Wiedereröffnung des legendären Bürgerhauses „Tattersaal“ im Wiesbadener Bergkirchenviertels

Der im Zuge der Sanierung 1975 zu einem Bürgerzentrum umgenutzte Tattersaal in Wiesbadens Bergkirchenviertel (hier die Vorderseite) wurde im Jahr 1905 als Reithalle errichtet. Ursprünglich als weiträumige Anlage mit Stallungen, Remisen und einem Wohnhaus in der Saalgasse gebaut, fanden hier einstmals bis zu 500 Menschen auf hölzernen Tribünen Platz. Heute ist der Saal auf bis zu 300 Leute ausgelegt. © Foto: Diether von Goddenthow

Nach einer rund vierjährigen Sanierungsphase, die insbesondere den Brandschutz und den Einbau einer neuen Lüftungsanlage umfasste, wurden der legendäre Tattersaal und der darunterliegende Kulturpalast  im Wiesbadener Bergkirchenviertel am 4. November 2024 feierlich wiedereröffnet.

Tattersaal-Impression. © Foto: Diether von Goddenthow

Wo noch vor wenigen Monaten Baumaterialien lagerten und Abdeckplanen den Parkettboden schützten, strahlen jetzt frisch weiß gestrichene Wände unter dem offen gestalteten Dachstuhl aus dunklem Holz. Die fest installierte Bühne, die in den für etwa 300 Personen ausgelegten Saal hineinragt, ist dank moderner Licht- und Tontechnik ein echter Hingucker. Einzig die massiv betonierte Empore im Stil der 70er Jahre auf der gegenüberliegenden Seite bleibt ein optischer Kontrast.

Christian Lahr, Leiter des Hauptamtes, der hier einst sein erstes Rockkonzert erlebte und sehr glücklich erleichtert über die gelungene rechtzeitige Fertigstellung sei, verriet bei seiner Begrüßung, dass es in den letzten Wochen einen echten Endspurt gab, um die rechtzeitige Fertigstellung zur offiziellen Übergabe sicherzustellen. Noch vor zwei Wochen hätte er selbst kaum daran geglaubt, dass es gelingt. Doch nun ist es geschafft: Der historische Bürgersaal im Bergkirchenviertel ist nach vier Jahren Bauzeit wieder für die Wiesbadener Bevölkerung zugänglich.

Oberbürgermeister Gerd-Uwe Mende. © Foto: Diether von Goddenthow

Auch Oberbürgermeister Gert-Uwe Mende zeigte sich bei der Wiedereröffnung erleichtert und betonte, wie wichtig der Tattersall als Begegnungsort für die Bewohner des Bergkirchenviertels ist. „Ich freue mich, dass der Tattersall den Vereinen und dem Kulturpalast wieder als Ort für Proben, Feiern sowie für Jugend- und Kulturarbeit zur Verfügung steht,“ so der Oberbürgermeister. Der Saal sei durch die umfangreichen Sanierungsarbeiten zu einem echten „Schmuckstück“ geworden. Besonders hob er hervor, dass die Nutzung des Gebäudes für Bürgerinnen und Bürger sowie Vereine kostenfrei bleibt. Damit bekenne sich die Stadt nicht nur zu ihren Bürgerhäusern, sondern auch zur Erhaltung dieses Einzelkulturdenkmals.

Hintergrund der Sanierung

Noch fehlt im Kulturpalast im UG die Innenausstattung. © Foto: Diether von Goddenthow

Bereits in den 2010er Jahren wurden beim Bürgersaal Mängel im Brandschutz festgestellt. Erste Planungen zur Sanierung begannen 2019, doch während der Arbeiten ab 2020 zeigte sich, dass die Maßnahmen aufgrund der Lüftungsanlage weitaus umfassender ausfallen mussten als ursprünglich geplant. Daher wurden auch das Untergeschoss und weitere Bereiche des Gebäudes einbezogen. Die neue Heizungs- und Lüftungsanlage wurde so unauffällig wie möglich verbaut, wobei lediglich ein halber Meter Raum an den Längsseiten des Saals verloren ging. Ortsvorsteher Guido Haas lobte diese Lösung ausdrücklich. Zusätzliche Neuerungen wie energieeffiziente Kühlschränke, neue Tische und Stühle sowie moderne Sanitäranlagen sorgen für weiteren Komfort. Zudem wurde im Untergeschoss ein lang ersehnter Raucherraum geschaffen, der gleichzeitig den Lärmschutz für Anwohner verbessert.

Was mit einer Brandschutzsanierung begann wurde letztendlich zu einer Haussanierung mit insgesamt folgenden Maßnahmen:

Blicks ins erneuerte Treppen. © Foto: Diether von Goddenthow

□ Flächendeckende, neue Brandmeldeanlage
□ Erweiterung der Sicherheits- und Fluchthinweisbeleuchtung
□ Erneuerung Brand- und Rauchschutztüren
□ Austausch bzw. Optimierung der Steuerung der Lüftungsanlage
□ neues Kanal- und Wärmeverteilnetz
□ Neue, gemeinsame Lüftungsanlage für den Bürgersaal und den „Kulturpalast“
□ grundlegende Optimierung/ Neuordnung der Räume im Untergeschoss
□ Erneuerung Trinkwassernetz
□ Renovierung aller Oberflächen

 

 

 

Geschichte des Tattersalls

Der Tattersaal vor seiner 1975 beginnenden Sanierung. © Stadtarchiv Wiesbaden

Der Tattersall in Wiesbaden wurde 1905 von Albert Wolff als Reithalle für den Reitlehrer Ernst Weiß errichtet. Das weitläufige Ensemble umfasste ursprünglich Stallungen, Remisen und ein Wohnhaus. Die Reithalle selbst bot Platz für bis zu 500 Personen. In den 1970er Jahren wurde das Gebäude im Rahmen der Sanierung des Bergkirchenviertels zu einem Bürgerzentrum umgebaut, wobei hölzerne Tribünen durch massive Stahlbetonkonstruktionen ersetzt wurden. Diese spiegeln bis heute den Baustil der damaligen Zeit wider.

Die stetig steigenden Anforderungen im Brandschutz und bei sicherheitsrelevanten Vorschriften machten ab Mitte der 2010er Jahre ein umfassendes Sanierungskonzept erforderlich. Ursprünglich mit Kosten von rund 2 Millionen Euro geplant, stiegen diese durch die notwendigen Anpassungen an der Lüftungsanlage auf 5,6 Millionen Euro.

Der historistische Gründerzeitbau von hinten, unten die Eingänge zum Kulturpalast. © Foto: Diether von Goddenthow

Trotz der Kostensteigerung ist der Tattersall nun für die Zukunft gerüstet und kann wieder seiner Funktion als zentraler Ort für Kultur und Gemeinschaft nachkommen.

 

 

 

 

 

(Diether von Goddenthow /RheinMainKultur.de)