Wüsste man es nicht besser, würde man kaum glauben, dass Igor Strawinskys Le Sacre du Printemps bereits vor 110 Jahren in der Kunstszene international für Furore sorgte und zu einem Schlüsselwerk der musikalischen Moderne avancierte. In einem spektakulären Doppelabend mit den Choreografien „29 May 1913“ von Bryan Arias und „Le sacre du printemps“ von Edward Clug, feierte gestern Abend das Wiesbadener Staatsballett eine grandiose Premiere. Zwar befeuerten die glänzenden Darbietungen keine lautstarken Tumulte mehr oder gar tätliche Attacken des Publikums untereinander, wie es bei der Uraufführung am 29. Mai 1913 im Théâtre des Champs-Élysées in Paris noch geschah. Dennoch hat das Skandal-Werk von einst nichts an seiner musikmächtigen, ekstatisch- archaischen wie formenexperimentellen Präsenz verloren, insbesondere, wenn es so überzeugend expressiv und tänzerisch perfekt rüberkommt wie am gestrigen Abend.
Le Sacre du Printemps spielt in einem archaischen, heidnischen Russland Ende des 19. Jahrhunderts und beschreibt den Prozess eines Rituals, in dem ein unschuldiges Jungfrauenopfer den Frühlingsgott besänftigen soll. Es gibt zwei Teile: Ritual und Opfertanz. Der erste Teil nennt sich „Die Anbetung der Erde“ und der zweite „Das Opfer“. Das Stück hat im klassischen Sinn keine Handlung. Stattdessen werden verschiedene Tänze in einem reigenartigen Ablauf überführt. Die Uraufführung in Paris markierte einst den Beginn des modernen Balletts und setzte wegweisende Impulse für die Entwicklung des zeitgenössischen Tanzes.
(Diether W. v. Goddenthow /Rhein-Main.Eurokunst)
Weitere Vorstellungen von „Le Sacre du printemps“
So, 27.06.2021
Grosses Haus 18:00 – 19:50
Do, 01.07.2021
Grosses Haus 19:30 – 21:20
Sa, 03.07.2021
Grosses Haus 19:30 – 21:20