Spitzenmalerei des 19. Jahrhunderts – „(…) Neues aus dem 19.“ u. „Exquisit (…)“ im Museum Wiesbaden bis 26.09.21

Das Portrait als Menschenbild - in der neuen Sonderausstellung Von Kühen, edlen Damen und verzauberten Landschaften. Oder von der Liebe zur Malerei: Neues aus dem 19.  Im Vordergrund Ernesto de Fioris Skulpturen "Jüngling" u. "Mädchen", jeweils 1919, Bronze. Im Hintergrund Hans Thomas berühmtes Doppelporträt "Milly und Else Haag, 1883.© Foto: Diether v. Goddenthow
Das Portrait als Menschenbild – in der neuen Sonderausstellung Von Kühen, edlen Damen und verzauberten Landschaften. Oder von der Liebe zur Malerei: Neues aus dem 19. Im Vordergrund Ernesto de Fioris Skulpturen „Jüngling“ u. „Mädchen“, jeweils 1919, Bronze. Im Hintergrund Hans Thomas berühmtes Doppelporträt „Milly und Else Haag“, 1883. © Foto: Diether v. Goddenthow

Endlich!! Der Lockdown liegt hinter uns, und „wir alle haben das große Bedürfnis, endlich wieder Originalkunst zu sehen und nicht mehr irgendwelche Bilder von Kunst“, so Dr. Andreas Henning, Direktor des Museums Wiesbaden- Er hatte gemeinsam mit Dr. Peter Foster, Kustos Sammlungen 14. bis 19. Jh. und Kurator, sowie Kunstmäzen Jan Baechle, gleich zur Präsentation von zwei  Sonderausstellungen zur Kunst des 19. Jahrhunderts eingeladen, die quasi in der „Corona-Pipeline“ hängengeblieben waren.

Während die Sonderausstellung „Exquisit. Kunst des 19. Jahrhunderts. Die Schenkung Baechle“ im 2. Obergeschoss des Wiesbadener Museums kleine monographische Schwerpunkte setze, indem sie jeweils mehrere Arbeiten eines Künstlers, der im 19. Jahrhundert gewirkt hat oder geboren wurde, chronologisch und thematisch zusammenhängend zeigt, präsentiere im UG die Sonderausstellung „Von Kühen, edlen Damen und verzauberten Landschaften. Oder von der Liebe zur Malerei: Neues aus dem 19.“ die Werke ganz im Sinne des 19. Jahrhunderts fast schon klassisch anmutend nach einer akademischen Aufteilung, nämlich in einzelnen Gattungen.

Fritz von Uhde (1848 - 1911) Im Klostergarten, 1875, ein Neuerwerb, ist eines der Highlights der Ausstellung "Neues aus dem 19.". Als Kulisse für den ""Klostergarten" wandelte der 27jährige Uhde den Schloss-Garten (Altfranken /Dresden)  seines Förderers Felix Graf von Luckner in eine südlich anmutende, wildromantische Landschaft um. Uhde hatte Luckner beim Gardereiterregiment im Deutsch-Französischen Krieg 1870/71 kennengelernt. © Foto: Diether v. Goddenthow
Fritz von Uhde (1848 – 1911) Im Klostergarten, 1875, ein Neuerwerb, ist eines der Highlights der Ausstellung „Neues aus dem 19.“. Als Kulisse für den „“Klostergarten“ wandelte der 27jährige Uhde den Schloss-Garten (Altfranken /Dresden) seines Förderers Felix Graf von Luckner in eine südlich anmutende, wildromantische Landschaft um. Uhde hatte Luckner beim Gardereiterregiment im Deutsch-Französischen Krieg 1870/71 kennengelernt. © Foto: Diether v. Goddenthow

Bis zum 26. September 2021 zeigt das Museum Wiesbaden in der neuen Sonderausstellung Von Kühen, edlen Damen und verzauberten Landschaften. Oder von der Liebe zur Malerei: Neues aus dem 19. über 140 Schätze der museumseigenen Sammlung, darunter zahlreiche Neuerwerbungen, frisch restaurierte, noch nie gezeigte oder schon lange nicht mehr präsentierte Gemälde (siehe  Im Klostergarten), Druckgrafiken und Bronzen. Ergänzt wird dieser Bestand um Keramiken und Porzellanfiguren aus zwei Wiesbadener Privatsammlungen, welche die Ausstellung um neue künstlerische Perspektiven für die Zeit um die Jahrhundertwende erweitern.

Impression der Sonderausstellung "Von Kühen, edlen Damen und verzauberten Landschaften. Oder von der Liebe zur Malerei: Neues aus dem 19." , die Gattung betreffend: "Die vielfältige narrative Welt des 19. Jh"  © Foto: Diether v. Goddenthow
Impression der Sonderausstellung „Von Kühen, edlen Damen und verzauberten Landschaften. Oder von der Liebe zur Malerei: Neues aus dem 19.“ , die Gattung betreffend: „Die vielfältige narrative Welt des 19. Jh“ © Foto: Diether v. Goddenthow

Kaum ein Jahrhundert hat die Welt so radikal und umfassend verändert, wie das 19. Jahrhundert. Diese Zeit war durchdrungen von gesellschaftlichen Spannungen, übersteigertem Hochmut und der Ernüchterung nach dem Fall. Die Schau Neues aus dem 19. wirft die Frage auf, wie sich die Kunst in einem sich politisch und gesellschaftlich selbst suchenden Deutschland verhielt und welche Rolle sie in dieser komplexen nervösen Zeit einnahm. Die Ausstellung ist in Gattungen gegliedert, um dieser Fragestellung auf den Grund zu gehen. Ein besonderer Fokus liegt auf dem Ringen innerhalb des damaligen akademischen Betriebs, mit seinem Bestreben am Bestehendem festzuhalten, während einige Künstlerinnen und Künstler versuchten, daraus auszubrechen oder den Gang durch die Institutionen wählten, um Veränderungen zu erreichen. Versammelt werden in der Ausstellung malerische Landschaftsansichten, Genrebilder, Historiengemälde, Landidyllen mit Nutztieren oder Darstellungen feiner Damen.

Heinrich Voglers (1872 - 1942)  "Abschied" und "Heimkehr"  (1898) gehören zusammen und sind auf ihre Art ein Paar. Es sei ein großer Glücksfall für das Museum Wiesbaden, so Museumsdirektor Dr. Henning, diese Werke dank der Sammlung F.W. Neess gemeinsam als Dauerleihgabe präsentieren zu können. © Foto: Diether v. Goddenthow
Heinrich Vogler (1872 – 1942), „Abschied“ und „Heimkehr“ (1898) gehören zusammen und sind auf ihre Art ein Paar. Es sei ein großer Glücksfall für das Museum Wiesbaden, so Museumsdirektor Dr. Andreas Henning, diese Werke dank der Sammlung F.W. Neess gemeinsam als Dauerleihgabe präsentieren zu können. © Foto: Diether v. Goddenthow

Große Namen darunter Carl Spitzweg, Hans Makart, Heinrich Vogeler, Johann Friedrich Voltz oder Hans Thoma aber auch viele heute weniger bekannte Künstlerinnen und Künstler, die es zu erforschen gilt, zeugen von einer vielschichtigen Lebendigkeit des 19. Jahrhunderts.
„Wir freuen uns, mit dieser Ausstellung besondere Schätze unseres Hauses zeigen zu können, die zum Teil noch nie oder lange nicht mehr zu sehen waren“, sagt Dr. Andreas Henning, Direktor des Museums Wiesbaden. „Mit dem eigenen Sammlungsbestand zu arbeiten, ist eine zentrale Aufgabe des Museums. Wir öffnen die Depots, um die Kunst des 19. Jahrhunderts zu zeigen, wobei wir uns diese Epoche besonders zugehörig fühlen, denn es ist unsere Gründungsepoche. Mit der großzügigen Schenkung des Ehepaars Baechle, die wir parallel in einer eigenen Sonderausstellung zeigen, erhält dieses Jahrhundert noch eine substantielle Bereicherung.“

Dr. Peter Forster, Kurator beider Ausstellungen, erläutert  bei einem Presserundgang die Bedeutung der Landschaftsmalerei im 19. Jahrhundert. Im Hintergrund links: Carl Heinrich Dreber (1822 - 1875)  "Der Gang zur Quelle", rechts: Bernhard Fries (1820 - 1879) Felsen von Vergil. © Foto: Diether v. Goddenthow
Dr. Peter Forster, Kurator beider Ausstellungen, erläutert bei einem Presserundgang die Bedeutung der Landschaftsmalerei im 19. Jahrhundert. Im Hintergrund links: Carl Heinrich Dreber (1822 – 1875) „Der Gang zur Quelle“, rechts: Bernhard Fries (1820 – 1879) Felsen von Vergil. © Foto: Diether v. Goddenthow

Den breitesten Raum nimmt in der Ausstellung das Genre der Landschaftsmalerei des 19. Jahrhunderts ein. Denn sie war  zu der Zeit  das bestimmende Thema in der Malerei und wurde maßgeblich von jenen Künstlern weiterentwickelt, die Anregungen außerhalb der Atelier- und Akademieräume suchten, so Dr. Peter Forster, Kurator und Kustos Sammlungen 14. bis 19. Jh. Dabei wurde das Sujet zunehmend dazu genutzt, die Rolle des Individuums in der Welt beziehungsweise den Blick des Einzelnen auf seine jeweilige Umwelt zu reflektieren. In diesem‘ Sinne, so der Kurator, sind Werke der Landschaftskunst kaum jemals als bloße Abbilder einer tatsächlichen Landschaft zu verstehen. Vielmehr bündeln sich in ihnen kollektive und individuelle Perspektiven, und es offenbaren sich gesellschaftliche Modellvorstellungen ebenso wie private Wünsche, Ängste und Sehnsüchte. Im Laufe der Jahrhunderte vollzogen sich in dieser Sicht auf die Welt Wandlungen. Dies alles ist in der Wiesbadener Ausstellung nun anhand wunderbarer wie bedeutender Bilder zu betrachten und im sehr empfehlenswerten Begleitkatalog (siehe unten!) vertiefend nachzulesen.

Ferdinand Liebermann (1883 - 1941) Schreck 1911. Porzellan, weiß, glasiert. Porzellanmanufaktur Ph. Rosenthal & Co. Selb. Foto  Heike v. Goddenthow
Ferdinand Liebermann (1883 – 1941) Schreck 1911. Porzellan, weiß, glasiert. Porzellanmanufaktur Ph. Rosenthal & Co. Selb. Foto Heike v. Goddenthow

Die Ausstellung deckt exemplarisch den gesamten Zeitraum, vom Beginn bis zur Jahrhundertwende ab, reicht in wenigen Fällen wie ein Scharnier gar ins 20. Jahrhundert hinein und zeigt deren künstlerischen Nachwirkungen. Die Besucherinnen und Besuchern können sich auf eine Entdeckungsreise durch das 19. Jahrhundert begeben und dort nachvollziehen, warum es zukünftig ein bedeutendes Ziel des Museums ist, eine permanente Galerie des 19. Jahrhunderts einzurichten.

„Neben facettenreicher faszinierender Malerei besticht die Ausstellung durch einen freien Blick auf die mediale Vielfalt des „Langen 19. Jahrhunderts“. Im Kontext von Malerei und Plastik werden gleichberechtigt eine Vielzahl keramische Werke präsentiert, die belegen wie abwechslungsreich und qualitätsvoll die Kunst dieser Zeit war“, betont Ausstellungskurator Dr. Peter Forster.

Exquisit — Kunst des 19. Jahrhunderts

Impression  der Sonderausstellung  Exquisit. Kunst des 19. Jahrhunderts. © Foto: Diether v. Goddenthow
Impression der Sonderausstellung Exquisit. Kunst des 19. Jahrhunderts. © Foto: Diether v. Goddenthow

Zeitgleich beleuchtet die Sonderausstellung Exquisit — Kunst des 19. Jahrhunderts (bis 26. September 2021) weitere Facetten dieser Zeit mit Arbeiten der wichtigsten Malerinnen und Maler aus der Region Frankfurt Rhein-Main. Das Ehepaar Baechle vermachte dem Museum Wiesbaden seine Sammlung und erweiterte damit den Museumsbestand um bedeutende Werke des 19. Jahrhunderts. Die Präsentation schließt an die Räume der Sammlung Alte Meister an und gibt mit Spitzenwerken — darunter Porträts nobler Damen, Gemälde mit idyllischen Landschaften und fernen Reisen bis hin zu Stillleben — einen Überblick über die bedeutendsten Maler Hessens:

Die Liste der bekannten Künstlernamen, von denen die Werke der Sammlung Baechle stammen, ist ebenso lang und wie eindrucksvoll. © Foto: Diether v. Goddenthow
Die Liste der bekannten Künstlernamen, von denen die Werke der Sammlung Baechle stammen, ist ebenso lang und wie eindrucksvoll. © Foto: Diether v. Goddenthow

Max Liebermann, Carl Morgenstein, Anton Burger, Heinrich Hasselhorst, Eugen Spiro, Hand Thoma — die Liste der bekannten Künstlernamen, von denen die Werke der Sammlung Baechle stammen, ist ebenso lang und wie eindrucksvoll. Viele der Künstler stammen aus dem Rhein-Main-Gebiet und haben die Region zum Zentrum ihres Schaffens gemacht. Zu den Hauptwerken zählen Hans Thomas Erinnerung an Orte von 1874 oder Wilhelm Trübners Unbekannte Damen nach rechts von 1882. Vor allem die Kronberger Malerkolonie bildet einen Schwerpunkt der Baechleschen Sammlung, die sich nahtlos in den bestehenden Museumsbestand einfügt und Lücken füllt. Die Werke der Sammlung reichen von der Romantik bis zum Realismus und zeugen von den gesellschaftlichen Veränderungen dieser Zeit.

Impression  der Sonderausstellung  Exquisit. Kunst des 19. Jahrhunderts. © Foto: Diether v. Goddenthow
Impression der Sonderausstellung Exquisit. Kunst des 19. Jahrhunderts. © Foto: Diether v. Goddenthow

Die Ausstellung Exquisit stellt die Sammlung Baechle in ihrer Gänze sowie die Protagonisten der Region mit 30 chronologisch angeordneten Gemälden und begleitenden Künstlerbiografien über vier Ausstellungsräume vor. Besucherinnen und Besucher können mit der Ausstellung Neues aus dem 19. Jahrhundert. Von Kühen, edlen Damen und verzauberten Landschaften. Oder von der Liebe zur Malerei zudem die Entwicklungen bis hin zum Jugendstil in einem facettenreichen Spektrum der Kunst des 19. Jahrhunderts verfolgen. Ursprünglich sollte die Schau zur Präsentation der Schenkung am 20. November 2020 zum 80. Geburtstag Baechles eröffnen, pandemiebedingt wurde sie verlängert.
Die Ausstellungen Neues aus dem 19. und Exquisit werden gefördert durch die Ernst von Siemens Kunststiftung und die Freunde des Museums Wiesbaden e.V.
Hr2 ist Kulturpartner des Museums Wiesbaden.

(v.l.n.r.) Kurator Dr. Peter Forster, Kunstmäzen Jan Baechle und Museumsdirektor Dr. Andreas Henning. © Heike v. Goddenthow
(v.l.n.r.) Kurator Dr. Peter Forster, Kunstmäzen Jan Baechle und Museumsdirektor Dr. Andreas Henning. © Heike v. Goddenthow

Laufzeiten der Ausstellungen: Exquisit: ursprünglich 20. November 2020—26. September 2021 Neues aus dem 19.: ursprünglich 30. April 2021—26. September 2021

Eintritt (nur mit Online-Zeitfenstertickets) Buchung: https://tickets.museum-wiesbaden.de/
Besucherinnen und Besuchern können das Museum gemäß der aktuellen Pandemieverordnung derzeit ausschließlich mit vorheriger Reservierung und Buchung eines Online Tickets besuchen. Bei allen Fragen sind wir dienstags bis freitags von 10:00–14:00 Uhr unter der Telefonnummer 0611/335 2251 erreichbar.

Begleitkataloge:

katalog-neues-aus-dem-19-forster-bKatalog zur Ausstellung
Neues aus dem 19.
Hrsg.: Peter Forster 192 Seiten mit 185 Abbildungen Hardcover Berlin: Deutscher Kunstverlag 2021
ISBN: 9783422986688
40— Euro (an der Museumskasse)

 

 

exquisit-kunst-des-19-schenkung-baechlenbKatalog zur Ausstellung
Exquisit — Kunst des 19. Jahrhunderts: Schenkung Jan und Friederike Baechle
Hrsg.: Peter Forster 144 Seiten mit 140 Abbildungen Hardcover Berlin: Deutscher Kunstverlag 2021 ISBN: 978-3-422-98626-8
24,— Euro (an der Museumskasse)