
Der Stadtwald Wiesbaden wurde vom Bund Deutscher Forstleute (BDF) als „Waldgebiet des Jahres 2025“ ausgezeichnet. Mit dieser Ehrung würdigt der BDF herausragende Leistungen in der nachhaltigen und zukunftsorientierten Waldbewirtschaftung. Besonders hervorgehoben wird dabei der engagierte Einsatz der Wiesbadener Forstleute für die Entwicklung eines multifunktionalen Waldes, der den ökologischen, ökonomischen und sozialen Anforderungen unserer Zeit gerecht wird.
Der BDF ist sowohl Berufsverband als auch Gewerkschaft und vertritt bundesweit die Interessen der Forstleute. Mit der jährlichen Auszeichnung möchte er auf vorbildliche Projekte aufmerksam machen, die zukunftsfähige Konzepte der Forstwirtschaft aufzeigen.
Die Auszeichnung als „Waldgebiet des Jahres 2025“ würdigt nicht nur das Engagement der Forstabteilung, sondern macht die Leistungen der Landeshauptstadt Wiesbaden im Bereich nachhaltiger Forstwirtschaft bundesweit sichtbar. Dirk Schäfer, Bundesvorsitzender des BDF, lobt besonders die naturnahe Bewirtschaftung: „Die Forstleute im Stadtwald Wiesbaden leisten eine beeindruckende Arbeit für die Bürgerinnen und Bürger der Region. Besonders hervorzuheben ist, dass inmitten eines stark frequentierten Naherholungsgebiets so behutsam gewirtschaftet wird, dass sogar die Gewinnung von hochwertigem Trinkwasser möglich ist.“

„Diese Auszeichnung des Wiesbadener Stadtwalds als Waldgebiet des Jahres ist eine große Ehre für unsere Stadt, die mich mit Stolz erfüllt“, erklärt Bürgermeisterin Christiane Hinninger. „Gleichzeitig ist es eine wunderbare Bestätigung für unsere engagierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Forstabteilung, die mit viel Leidenschaft und Sachverstand für den Erhalt und die Weiterentwicklung unseres Waldes arbeiten.“
Bereits in den 1980er Jahren begann Wiesbaden, sich von klassischen forstwirtschaftlichen Methoden wie Kahlschlag zu verabschieden. Stattdessen setzten die städtischen Forstleute verstärkt auf natürliche Verjüngung, also das Nachwachsen von Bäumen ohne menschliches Zutun, sowie auf die Pflanzung vielfältiger, standortgerechter Baumarten. Dieser damals fortschrittliche Ansatz wurde seither konsequent weiterverfolgt und durch anerkannte Zertifizierungen wie FSC (Forest Stewardship Council) und Naturland untermauert. „Der Schutz der Biodiversität und der natürlichen Ressourcen durch eine nachhaltige Waldbewirtschaftung war für mich schon immer ein Herzensprojekt“, so Hinninger.
Heute erfüllt der Wiesbadener Stadtwald eine Vielzahl lebenswichtiger Funktionen: Er schützt Böden vor Erosion, trägt zur Wasserreinhaltung bei, wirkt dem Klimawandel entgegen und bietet zahlreichen – teils bedrohten – Tier- und Pflanzenarten einen geschützten Lebensraum. So leben im Stadtwald unter anderem die scheue Wildkatze, die seltene Äskulapnatter, das Grüne Besenmoos und der Eremit, ein zu den Rosenkäfern zählender Insektenvertreter, der auf alte, höhlenreiche Bäume angewiesen ist.
Daten und Fakten zum Wiesbadener Stadtwald

Der Stadtwald umfasst etwa 4.331 Hektar und erstreckt sich über verschiedene Höhenlagen und Landschaftsformen rund um die hessische Landeshauptstadt mit 83 % Laubholzanteil (Buchen 52,7 %, Eichen 23,7 %, Sonstige Laubhölzer 6,2 %) und 17 % Nadelhölzern (Fichte 11,1 %, Lärchen und Kiefern 6,3 %). Er ist Teil des Taunusvorlands und prägt mit seinen Laub- und Mischwäldern das Landschaftsbild. In einem dicht besiedelten Ballungsraum wie dem Rhein-Main-Gebiet ist seine Bedeutung als Naherholungsgebiet, Klimaregulator und Wasserspeicher besonders hoch. Die Herausforderungen an die Forstwirtschaft, Stichworte Waldbewirtschaftung und Sicherungsmaßnahmen, sind hier entsprechend komplex: Waldflächen müssen gleichzeitig dem Schutz von Natur und Artenvielfalt dienen, Erholung und Freizeitgestaltung ermöglichen sowie nachhaltig Holz liefern. Auch der Trinkwasserschutz spielt eine zentrale Rolle – ein großer Teil des Wiesbadener Trinkwassers stammt aus oberflächennahen Stollen im Stadtwald.

Sabine Rippelbeck, Abteilungsleiterin Forsten, gab einen anschaulichen Abriss zur Daten- und Faktenlage des – im Vergleich zu vielen anderen am Klimawandel leidenden – Wäldern noch relativ guten Zustandes des Wiesbadener Stadtwaldes. Diese habe sich aber immer noch nicht vollends von den großflächigen Sturmbruch-Schäden des Orkan Wiebke Anfang März 1990 erholt. Allerdings habe der nachgewachsene Jungwald, nach 30 Jahren könne man doch schon etwas erkennen, auch die Trockenphasen relativ unbeschadet überstanden, während viele der alten Bäume todkrank seinen. Seit 1987 läge der Schwerpunkt der Bewirtschaftung auf einer naturgemäßen Waldbewirtschaftung. Erntekriterium seien der Baumdurchmesser, nicht das Alter, und alte Bäume und Biotopbäume, also morsche, im Zerfall befindlich, verblieben anders als früher, wo der Waldboden „gefegt wurde“, dauerhaft im Wald, da solche Biotope die Grundlage reichhaltigen Lebens seinen. Durch diesen wachsenden Strukturreichtum und Altholzanteil werde ein hoher naturschutzfachlicher Wert erreicht.
Zertifizierung der Waldbewirtschaftung 1999 durch Naturland e.V. und FSC (Forest Stewardship Council)
Seit 1999 erfolgte eine Zertifizierung der Waldbewirtschaftung durch Naturland e.V. und FSC (Forest Stewardship Council), nämlich dass die Waldbewirtschaftung nach hohen ökologischen Standards erfolge wie:
- Einzelbaumweise Nutzung
- Walderneuerung überwiegend durch Naturverjüngung
- Pflanzung nur standortheimischer Baumarten
- Keine flächige Befahrung
- Kein Einsatz von Giften, Düngern oder Bioziden
- Erhalt einzelner Biotopbäume im Wirtschaftswald
- Auf 8 % der Stadtwaldfläche: vollständiger Nutzungsverzicht, natürliche Entwicklung
Zudem sei es gelungen auf einer Fläche von über 2000 Hektar einen mehrschichtigen, ungleichaltrigen Mischwald aufzubauen. Dieser sei gegen Hitze- und Trockenperioden, wie wir sie hatten resilienter, so Rippelbeck. Bedauerlich sei, dass durch die extrem lange Trockenheit und Hitze seit 2018 die Fichtenbestände fast völlig abgestorben seien, mit Folgen, dass es auch weniger Waldameisen gäbe, da diese wiederum auf Fichtenwälder als Lebensgrundlage angewiesen. Die Wiederaufforstung geschehe mit klimastabileren Baumarten wie (Rot-)Eiche, Edelkastanie, Vogelkirsche, Elsbeere, Winterlinde, Weißtanne, Europäische Lärche u. a. Dazwischen werden Kleinere Flächen der natürlichen Sukzession, also der Selbstbegrünung überlassen. Die Besiedlung erfolge durch Pflanzen aus der Umgebung bzw durch Keimung von Samen der Bodensamenbank oder aus Vogelhinterlassenschaft.
Großer Wert lege das Forstamt auf Artenschutz nach FFH-Richtlinie zahlreicher streng geschützter Arten (Anhang IV) nach FFH-Richtlinie, angefangen von Pilzen, Insekten über Säugetiere Wildkatze, Eremit (Käfer), Hirschkäfer, Ästiger Stachelbart (Pilz), Bechsteinfledermaus, diverse Specht-Arten usw..
„All diese unterschiedlichen, zum Teil auch widersprüchlichen Anforderungen zu vereinen, braucht viel Erfahrung, Fachwissen und einen forstlichen Ansatz, der weit über einfache Einzelmaßnahmen hinausgeht“, betont Sabine Rippelbeck, Abteilungsleiterin Forsten. „Das ist keine leichte, aber eine sehr schöne und erfüllende Aufgabe, die nur im Team mit hochmotivierten und qualifizierten Forstleuten zu bewältigen ist.“
Der Stadtwald als grüne Lunge und Rückzugsort

Der Wiesbadener Stadtwald ist weit mehr als ein Wirtschaftswald – er ist ein unverzichtbarer Bestandteil des städtischen Lebensraums. Für die Bürgerinnen und Bürger bietet er ein nahgelegenes, leicht erreichbares Erholungsgebiet, das ganzjährig zur Verfügung steht. Spaziergänger, Radfahrer, Jogger, Familien und Naturfreunde finden hier gleichermaßen Raum für Freizeit, Bewegung und Ruhe. In einer zunehmend verdichteten Stadtlandschaft ist der Stadtwald ein Ort zum Durchatmen und Auftanken. Der Wald als großer Sauerstoff-Produzent und Speicher von CO2 spielt generell eine zentrale Rolle bei Luftreinigung und Frischluftproduktion. Über Luftschneisen wie etwa Waldwiesentälern und unverbaute Flächen gelangt sie in den Innenstadtbereich.
Auch für seine Rolle zur Regulierung des Stadtklimas, etwa seine temperatursenkende Wirkung an heißen Tagen, kann nicht hoch genug eingeschätzt werden. Die dichten Baumkronen kühlen im Sommer die aufgeheizte Umgebungsluft durch Verdunstung und sorgen so für ein angenehmeres Mikroklima – ein Effekt, der angesichts steigender Temperaturen und längerer Trockenperioden in Zeiten des Klimawandels immer wichtiger wird. Darüber hinaus filtern die Bäume Feinstaub und andere Luftschadstoffe und tragen aktiv zur Verbesserung der Luftqualität bei.
Der Stadtwald erfüllt außerdem wichtige hydrologische Funktionen: Die Böden speichern große Mengen an Niederschlagswasser, was nicht nur dem Grundwasser zugutekommt, sondern auch die Gefahr von Überschwemmungen bei Starkregen mindert. Gleichzeitig schützen intakte Waldböden die Quellen und Trinkwasserstollen, aus denen ein erheblicher Teil des Wiesbadener Trinkwassers gewonnen wird. Durch diese natürliche Filterung bleibt das Wasser besonders rein – ein echter Gewinn für die nachhaltige Stadtentwicklung.
In einer Zeit, in der die Folgen des Klimawandels auch in urbanen Räumen immer deutlicher spürbar werden, gewinnt der Stadtwald zusätzlich an Bedeutung. Er wirkt wie ein Puffer gegen extreme Wetterlagen, schützt vor Erosion, sichert Artenvielfalt und bietet eine grüne Infrastruktur, die sich nicht künstlich ersetzen lässt.
(Forstamt Wiesbaden /Diether von Goddenthow RheinMainKultur.de)