macht hoch die Tür“ und „Tochter Zion“.
(Diether von Goddenthow /RheinMainKultur.de)
Tipp: Schon jetzt vormerken Open-Air-Konzerte im Kurpark Wiesbaden des Rheingau Musik Festivals.