„Närrische Nachtvorlesung“ der Mainzer Unimedizin „für eine bunte, freie Welt!“ – Fulminantes Programm zum 11. Jubiläum

Die Rückkehr der „Närrischen Nachtvorlesung“ an ihren ursprünglichen Ort, dem Chirurgie-Hörsaal der Mainzer Unimedizin, zum 11. Jubiläum am 11.02.2025 wurde begeistert von der Narrenschar gefeiert. © Foto Diether von Goddenthow

Nachdem im September 2024 die „Nachtvorlesung“ in den Chirurgie-Hörsaal 505 der Mainzer Unimedizin zurückgekehrt war, feierte am 11. Februar 2025 ihre kleinere Schwester, die „Närrische Nachtvorlesung“, zum 11. Jubiläum ein fulminantes Comeback an ihrem Ursprungsort. Dies geschah fast auf den Tag genau fünf Jahre nach  Ausbruch von Corona.

Ermöglicht hatte die Rückkehr der Närrischen Nachtvorlesung an ihren Ursprungsort der neue Chef der Unimedizin, Professor Ralf Kiesslich. Gemeinsam hatte er eingeladen mit Professor Christian Vahl, dem ehemaligen Chef der Herz-, Thorax- und Gefäßchirurgie und Begründer der kultigen Nachtvorlesungsreihe für medizinisch interessierte Laien vor 21 Jahren.
Zusammen mit Ehefrau Dr. Susanne Vahl sowie engagierten Helfern der „Unsichtbaren Römergarde des MCV“ organisierten die Vahls die humorkarätigen „Lehrstunden der Narretei“: Nonstop wechselten sich Büttenreden und Liedvorträge ab mit musikalischen Ohrwürmern, Karneval-Schlagern und Evergreens zum Mitsingen, Schunkeln und Tanzen.
Schließlich ging es mit einer Foyer-Party heiter weiter, musikalisch umrahmt von der Band „Meenzer Altstadt-Disco“ – bei Bratwurst, Bier und Brezeln.

Fasnacht in der Unimedizin soll einen Platz im Herz der Bürger erobern

Prof. Dr. Christan Vahl.© Foto Diether von Goddenthow

Das, was wir machen wollen“, begrüßte Professor Vahl, „ist, dass die Unimedizin ihren Platz in aller Herzen findet.“ Das erreiche man nicht nur „mit wissenschaftlichen Leistungen und mit Heilungen“, sondern „in Mainz mit zwei ganz wichtigen Methoden“ – der Methode „05“ und der „Mainzer Fastnacht“, die tief in der Unimedizin verankert sei.  Vahl  dankte Professor Kiesslich, dass er die Rückkehr der Nachtvorlesungs-Reihe an ihren Ursprungsorte wieder ermögliche, und stellte ihn vor, als „den Mann, der die Unimedizin mit einem ganz neuen, frischen Wind versorgt hat“.

 

 

Endlich wieder über Medizin sprechen

Professor Dr. Ralf Kiesslich. © Foto Diether von Goddenthow

Professor Ralf Kiesslich, in seiner bunten Narrenkluft kaum mehr auf den ersten Blick erkennbar,  blickte, wohl gereimt, auf ein aufregendes erstes Jahr seit seiner Staffelübernahme der Unimedizin Mainz zurück, und zeigte sich erleichtert, dass „der Streit und der Zwist vorbei sind“ und „endlich wieder über Medizin“ gesprochen werde. Er lobte: „Wir haben neuen Teamgeist und Esprit und entwickeln ihn hoffentlich so wie noch nie“ – etwa bei der digitalen Innovation.
Unter Bezugnahme auf das Unwort des Jahres „Reimigration“ unterstrich der Klinikchef, „dankbar und stolz“ zu sein, dass an der Unimedizin „mehr als 100 Nationalitäten gesundheitsfördernd mit Spitzenqualitäten Spitzenmedizin sicherstellen“ – und betonte: „Das ist nur gemeinsam möglich.“
„Ganz kalt“ werde ihm, wenn er von „Gewalt gegen Helfende“ höre, und er stellte klar: „Die Unimedizin ist offen und tolerant, wir helfen jedem und sind nicht ignorant. Das ist der wahre Kern der Medizin, wir geben jedem einen Termin. Dann erwarten wir aber auch Respekt – dann gelingt Spitzenmedizin auch perfekt.“
Zum Abschluss richtete Kiesslich ein großes „Dankeschön an Familie Vahl für die Sitzung und die tollen Leute“ mit ihrem großartigen Programm.

Mit  „Black Cat“ reimend, singend, tanzend fröhlich durch die närrische Nacht

„Black Cat“, alias Dr. Kathrin Dohle, Frontfrau des „Trio Aeterna“, führte reimend, singend und tanzend durch die Närrische Nachtvorlesung am 11. Februar 2025 zum 11. Jubiläum im Hörsaal für Chirurgie der Unimedizin Mainz. © Foto Diether von Goddenthow

„Sie dürfen sich unterhaken, es ist so weit!“, eröffnete Dr. med. Kathrin Dohle als Black Cat verkleidete Sitzungspräsidentin zum Start des umfangreichen Programms.  Fast vier Stunden lang und ohne Pause führte die Kardiologin der Unimedizin fröhlich reimend, singend und tanzend  die  „lieben Närrinnen, Narhalesen und Nariversen“  durch die „Närrische Nacht“.  „Wie schön, dass Sie dem unüberhörbaren Ruf der Unsichtbaren Römergarde des MCV gefolgt sind und sich heute Abend im kurfürstlichen Hörsaal der Unimedizin zu Mainz eingefunden haben.“

Erfahrene „Nachtvorlesungs-Kommilitonen“ wussten, man sollte lieber zeitiger als pünktlich sein. Und so hatte sich ein harter Narrenkern bereits eine bis eineinhalb Stunden  vor dem offiziellen Einlass um 18:00 Uhr im Foyer in Pole-Position gebracht, um das Rennen um einen möglichst guten Platz zu gewinnen. Wer zu spät, also pünktlich um 18.00 Uhr, eine halbe Stunde vor dem Start, kam, konnte auf den Bänken im Foyer vor einem großen Übertragungsbildschirm das Geschehen mitverfolgen. Der Vorteil: ein kürzerer Weg zur „Worscht“! Und zum Trost: Innen waren die Sitze auch nicht weicher!

Highlights des  Nonstop-Programms „für eine bunte, freie Welt!“

Rüdiger Schlesinger erhielt viel Applaus als „Advokat des Volkes“ für seine umfangreiche Lesung, aufgelockert mit seinen Protest-Songs.

Ruediger Schlesinger überzeugte als grandioser Advokat des Volkes. © Foto Diether von Goddenthow

Und gleich zum Start seiner Rede überbrachte der Advokat seiner Narrenschar eine zentrale Botschaft, nämlich, sich trotzdem nicht entmutigen zu lassen.

„Trotz der horrenden Sparmaßnahmen,
trotz dieser bekloppten Welt,
trotz aller Kriege, aller Dramen,
trotz der Wirtschaft, die zusammenfällt,
lasst uns Humor und Freude pflegen,
kämpft mit, dass man den Mut behält.
Stellt euch dem rechten Wahn entgegen,
für eine bunte, freie Welt!“

 

Anja Beck-Harth, „The Voice of Germany 2022“-Teilnehmerin und langjährige Frontfrau der „Spassmacher Company“, mischte den

Anja Beck-Harth, stimmgewaltig. © Foto Diether von Goddenthow

Saal gewaltig auf mit einer stimmgewaltigen „Gelle-gern-Jazzperformance“, vielen weiteren musikalischen „Ohrwürmern“ und als Zugabe mit einer Hommage an Grand-Prix-Teilnehmerin Joy Fleming.

Ex-Forschungs- und Wissenschaftsdekan Prof. Förstermann fokussierte als „Beauftragter der Französischen Republik für die Universitätsmedizin Mainz“ die Gefahren einer überbordenden Rationalisierungs-Guillotine, „die auch, wenn sie lächelt, eine Guillotine bleibt“, und resümierte: „Lieber eine gute Medizin mit abschreckender finanzieller Bilanz als eine abschreckende Medizin mit guter Bilanz.“

 

Reni Beck, selbstredend als „Die Rampensau“, formte die Narrenschar mit Songs à la Live is Life, Hey Jude, Völlig losgelöst usw. auf ihrem musikalischen „Refrain-Highway to Hell“ zum Super-Hörsaal-Chor. Der geeignete Refrain? „Je kürzer das Wort, desto reger im Ohr!“ Zwei- bis dreibuchstabige Refrains wie NaNaNa, Schalala oder La La La machen erst den echten Supersong“, so Reni Beck. Mitunter sei es auch gut, wenn man die Inhalte von Liedern gar nicht verstehe, was Reni am Beispiel des italienischen Schmacht-Songs „Ti Amo“ mit Übersetzungspassagen untermauerte. An einer Stelle heiße es gar: „Ich liebe dich und ich bitte um Verzeihung. Erinnere dich, wer ich bin, öffne die Türe für einen Toilettenpapierkrieger.“

Reni Beck-Harth „die Rampensau“ formt die Narrenschar zum Super-Chor und desillusioniert den Schmacht-Song „Ti Amo“. © Foto Diether von Goddenthow

Claus Eckert und Wolfgang Heitz, als lokalcolorierte „Alternative Bänkelsänger“, besangen zentrale Meenzer Übel und ließen die Narren zu Haushaltslöchern, wie „wo die Biontech-Milliarde geblieben sei“, und „ätzenden Baustellen“ schunkeln und mitsingen – wie bei: „Im Hörsaal is de Woi all“.

Die „Mainz-bleibt-Mainz“-Legende (1997–2013) Hildegard Bachmann entführte als Touristin horizonterweiternd in den „Himalaya“ und nach „Hongkong“, und sorgte mit ihrem reichen Erfahrungsschatz über die unerwarteten Hürden des Fernreisens für feuchte Augen im Saal.

Die „Altrheinstromer“

Die Altrheinstromer baden im Narren-Jubel. © Foto Diether von Goddenthow

Die „Altrheinstromer“ (Uwe Hager, Paul Hager und Thomas Wucher), seit 33 Jahren zuhause auf den Fastnachtsbühnen, und 16 Mal bei „Mainz bleibt Mainz“ vertreten, traten als rot-, gelb- und grün-gewandete Spitzenpolitiker auf musikalischer Wahlkampftour auf. Nach all dem Geplänkel herrschte schließlich parteiübergreifende Einigkeit, die auch die letzten Nichtwähler überzeugte: „Wir brauchen mehr Fleischworscht, mehr Weck, Worscht und Woi!“ „Wähle Fleischworscht, Weck und Woi, dann hast du uns an der Strippe.

Gunther Raupach teilte in seinem „Politischen Protokoll“ nach allen Seiten aus! © Foto Diether von Goddenthow

Gunther Raupach, Protokoller der Mainzer Ranzengarde, Mitglied der Mainzer Kleppergarde und in zig weiteren Fastnachtsfunktionen in Mainz bestens bekannt, verlas sein „Politisches Protokoll“, ein wenig verschnupft über den unverhofft vorgezogenen „Wahlkampf“:
Warum hot Scholz sich net e bissch‘e Zeit gelosse, ihr Leut? Des is net übertriebe, mein Vortraach war komplett geschribbe!“ (…) „Do schmeißt de Scholz de Lindner raus. Hat awer g’sagt zu guter Lääscht: Der Fassenacht, geb’ ich’s jetzt!
Ernstes und Heiteres in die richtigen Worte gehüllt, wechselten virtuos, am Schluss ein Glockenschlag gegen „Krieg und Hass in der Welt“.

 

Das sich augenzwinkernd „ewiglich“ nennende „Trio Aeterna“, mit der stimmgewaltigen Frontfrau Kathrin Dohle, begleitet von Christian Vahl, Gitarre, und Thomas Rück, „Rhythmus, intonierte „Wieder Fastnacht“, und gestand „Mein Herz schlägt immer mehr für Mainz bleibt Mainz bleibt Mainz“. Es riss schließlich die Narrenschar von ihren Sitzen mit dem  selbstredend „textlich nicht so anspruchsvollen“  aber dafür kreislauffördernden Song: „Ob oben, unten, vorne, hinten, von Römerquell bis ganz nach hinten“.

Das „ewigliche“ „Trio Aeterna“. Frontfrau Kathrin Dohle, Gitarre Christian Vahl u. Rhythmus Thomas Rück holen alle von ihren Plätzen mit „Ob oben, unten, vorne, hinten, von Römerquell bis ganz nach hinten“. © Foto Diether von Goddenthow

„Apollonia“, alias Gabriele Elsner, eine Altmeisterin der spöttischen Büttenrede, und nach Jahrzehnten von Bühnen- und TV-Auftritten seit der Kampagne 2024/25 im „Ruhestand“, betrat in ihrem bekannten grauen 1920er-Jahre-Kostüm mit orangefarbenem Hemd, grüner Strumpfhose und Hut die Bühne. Mit ihrem humoristischen Rückblick auf vergangene Highlights hatte sie auch dieses Mal die Lacher auf ihrer Seite.

Als „Gude vom Bundestag“ stieg Christian Vahl in die Bütt. Als Chauffeur der Mächtigen hatte er so manches von ihnen aufgeschnappt: Etwa kenne Kanzler Olaf Scholz  nur zwei Meinungen, „seine eigene und die falsche“. Robert Habeck „denkt wie ein Kind und redet wie ein Kind – man weiß nicht, soll man ihm einen Schnuller oder eine Schnabeltasse in den Mund stecken?“ Duftmarken setzten manche auch mit Schweigen: „Schweigen zu Gaza, Schweigen zum Heizungsgesetz, Deindustrialisierung, Grenzkontrollen – müssen wir nicht achtgeben, dass wir nicht eine Gesellschaft der Mitleidlosen werden?“, so der „Gude vom Bundestag“.

Rainer Muellers Musica Romana u Nadine Meurer als Altstadtwirtin boten den krönenden Abschluss. © Foto Diether von Goddenthow

 

Erkennbar an seiner Römer-Kluft, überzeugt Rainer Müllers „Musica Romana“, einer aberwitzigen antiken Pippi-Langstrumpf-Inszenierung.

Einen musikalischen Leckerbissen bot die  singende „Altstadtwirtin“, alias Nadine Meurer. Mit Schunkel-Songs wie  „Ich will keinen aus Wiesbaden, ich will nur en Meenzer Mann“ oder „Ich bin en Meedsche hier vom Rhoi, und liebe Fleischworscht, Weck und Woi“ begeisterte sie.

Schließlich startete die Party im Foyer zum Aufklang nach bald vierstündigem Nonstop-Programm! Band „Meenzer Altstadt-Disco“ – bei Bratwurst, Bier und Brezeln.

(Diether von Goddenthow /RheinMainKultur.de)

 

 

 

Siehe auch Giesela Kirschstein: Tusch statt Tupfer, Narhallamarsch statt Narkose: Närrische Nachtvorlesung kehrt zum 11. Jubiläum in die Mainzer Unimedizin zurück