Dank einer Anregung Johann Wolfgang von Goethes und bürgerlichem Engagement öffnete das Museum Wiesbaden seine Türen am 1. April 1825 erstmals für die Öffentlichkeit. Heute zeigt das Zweispartenhaus mit seinem „Patron“ Johann Wolfgang von Goethe oberhalb des Treppenportals auf mehr als 7.000 qm Fläche ein abwechslungsreiches Programm an Dauer- und Sonderausstellungen mit großartigen pädagogischen und Vermittlungs-Programm. Am 1. April 2025 feierte es 200. Geburtstag. © Foto Diether von Goddenthow

Gestern Abend feierte das Hessisches Landesmuseum für Kunst & Natur seinen 200. Geburtstag mit 600 geladenen Gästen aus Wissenschaft, Kunst, Wirtschaft und Politik, darunter viel Prominenz wie Landtagspräsidentin Astrid Wallmann, Festrednerin Dr. Maria Furtwängler, Kultur-Staatssekretär Christoph Degen und Oberbürgermeister Gerd Uwe Mende. Nach dem Festakt im Hessischen Staatstheater wurde im Museum Wiesbaden der neue Themenraum „Wandel“ als fünfter Raum und neues Entree der insgesamt fünf Räume umfassenden Dauerausstellung „Ästhetik der Natur“ eröffnet. „Das CelloDuo“ sorgte für eine grandiose musikalische Begleitung. 

Museum Wiesbaden auch ein Raum vielfältiger Erprobung

Intendantinnen Beate Heine und Dorothea Hartmann. © Foto Diether von Goddenthow

Dieses Museum sei „weitaus mehr als ein bloßer Ort des Sammelns und des Bewahrens“, es sei „ein lebendiger Raum für die Erprobung von Kunst, Natur und Menschen“. Es sei „ein Haus, das uns inspiriert und das uns immer wieder neue Perspektiven auf uns selbst, auf die Geschichte und auch auf die Welt eröffnet“, begrüßten die gastgebenden Intendantinnen des Hessischen Staatstheaters, Dorothea Hartmann und Beate Heine, das Festakt-Publikum und freuten sich, dass hierdurch einmal mehr „unsere Verbindung dieser beiden Institutionen“ – Theater und Museum – deutlich würde. Mal sei das Staatstheater, etwa mit dem Stück „Alte Meister“ von Thomas Bernhard, Gast im Museum Wiesbaden, und nun käme das „Museum ins Theater, und wer weiß, was daraus noch alles entsteht“.

Bürgerliches Gründungs-Engagement sei auch Zeichen demokratischer Emanzipation

Landtagspräsidentin Astrid Wallmann. © Foto Diether von Goddenthow

In ihrem Grußwort ließ die Landtagspräsidentin Astrid Wallmann kurz die Geschichte des Museums Revue passieren und unterstrich dabei die Bedeutung von bürgerschaftlichem Engagement, das einst zur Gründung des Museums Wiesbaden im frühen 19. Jahrhundert geführt habe. „Das Wiesbadener Museum verdankt seine Gründung – ähnlich dem Frankfurter Städel – dem Einsatz der Bürger dieser Stadt“, sagte sie. Die Eröffnung des Hessischen Landesmuseums für Kunst und Kultur – so der offizielle Name – geht zurück auf drei bürgerschaftliche Vereine, die eine Anregung Goethes umsetzten. Das zeitliche Zusammenfallen der Museumsgründung durch die Bürger und des Kampfes des Bürgertums um demokratische Mitbestimmung sei „kein Zufall, sondern Ausdruck einer demokratischen Emanzipation“, so Wallmann. Diese Unterstützung aus der Wiesbadener Bürgerschaft sei ungebrochen, sagte Wallmann weiter. Die mittlerweile mehr als 2000 Mitglieder der stetig wachsenden „Freunde des Museums“ bildeten einen der größten Kulturvereine in Hessen. Das Museum, das mit seinen 200 Jahren zu den ältesten seiner Art in Deutschland zähle, befinde sich derzeit im Aufbruch. „Noch nie in den 200 Jahren seiner Geschichte war das Museum so lebendig, sind seine Sammlungen so schnell und umfangreich gewachsen“, sagte die Parlamentspräsidentin.

Museum Wiesbaden ein Ort der künstlerischen Höchstleistungen

Staatssekretär Christoph Degen. © Foto Diether von Goddenthow

Staatssekretär Degen freute sich, dass er zu diesem Termin Timon Gremmels, den Hessischen Staatsminister für Wissenschaft und Forschung, Kunst und Kultur, vertreten und dessen Glückwünsche überbringen durfte. Denn es sei ein ganz besonderer Anlass, wenn eines der renommiertesten deutschen Museen seinen 200. Geburtstag feiere. „Seit 200 Jahren vereint das Museum Wiesbaden Naturwissenschaften und Kunst auf einzigartige Weise. Es ist ein Ort der künstlerischen Höchstleistungen. Gleichzeitig werden hier Wissenschaft und kulturelle Bildung gelebt. Im Jubiläumsjahr liegt der Fokus darauf, möglichst viele Menschen für das Museum zu begeistern“, so Degen. Weltweit einmalig sei der Ansatz, „die Natur in Themenräumen von ihrer sinnlich-ästhetischen Seite her zu präsentieren. Anhand von mehr als 6000 Tieren, Pflanzen, Mineralien und Fossilien werden so die Phänomene Farbe, Form, Bewegung, Zeit und Wandel anschaulich vermittelt“, unterstrich der Staatssekretär. Das Hessische Wissenschaftsministerium unterstützt die Jubiläumskampagne des Museums Wiesbaden mit 50.000 Euro.

Stadtplakette zum 200. – Museum wirkt über die Stadt hinaus

Zum Dank verlieh Oberbürgermeister Gerd Uwe Mende dem Museum Wiesbaden zu Händen von Direktor Dr. Andreas Henning die Goldene Stadtplakette mit vier Zirkonia. © Foto Diether von Goddenthow

Oberbürgermeister Gerd Uwe Mende unterstrich, dass das Museum Wiesbaden ein Ort der Bildung, der Inspiration und des Staunens sei – „ein Ort der Kunst und Natur ebenso wie Geschichte und Gegenwart miteinander verbindet. Ein aktuelles Highlight unserer Stadt“ und erinnerte an gemeinsame Projekte wie den „Jawelensky-Pfad“ oder an Ausstellungskooperation  wie  das „Jahr des Wassers“ . „Dieses Museum will in die Stadt hineinwirken und immer wieder den Blick über den Tellerrand wagen.“ Mende wünschte dem Museum weitere erfolgreiche Jahre und allen Besuchern erlebnisreiche Museumsbesuche. Zum Dank  verlieh der Oberbürgermeister abschließend dem Museum Wiesbaden die Goldene Stadtplakette mit vier Zirkonia, das wäre insofern etwas Besonderes, da  Einrichtungen wie Vereine, Firmen, Körperschaften und Verbände ab 125jährigem Bestehen eine Zirkonia erhielten, beim 175. Jubiläum wären es drei Zirkonia, und je weiteren 25 Jahren käme eine Zirkonia hinzu, so der Oberbürgermeister.

Dr. Andreas Hennings Dankeschön an das Team, Sammler und Sponsoren
„200 Jahre, ja das sind wir“, so Museumsdirektor Dr. Andreas Henning, „aber wir fühlen uns nicht alt.“ Denn 200 Jahre Museum Wiesbaden bedeuteten auch 200 Jahre steten Wandels. „Jede Generation muss eigene Fragen an dieses Haus stellen. Jede Generation muss das großartige Versprechen, das in diesem Museum liegt, für sich selber immer wieder neu erarbeiten. Und das gilt mehr denn je – natürlich auch in Zeiten wie diesen, digitaler Surrogate und unsozialer Verkapselungen“, weswegen man auch „aus der Mitte des Museumsteams heraus“ den Banner „Demokratie braucht Kultur, Kultur braucht Demokratie“ an das Haus gehängt habe. Ganz besonders begrüßte Henning neben allen anderen genannten Ehrengästen seinen Vorgänger Dr. Alexander Klar, der seit August 2019 die Kunsthalle Hamburg leitet und viel zum Erfolg des Museums beigetragen hatte.

Museumsdirektor Dr. Andreas Henning. © Foto Diether von Goddenthow

Henning dankte allen Unterstützern, die dieses Jubiläum möglich gemacht haben, „zuallererst dem gesamten Museumsteam und auch allen ehrenamtlich Tätigen“. Henning unterstrich die Bedeutung des bürgerlichen Engagements seit der Gründung. Auch heute noch „werden wir ganz wesentlich durch bürgerschaftliches Engagement getragen“, sagte Henning und begrüßte ganz herzlich Danielle Neess, „die nach dem Tod ihres Mannes, des Jugendstilsammlers Ferdinand Wolfgang Neess, mit uns diese großartige Kollektion weiter ausbaut“. Ebenfalls begrüßte er den Wiesbadener Sammler Frank Brabant, „der uns seine Sammlung der klassischen Moderne stiftet.“ Und natürlich hieß er „die vielen weiteren Sammlerinnen und Sammler unter uns willkommen, die zum Teil ungenannt bleiben möchten, für ihre großartige Unterstützung“.

Ein Jawlensky-Frühwerk zum 200. Geburtstag
Sein ganz besonderer Dank ging jedoch an Angelica Jawlensky Bianconi, Enkelin des berühmten Alexej von Jawlensky, für deren Geburtstagsgeschenk – ein 1893 entstandenes Frühwerk ihres Großvaters – an das Museum Wiesbaden. Damit werde, so der Museumsdirektor, „die ohnehin schon weltweit bedeutendste Kollektion an Werken Jawlenskys unseres Hauses um ein Werk aus der russischen Phase, aus den russischen Anfängen dieses Künstlers bereichert.“ Und das sei „eine absolute Rarität“. Denn die Forschung kenne „nur eine Handvoll so früher Werke von Jawlensky“. Zudem werde jetzt im Jubiläumsjahr „die Schenkung des von ihr aufgebauten Jawlensky-Forschungsarchives an das Museum Wiesbaden“ vollzogen.

Eine frische Jubiläumskampagne mit Programm-Marathon sowie Ausstellungs-Reigen

© Museum Wiesbaden Illustration Mirko Roeper

Das Jubiläum wolle das Museum Wiesbaden insbesondere aber nutzen, „um Menschen für das Museum zu gewinnen, die uns noch nicht besuchen, die uns zu selten besuchen“. Hierzu sei eine frische Jubiläumskampagne entwickelt worden, mit einem Reigen an Sonderausstellungen, gestartet mit „Honiggelb – die Biene in der Kunst“ sowie „Die Biene: Natur- und Kulturgeschichte“, erläutert Henning. Zudem gebe es eine kostenlose „Museumszeitung mit Einblicken in die Arbeit unseres Hauses“. Es werde ein täglich abwechslungsreiches Programm im Jubiläumsmonat April angeboten, einschließlich vier eintrittsfreier Wochenenden im April, an denen mit „unseren Kooperationspartnern im Hessischen Staatstheater, in der Fasanerie, mit dem Schloss Freudenberg und mit dem Schlachthof gefeiert“ werde, so der Museumsdirektor. (Siehe hierzu das Jubiläums-Programm).

Dr. Hannes Lerp – Präsentation des neuen Naturästhetik-Raums „Wandel“
Nichts ist so beständig wie der Wandel, wusste bekanntermaßen schon Heraklit, und das sei, so Dr. Hannes Lerp, Abteilungsleiter und Kurator für Wirbeltiere, „vor dem Hintergrund des Klimawandels so aktuell wie eh und je.“ Das Thema „Wandel“ biete bei näherer Hinterfragung zahlreiche aktuelle Bezüge, sodass das Museum Wiesbaden sich entschieden habe, „diese vielen Facetten der Veränderungen in einem eigenen Raum unserer Dauerausstellung darzustellen“, der zugleich als „letzter Raum“ nun das Entree für die insgesamt in fünf Räumen präsentierte Dauerausstellung „Ästhetik der Natur“ mit den Schwerpunkten „Wandel, Farbe, Form, Bewegung und Zeit“ bilde.

Kurator Dr. Hannes Lerp. © Foto Diether von Goddenthow

Eines der Herzstücke im neuen Ausstellungsraum „Wandel“ sei ein interaktiver Globus, der bereits von der Pforte des Museums aus locke und mit dem Besucher – digital selbst gesteuert – „langsame und weiträumige Veränderungen eindrucksvoll erleben“ könnten. Die Schwerpunkte dabei seien: Biologie, menschlicher Fingerabdruck, Geologie, Historisches und Klimawandel.

Veränderung sei der Motor der Evolution – alles lebt

Veränderung sei der Motor der Evolution – das wissen wir spätestens seit Charles Darwin, der herausfand: „Es ist nicht die stärkste Spezies, die überlebt, und auch nicht die intelligenteste, sondern diejenige, die am besten auf Veränderungen reagiert.“ Dies werde im neuen Raum „Wandel“ anhand zahlreicher Beispiele nachvollziehbar dargestellt. Dabei gehe es nicht nur im darwinistischen Sinne darum, wie sich verschiedene Arten an ihren Lebensraum anpassten. Auch ein Sonderaspekt der Evolution, die Zucht, werde aufgegriffen. Dabei werde gezeigt, wie Menschen über Eigenschaften etwa von Tieren, Eiern oder Äpfeln – Stichworte: Größe, Saftigkeit, Lagerfähigkeit oder Geschmack – bestimmt hätten.

Weitere Bereiche seien die historische große Mineralien-Ausstellung. Hier gehe es nicht um tote Materie, wie schon die Spruchweisheit „Und jeder Tropfen höhlt den Stein“ plausibel mache. Die Darstellungsweise, nämlich nicht über die chemische Zusammensetzung, sondern über sichtbare Formmerkmale der Kristalle zu informieren, bedeute auch „einen Wandel in der Vermittlung von Wissenschaft“, erklärte der Kurator. Wandel betreffe aber auch Werte, Einstellungen und Weltbilder von Individuen, was wiederum von ihren kulturellen Kontexten abhänge.

Herausstellung von Werk und Stiftung des  Maria Sibylla Merian-Preises

Schmetterlings-Impressionen. © Foto Diether von Goddenthow

„Eine herausragende Stellung in diesem Zusammenhang“ nähmen „die Originaltierpräparate von Maria Sibylla Merian ein, die sich in unserer Sammlung befinden“. Die Naturforscherin (1647 Frankfurt – 1717 Amsterdam) habe insbesondere die Erforschung der Metamorphose der Schmetterlinge vorangetrieben. Merian sei eine Pionierin der modernen Biologie gewesen, „die wusste, dass wissenschaftliche Erkenntnisse in die Gesellschaft übertragen werden müssen, um dort einen Wandel zu bewirken“, unterstrich Lerp. Dies habe das Museum dazu bewogen, gemeinsam mit der Alfred-Weigle-Stiftung ab diesem Jahr den Maria-Sibylla-Merian-Preis für angehende Künstlerinnen und Naturwissenschaftlerinnen auszuloben, so der Kurator.

Der Maria-Sibylla-Merian-Preis mit einem Preisgeld in Höhe von 15.000 Euro richte sich an angehende Künstlerinnen und Naturwissenschaftlerinnen und sei mit jeweils 7.500 Euro für die Realisierung eines Druckwerkes dotiert. Der Einsendeschluss für den im November vergebenen Merian-Preis ist der 31. August 2025.

Festrednerin Dr. Maria Furtwängler – als Insekten noch Teufelszeug waren 

Festrednerin Dr. Maria Furtwängler, Produzentin, Schauspielerin und Stifterin der MaLisa Stiftung. „Merian war übrigens auch die Erste, die eine Verbindung zwischen der Raupe und ihrer Futterpflanze hergestellt hat, Sie hat also schon damals verstanden, wie verwoben diese Tiere mit dem gesamten Ökosystem sind.“ © Foto Diether von Goddenthow

Die Festrednerin Dr. Maria Furtwängler, deren Großmutter und Mutter in Wiesbaden geboren wurden, hat nicht nur teilweise den Namen mit der großen Naturforscherin gemein, sondern teilt auch ihre große Leidenschaft für Insekten. Die Produzentin, Schauspielerin und Stifterin der MaLisa Stiftung verdeutlichte vor allem, was es für eine Frau wie Maria Sibylla Merian bedeutete, sich Mitte und Ende des 17. Jahrhunderts mit Insekten zu befassen – „also in einer Zeit, in der das Interesse an Insekten nicht nur ungewöhnlich, sondern auch gefährlich war.“ Denn in ganz Europa herrschte noch der auf Aristoteles zurückgehende und in der Bibel verankerte Glaube, dass es sich bei Maden, Würmern und Käfern um „Teufelstiere“ handele, so die Festrednerin. Sich mit diesem „vermeintlichen Teufelszeug“ zu beschäftigen, „hätte ihr also zum Verhängnis werden können“, bedenkt man, dass Frauen – befeuert durch den Dreißigjährigen Krieg – in ganz Europa oftmals noch als Hexen verfolgt wurden, in Deutschland sogar noch weit bis ins 18. Jahrhundert hinein.

Besessen davon, den blauen Morpho-Falter original zu erleben

„Doch nichts konnte Maria, die wahrscheinlich schon als kleines Mädchen stundenlang diese kleinen Tierchen beobachtet haben muss, davon abhalten, ihrer Leidenschaft für Insekten nachzugehen“, zeichnete Furtwängler nach. Merian, die „nachdem sie bei einem christlichen Missionar das Präparat eines riesigen blauen Falters, des Morpho-Falters, gesehen hatte“, von der Idee besessen war, „nach Südamerika zu gehen, nach Surinam zu reisen, um diesen Falter und weitere Insekten beschreiben zu können“. Dafür habe Merian „ihr ganzes Hab und Gut und am Ende ihre geliebte Sammlung verkauft, um diese Reise gemeinsam mit ihrer Tochter zu finanzieren“. Und tatsächlich sei es ihr 1699 im Alter von 52 Jahren gelungen, mit dem Schiff – einer wohl furchtbaren Reise – nach Surinam, einer holländischen Kolonie in Südamerika, aufzubrechen. Ihr Triumph müsse es schließlich gewesen sein, so Furtwängler, als sie „im Dschungel von Surinam genau diesen blauen Morpho-Falter fand, den sie Jahre zuvor nur hinter Glas betrachten konnte.“

Ihre Studien und Gespräche in Surinam habe Maria Sibylla Merian in ihrem berühmten Spätwerk „Metamorphosis insectorum Surinamensium“ „ausgewertet und grandios visualisiert“. Das Museum Wiesbaden besitzt noch eine Originalausgabe dieses Werks sowie ein historisches Präparat des Morpho-Falters aus der Sammlung von Maria Sibylla Merian, ausgestellt im neuen Raum „Wandel“ der Dauerausstellung „Ästhetik der Natur“.

Das bedrohliche Verschwinden der „Sommervögel“ und Insektenvielfalt
Merian nannte einst ihre geliebten Schmetterlinge „Sommervögel“, erläuterte Furtwängler, und stellte sich die Frage: „Was würde Merian wohl zu unserer Welt heute sagen? Würde sie sich wundern, wie wenige ihrer geliebten Sommervögelein heute noch bei uns herumflattern und uns mit ihrer farbenprächtigen Vielfalt erfreuen?“ Einer Zählung der Organisation Butterfly Conservation zufolge sei die Zahl der Schmetterlinge 2024 so drastisch zurückgegangen wie nie zuvor, und die Insektenmasse sei in den letzten Jahren gar um 80 Prozent gesunken. Dieser „Verlust von Insekten in katastrophaler Geschwindigkeit“ bereite Furtwängler große Sorgen, „weil wir gerade dabei sind, das Netz des Lebens, das unser Überleben auf diesem Planeten garantiert, Stück für Stück zu zerstören.“

Warum der Verlust der Insekten, der nicht nur Auswirkungen auf die Bestäubung, sondern auf ganze Nahrungsketten habe, so beängstigend sei, erläuterte die Festrednerin anhand zahlreicher Beispiele: „Jedes Glas Wasser, das wir trinken, jeder Atemzug, den wir nehmen, jeder Apfel, den wir essen, verdanken wir funktionierenden Ökosystemen“, so Furtwängler, die in diesem Zusammenhang von Ökosystemleistungen sprach.

Die menschliche Abhängigkeit von innerer und äußerer Vielfalt  

Dr. Andreas Henning dankte seiner Gastrednerin Dr. Maria Furtwängler für ihren brillanten Vortrag. Das Bild zeigt sie auf dem anschließenden Empfang im Museum Wiesbaden. © Foto Diether von Goddenthow

Dieser nüchtern klingende Begriff „Ökosystemleistungen“ rufe uns aber einmal mehr ins Gedächtnis, „wie sehr wir selbst von ihnen unmittelbar abhängig sind“. So gehe man heute davon aus, „dass rund 40 Billionen Organismen unseren Körper als ihr Zuhause betrachten“ – dass uns Menschen also mehr Bakterien, Viren und Pilze auf unserer Haut, in unseren Atemwegen und in unserem Darm besiedeln, als unser Körper Zellen habe, so Furtwängler. Und was zunächst vielleicht etwas beunruhigend klinge, „ist eigentlich eine gute Nachricht“. Denn wir Menschen seien auf diese Vielfalt, „auf dieses Netzwerk des Lebens in und auf uns, vollkommen angewiesen.“

Diese Organismen regulierten unseren Fettstoffwechsel, bauten Giftstoffe ab, bevor sie uns schaden könnten, und verhinderten, dass schädliche Mikroben überhandnehmen. Sie beeinflussten sogar unsere Stimmung – manche Forschungen deuteten darauf hin, dass sie Depressionen mitverursachen könnten, so Furtwängler.

„Ohne diese Vielfalt in uns und auf uns“, so die Festrednerin, „wären wir schlichtweg nicht überlebensfähig.“ Und genauso wie wir auf die Vielfalt in uns angewiesen seien, so seien wir es auch „auf die Vielfalt um uns herum“ – weswegen wir sie schützen müssten.

(Diether von Goddenthow /RheinMainKultur.de)

Das Jubiläumsprogramm findet man über: https://museum-wiesbaden.de/200

und 200 Jahre Museum Wiesbaden – freier Eintritt an allen Wochenenden im April 2025