Wiesbadener Biennale: Dries Verhoeven Beerdigungs-Happening der „Multikulturellen Gesellschaft“

Einzug in die Kirche, vorneweg die Messdiener mit Weihrauchschwenker, gefolgt vom niederländischen Künstler Dries Verheoven, den Sargträgern mit der verstorbenen "Multikulti-Gesellschaft" Foto: Diether v. Goddenthow © massow-picture
Einzug in die Kirche, vorneweg die Messdiener mit Weihrauchschwenker, gefolgt vom Pfarrer (Schauspieler Ulrich Schmissat), den Sargträgern mit der verstorbenen „Multikulti-Gesellschaft“ Foto: Diether v. Goddenthow © massow-picture

Als einzige Kirche hatte sich die Wiesbadener Anglikanische Kirche St. Augustine auf Dries Verhoevens  Kunst-Event eingelassen und es nicht als allzu gotteslästerlich empfunden, namens der Kunst in ihren christlich sakralen heiligen Hallen  eine  „Beerdigung ganz besonderer Art“ zuzulassen. Zu Grabe getragen wurde nämlich  kein Mensch, sondern eine Idee, eine Wertvorstellung: das Konstrukt der „multikulturellen Gesellschaft“.

Am offenen Sarg vorbei ging es für die Trauernden in den Trauergottesdienst. Foto: Diether v. Goddenthow © massow-picture
Am offenen Sarg vorbei ging es für die Trauernden in den Trauergottesdienst. Foto: Diether v. Goddenthow © massow-picture

Ganz in schwarz  begrüßte Dries Verhoeven die  Trauergäste  mit einer Umarmung und den Worten: „Schön das du gekommen bist!“ Dann ging es vorbei am offenen Sarg, in dem ein junger Mann mit geöffneten Augen aufgebahrt lag, in die Kirche. Die ersten beiden Bank-Reihen sind reserviert, wie wir ein wenig später erleben, für die „Trauergäste“. Als die Kirche bis auf den letzten Sitz-und Stehplatz gefüllt ist, und er Chor anstimmt,  zieht der Trauerzug ein: Voran die Messdiener, gefolgt vom „Pfarrer“ (Schauspieler Ulrich Schmissat), hinter diesem schultern sechs original als Sargträger gekleidete Statisten den  schwarzglänzenden Holz-Sarg. Die  Gruppe der „trauernden Angehörigen“ folgt dem Sarg, der in der Chorapsis aufgebockt wird. Vier Kerzen, die auf Geheiß des Geistlichen hin von einem deutlich als Migrantenkind erkennbarem Mädchen entzündet werden, sollen ein wenig helfen, die „Finsternis“ zu erhellen.  Wie das Entzünden der Kerzen passiert auch alles andere in zum Verwechseln ähnlicher,  christlicher Liturgie: Weihrauch, Kreuz, Gebet, Ornat, Predigt,  Lesung, Sammeln, Fürbitte, Friedensgruß und das Orgelspiel vom Wiesbadener Kirchenmusiker Thomas Schermuly.

Die Lesung der Totenmesse   beim Beerdigungs-Happing.© massow-picture
Die Lesung der Totenmesse beim Beerdigungs-Happing.© massow-picture

Die Begräbnisfeier der „multikulturellen Gesellschaft“, wie sie hierzulande assoziiert wird, nimmt ihren Lauf. Ihr Todeszeitpunkt wird auf die Zeit um Charli Hebdo datiert. Seitdem sind hierzulande Migranten unter Generalverdacht geraten.  Radikale, zunehmend auch aus der Mitte der Gesellschaft, haben  die Angst der Leute vor Überfremdung und der Abschaffung des Abendlandes geschürt und vielfach für ihren eigenen Zwecke missbraucht.
Nun endlich hat die   monokulturelle Gesellschaft wieder eine Chance. Begrüßt wird daher die neue deutsche Leitkultur, und „Thilo Sarazin“, dem Schöpfer des Basiswerkes „Deutschland schafft sich ab!“  skandiert: „Dank sei Thilo!“

Der Auszug aus der Kirche erfolgt nach einer Abendmal-ähnlichen Darreichung einer Dattel an interessierte Trauernde in gleicher Aufstellung wie der Einzug. Die Messdiener, der Pfarrer, der Sarg und hintenan die Trauernden, insgesamt gut 200 Personen.

Die lange Trauerkolonne bewegt sich hier von der Anglikanischen Kirche an der Wilhelmstrasse entlang in Richtung Schillerdenkmal, wo die Erdbestattung stattfinden wird. Am offenen Sarg vorbei ging es für die Trauernden in den Trauergottesdienst. Foto: Diether v. Goddenthow © massow-picture
Die lange Trauerkolonne bewegt sich hier von der Anglikanischen Kirche an der Wilhelmstrasse entlang in Richtung Schillerdenkmal, wo die Erdbestattung stattfinden wird. Am offenen Sarg vorbei ging es für die Trauernden in den Trauergottesdienst. Foto: Diether v. Goddenthow © massow-picture

Nachdem der Sarg in das Beerdigungsfahrzeug geladen ist,  stoppt gar ein Bus in der Frankfurter Straße, damit der  Trauerzug gefahrlos hinüber und  entlang der   Wilhelmstrasse  in Richtung Schillerdenkmal zur letzten – bereits für die Erdbestattung vorbereitete –  Ruhestätte am Theater marschieren kann.

Gleich wird der Sarg mit der "multikulturellen Gesellschaft" in die Grube oberhalb des Schillerdenkmals am Wiesbadener Theater herabgelassen. Die lange Trauerkolonne bewegt sich hier von der Anglikanischen Kirche an der Wilhelmstrasse entlang in Richtung Schillerdenkmal, wo die Erdbestattung stattfinden wird. Am offenen Sarg vorbei ging es für die Trauernden in den Trauergottesdienst. Foto: Diether v. Goddenthow © massow-picture
Gleich wird der Sarg  der „multikulturellen Gesellschaft“ in die Grube oberhalb des Schillerdenkmals am Wiesbadener Theater herabgelassen werden.  Foto: Diether v. Goddenthow © massow-picture

 

Nach der Beisetzung mit Grabrede und persönlicher Abschiednahme  folgten zahlreiche Trauergäste  der Einladung zum „Leichenschmaus“ mit Kaffee und Käsebrötchen in das „Café hinter dem Friedhof“ (Theater-Kantine). Hier war auch Gelegenheit, den als Menschen mit Migrationshintergrund erkennbaren Hinterbliebenen zu kondolieren und/ oder entsprechende  Beileidsbekundungen in ein ausliegendes Trauerbuch zu schreiben.

Noch bis einschließlich zum 3. September 2016 veranstaltet der Niederländer täglich ab 18.00 Uhr seine „Beerdigungs-Happenings“. „Segen und Eintritt“ sind frei.