
Vom 11. Februar bis zum 1. Juni 2025 zeigt das Städel Museum Frankfurt in der Ausstellungshalle der Graphischen Sammlung mit Frankfurt forever – Fotografien von Carl Friedrich Mylius ein einzigartiges fotografisches Porträt des historischen Frankfurts im 19. Jahrhundert. Die Ausstellung sei eine der Sternstunden des Städel Museums, schwärmt Philipp Demandt, Direktor des Städel Museums, beim Pressegespräch: „Wir feiern mit der Ausstellung Frankfurt forever die Schenkung der weltweit größten Privatsammlung von Fotografien von Carl Friedrich Mylius an das Städel Museum, an die Fotografische Abteilung des Städel Museums.“

Die Ausstellung zeigt 80 Fotografien – eine Mischung aus den neu geschenkten Werken und bereits im Städel Museum vorhandenen Fotografien. „Es ist die erste Retrospektive von Carl Friedrich Mylius überhaupt, was überrascht, angesichts der Bedeutung dieses Fotografen für die Frankfurter und die regionale Geschichte“, so Demandt.

Die Ausstellung zeichnet ein Porträt von Frankfurt, „eine Chronik einer Stadt, festgehalten in Fotografien – sowohl künstlerischen als auch dokumentarischen – eines Fotografen, der wie kein anderer das Bild von Frankfurt im 19. Jahrhundert geprägt hat“, erklärt der Städeldirektor. Doch das Frankfurt, „das wir heute in diesen Bildern sehen, ist ein Frankfurt, das es so nicht mehr gibt.“ Es ist ein Frankfurt, das bereits im 19. Jahrhundert am Verschwinden war. Das heißt: „Das Frankfurt, das die Betrachter auf den Fotografien von Mylius in zahllosen Bildbänden und Büchern abgedruckt vorfinden, war schon zu Lebzeiten von Carl Friedrich Mylius eigentlich am Verschwinden.“
An den Bildern erkenne man den rasanten Wandel, dem Frankfurt durch den wirtschaftlichen Boom im 19. Jahrhundert ausgesetzt war. Und das Frankfurt, das auf diesen Bildern zu sehen sei – „ob kleine Gassen, der alte Römer, der alte Dom, die herrlichen Parks, die wunderbaren Villen, die großbürgerlichen Mietshäuser, die Judengasse, aber auch die einfachen Marktfrauen – dieses ganze ‚alte‘ Frankfurt war bereits in der Mitte des 19. Jahrhunderts am Verschwinden.“ Dieses „alte Frankfurt“ sei heute eigentlich nur noch durch die Fotografien von Carl Friedrich Mylius überliefert, so Demandt.

Mylius habe mit seiner Kamera Ansichten Frankfurts in einer Zeit des Wandels zur modernen Metropole festgehalten. „Besucher erwartet in der Ausstellung Frankfurt forever eine legendäre Zeitreise in das 19. Jahrhundert – mit Aufnahmen von Orten, die nicht mehr existieren, gegenübergestellt mit solchen, die einen hohen Wiedererkennungswert haben“, erläutert Kristina Lemke, Kuratorin der Ausstellung und Sammlungsleiterin Fotografie. Seine „Fotografien sind weit mehr als bloße Dokumente. Mit sorgfältigen Kompositionen und einem künstlerischen Blick schuf er zeitlose Stadtansichten. Er war nicht nur technisch versiert, sondern auch ein feinsinniger Beobachter seiner Epoche“, so Lemke.
Wegbereiter der Architekturfotografie

Carl Friedrich Mylius gehöre „zu den bedeutendsten Protagonisten der frühen Frankfurter Fotografiegeschichte.“ Mylius spezialisierte sich als einer der Ersten in der jungen Frankfurter Fotografieszene Ende der 1850er-Jahre auf Architekturansichten. Als Fotograf war er ein neutraler Beobachter, indem er seine Motive sachlich und unvoreingenommen festhielt. Gleichzeitig setzte er künstlerische Gestaltungsmittel wie die Zentralperspektive und einen ausgewogenen Bildaufbau ein, was sein sensibles Gespür für Komposition zeigt. Bereits in diesen frühen Anfängen war die Fotografie mehr als bloße Abbildung – sie war ein Mittel, um die Stadt in einer ästhetischen Dimension zu erfassen. „Das machte Mylius zu einem frühen Wegbereiter der Architekturfotografie“, erläutert Kristina Lemke, Kuratorin der Ausstellung und Sammlungsleiterin Fotografie.
Fotografie war Mylius’ Bestimmung
Carl Friedrich Mylius war ursprünglich gelernter Lithograf, fand jedoch seine wahre Berufung in der Fotografie. „Das Wissen über die junge Fotografie wurde autodidaktisch weitergegeben, oft im Austausch mit anderen Pionieren des Fotografierens“, so Lemke. In Nürnberg, dem Geburtsort seiner Ehefrau, betrieb er ab 1850 zunächst ein Atelier für Porträtaufnahmen. Mit seiner Rückkehr nach Frankfurt vier Jahre später und der Eröffnung seines Ateliers in der Biebergasse 3 verlagerte sich sein thematischer Schwerpunkt: Angeregt durch Anfragen wohlhabender Frankfurter Bürger, ihre Stadt- und Landhäuser abzulichten, widmete er sich zunehmend der Architekturfotografie, so die Kuratorin.
Kollodium-Nassplatten-Fotoverfahren
Mylius eignete sich das Kollodium-Nassplatten-Fotoverfahren an. Beim 1851 von Frederick Scott Archer erfundenen Nassplatten-Verfahren, einer der frühen erfolgreichen fotografischen Techniken, wird zunächst eine Glasplatte mit einer dünnen Schicht aus Kollodium bestrichen und mit Jod- und Bromsalzen ergänzt, erläutert ein Erklärtext der Ausstellung. Kollodium ist eine zähflüssige Lösung aus Kollodiumwolle in einer Mischung aus Ether und Alkohol. „Die präparierte Platte tauchte man im Dunkeln – Mylius beispielsweise besaß einen eigenen Dunkelkammerwagen – in Silbernitrat, sodass sich lichtempfindliche Silberhalogenide bildeten.“
Diese Platten dienten als „Fotoplatten“, die in der Kamera mit dem entsprechenden Motiv belichtet wurden. „Anschließend mussten sie entwickelt, fixiert und getrocknet werden. Hierfür war eine schnelle und präzise Arbeitsweise erforderlich, da die Platte nur im feuchten Zustand lichtempfindlich war“ – ein äußerst aufwendiges Verfahren.
Auf diesem Gebiet war er in Frankfurt anfangs konkurrenzlos

Mit der Möglichkeit, jede Fotografie in seinem mitgeführten Dunkelwagen direkt vor Ort zu entwickeln, war Mylius in Frankfurt anfangs der einzige Fotograf, der technisch in der Lage war, außerhalb eines Ateliers zu arbeiten. So zählten bald nicht nur zahlungskräftige Privatpersonen zu seinen Auftraggebern, sondern auch städtische Ämter, Stiftungen, Gesellschaften und Vereine, die ihre Gebäude dokumentieren oder Gruppenporträts anfertigen lassen wollten.
Zudem eröffnete ihm Frankfurt mit seiner geografischen Lage und seiner historischen sowie politischen Bedeutung weitere Absatzmärkte: Bei Bildungsreisenden, Kaufleuten und Diplomaten waren Mylius’ Fotografien beliebte Souvenirs.
Auch Alben und Mappen im Sortiment
Mylius fotografierte nicht nur die bekannten Sehenswürdigkeiten wie den Dom, den Römer und die Denkmäler von Goethe, Schiller und Gutenberg, sondern bot auch individuell zusammenstellbare Alben und Mappen an.
Mylius erlangte auch überregionale Bekanntheit
Eine überregionale Verbreitung seiner Aufnahmen sicherte er sich durch die Zusammenarbeit mit der Leipziger Illustrirten Zeitung, an die er regelmäßig Fotografien für die Berichterstattung lieferte. Eine Reproduktion seiner Fotografie Blick von Westen auf den Dom (ca. 1865) wurde am 31. August 1867 veröffentlicht. Der Artikel berichtete über den Dombrand, der sich wenige Tage zuvor ereignet hatte, und zeigt das noch unversehrte Bauwerk.
Rundgang durch die Ausstellung
Die Ausstellung ist als offener Rundgang angelegt. Wer möchte, kann jedoch mit dem Abschnitt Biografie und Mylius beginnen und sich dann durch die Stationen Altstadt, Main, Innenstadt, Westend und Sachsenhausen bis ins Umland vorarbeiten.
In Mylius’ Aufnahmen der Frankfurter Altstadt dominieren die historischen Wahrzeichen Dom und Römer. Den Römer (1855) – das Rathaus und zentrale Zentrum der Stadtpolitik seit 1405 – fotografierte er besonders häufig. Auch die baulichen Veränderungen der Innenstadt hielt Mylius eindrucksvoll fest, etwa in der Aufnahme Blick von der Hauptwache auf die Zeil (1864–1866). Diese Fotografie vermittelt den Eindruck einer belebten Straße, obwohl die langen Belichtungszeiten die Menschen nur schemenhaft als Schlieren erscheinen lassen. Die Belichtungszeiten lagen zwischen 13 und 20 Sekunden, was bedeutete: Scharf abgebildet wurde nur, was oder wer sich während dieser Zeit nicht bewegte. So sind beispielsweise still sitzende Marktfrauen mitunter deutlich erkennbar.
Ausstellungs-Highlight: Mainpanorama (1860/61)

Im Zentrum des Rundgangs steht der Main mit dem fotohistorisch bedeutenden Motiv Mainpanorama (1860/61). Das fast acht Meter lange Panorama-Bild setzte Mylius aus 31 Einzelbildern zusammen. Es bildet das rechte Mainufer über eine Strecke von 2,5 Kilometern exakt ab und ist ein unschätzbares historisches Dokument.
Um diese lange Strecke möglichst verzerrungsfrei zu erfassen, versetzte Mylius seine Kamera für jedes Bild um rund 100 Meter. Der Aufwand, den er für dieses Panorama betrieb, war immens: Die Realisierung dieser Bildserie erforderte mehrere Tage Arbeit, da nur bei ähnlichen Bewölkungsverhältnissen mit gleichen Belichtungsbedingungen fotografiert werden konnte. Trotz minimaler Lücken und perspektivischer Unstimmigkeiten ist das Mainpanorama ein beeindruckendes Zeugnis für das Streben nach topografischen Gesamtansichten im Medium der Fotografie.

Westend
Auch das Westend, ein im 19. Jahrhundert neu entstandener Stadtteil, nahm Mylius häufig in den Fokus. Dort fotografierte er die repräsentativen Villen wohlhabender Bürger, wie etwa das Gartenhaus am Kettenhofweg (vor 1861), in dem Adolph Knigge einst sein Werk Über den Umgang mit Menschen verfasste. Zudem dokumentierte er den Palmengarten, ein neues Erholungs- und Vergnügungsareal, dessen Gesellschaftshaus zu den ehrgeizigsten Bauprojekten seiner Zeit gehörte.
Sachsenhausen
Obwohl Sachsenhausen bereits im Mittelalter Teil Frankfurts war, finden sich in Mylius’ Werk nur wenige Aufnahmen dieses Stadtteils. Das lag daran, dass Sachsenhausen vor allem von ärmeren Bevölkerungsschichten bewohnt wurde, die sich keine Fotografen leisten konnten. Zudem war das Viertel damals noch kein touristischer Anziehungspunkt.
Umland
Den Abschluss der Ausstellung bilden Fotografien aus dem Frankfurter Umland, darunter Ansichten von Höchst, dem Taunus und Gelnhausen. Besonders bemerkenswert ist eine Serie von Aufnahmen der Kaiserpfalz in Gelnhausen. Eine dieser Fotografien, Gelnhausen: Kaiserpfalz, Palas mit Blick auf die Marienkirche (1870), zeigt die markante Marienkirche, deren schiefe Turmspitze erst 1879 begradigt wurde. Diese Bilder verdeutlichen, wie umfassend Mylius die Region dokumentierte und welchen großen Beitrag er zur fotografischen Erschließung der Architektur und Landschaft seiner Zeit leistete.
(Diether von Goddenthow /RheinMainKultur.de)
Städel Museum
Schaumainkai 63
60596 Frankfurt am Main
Öffnungszeiten:
Di, Mi, Fr, Sa, So 10.00–18.00 Uhr
Do 10.00–21.00 Uhr
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