
Nach intensiver Vorbereitung und umfangreichen Umbauarbeiten öffnet am Wochenende des 23. und 24. November 2024 die Interimsausstellung „Gutenberg-Museum MOVED“ für Besucher aus Mainz und der ganzen Welt. Während am Standort Liebfrauenplatz der Neubau des Museums entsteht, zieht das Weltmuseum der Druckkunst für die Übergangszeit in die Räume des Naturhistorischen Museums Mainz. Bei freiem Eintritt erwartet die Besucher am Open-Museum-Wochenende ein vielfältiges Programm mit Kurzführungen der Kuratorinnen, einem museumspädagogischen Druckangebot und Druckvorführungen. Auch der Gutenberg-Shop mit angeschlossenem Café vor dem Naturhistorischen Museum heißt die Gäste während der regulären Öffnungszeiten willkommen.
Der Umzug ist nun abgeschlossen. Da 15 Prozent des Bestandes gezeigt werden können, sind hier die Highlights zu sehen, und zwar in einer szenografisch neu gestalteten und innovativen Ausstellung. 30 Meter begrüßt die Besucher der riesige Hauer-Elefant samt Kalb im Foyer , welches jetzt gemeinsam vom Gast Gutenberg-Museum und Hausherrn Naturhistorisches Museum Mainz als Eingangsbereich dient. Gutenberg-Besucher gehen gleich links vorbei am Urvieh in den ersten Ausstellungsraum, wo einst ausgestopfte Zebras und die Vorfahren der Pferde bis hinunter zum Urpferchen ihr Zuhause hatten.

Nein, es sei kein Provisorium, auch keine Wohn-Gemeinschaft, vielmehr sei eine „Museums-Gemeinschaft“, definiert Marianne Grosse, Bau- und Kulturdezernentin der Landeshauptstadt Mainz, die Situation der „Museums-Liaison auf Zeit“ beim heutigen Presserundgang. Heute sei einer ihrer wichtigsten Tage ihrer vierzehnjährigen Amtszeit, so Grosse erleichtert froh. Denn der Umzug des Gutenberg-Museums ins Naturhistorische Museum sei ein Meilenstein zur Realisierung einer zeitgemäßen Neugestaltung des Gutenberg-Museums, eine Mammut-Aufgabe. Seit Anbeginn ihrer Amtszeit habe sie das Projekt wie ein „Grundrauschen“ begleitet, mit allen Höhen und Tiefen, in 19 Sitzungen, 4 Bürgerbefragungen usw.
Gutenberg trifft auf „Wilde Welten“
Nach dem Umzug des Gutenberg-Museums aus dem 1962 errichteten Schellbau am Liebfrauenplatz entsteht an dieser Stelle in den nächsten Jahren ein moderner Neubau. Eine der zentralen Herausforderungen dieses Projekts war die Frage, wie die kostbaren und weltberühmten Exponate – darunter die Gutenberg-Bibeln – während der Bauzeit einem breiten Publikum zugänglich bleiben können. Die Lösung, das Museum übergangsweise im Naturhistorischen Museum unterzubringen, erwies sich als ideale Win-Win-Situation.

„Als aus dem Naturhistorischen Museum der Vorschlag kam, das Gutenberg-Museum vorübergehend aufzunehmen, war ich begeistert und erleichtert. Dieses Engagement und die Bereitschaft, neue Wege zu gehen, zeigen den Innovationsgeist von Mainz und unseren Museen“, so Grosse. „Wo bis vor Kurzem noch Quaggas, Eisbären und Nashörner zu sehen waren, wird nun das Erbe Gutenbergs präsentiert – in einer einzigartigen, neu interpretierten und inszenierten Ausstellung. Es war eine große bauliche und logistische Herausforderung, die uns seit der Planungsphase im November 2021 in Atem gehalten hat. Und das alles parallel zu den intensiven Arbeiten am Neubau, die mit Hochdruck vorangetrieben werden.“
Das Kirchenschiff des ehemaligen Reichklaraklosters aus dem 13. Jahrhundert, seit 1910 Heimat des Naturhistorischen Museums Mainz, wurde aufwendig saniert und dient nun als Interimsausstellung für das Gutenberg-Museum während der gesamten Bauzeit.
„Best of“ Gutenberg-Museum in neuer Umgebung
Die Neugestaltung der Dauerausstellung des Gutenberg-Museums in einer neuen räumlichen Umgebung bot die Gelegenheit, eine „Best of“-Version zu präsentieren. Diese zeigt eindrucksvoll die Vielfalt der Sammlung und unterstreicht die anhaltende mediale Bedeutung von Gutenbergs bahnbrechender Erfindung. Gleichzeitig eröffnete die Übergangszeit die Möglichkeit, das mittelalterliche Gebäude der Reichklarakirche umfangreich instand zu setzen, einschließlich einer barrierefreien Erschließung aller öffentlichen Bereiche. Nach dem Auszug des Gutenberg-Museums wird das Naturhistorische Museum die modernisierten Räume weiterhin nutzen können.

Nachhaltigkeit und Zusammenarbeit im Fokus
Nachhaltigkeit war ein zentraler Leitgedanke des gesamten Vorhabens. So ist die Wiederverwendung von Vitrinen und Einbauten über die Interimsphase hinaus geplant, um Ressourcen effizient zu nutzen. Die Stadt Mainz investierte insgesamt 10,3 Millionen Euro in die Baumaßnahmen, die beiden Museen langfristig zugutekommen.
Die Kooperation zwischen den beiden Institutionen wird auch über die Interimszeit hinaus fortgesetzt. Geplant sind gemeinsame Ausstellungen und Vermittlungskonzepte, die neue Maßstäbe für die Museumsarbeit setzen sollen. Zudem wird es ein gemeinsames Ticket geben, das den Zugang zu beiden Museen erleichtert.
Erweiterte Angebote für die Besucher – „Museen als Begegnungsorte der Zukunft“

„Wir danken dem Naturhistorischen Museum für seine Kooperationsbereitschaft während der Bauzeit und darüber hinaus“, betonte Museumsdirektor Dr. Ulf Sölter. „Ein gemeinsames Ticket ist ein starkes Zeichen für die kollegiale Zusammenarbeit. Gleichzeitig haben wir die Öffnungszeiten beider Museen erweitert, damit sich die Gäste ausreichend Zeit für die interaktiven Stationen der Ausstellung nehmen können.“
Die Synergie der beiden Museen wird in zukunftsweisenden Konzepten sichtbar, die Besuchenden die Sammlungen greifbar machen und wichtige Impulse für die Zukunft der Museumsarbeit geben.
Museen stehen vor wichtigen Zukunftsaufgaben, und auch unser Haus möchte dazu beitragen“, erklärt Dr. Ulf Sölter, Direktor des Gutenberg-Museums. „Mit der neuen Präsentation unserer Sammlungsobjekte schaffen wir ein Bildungserlebnis, das Besuchenden die Geschichte und Bedeutung Gutenbergs greifbar macht. Gutenberg-Museum MOVED zeigt uns, wie wir das Weltmuseum der Druckkunst heute verstehen – als einen Begegnungsort, der mediengeschichtliche Objekte mit aktuellen Themen aus Gesellschaft und Medien verknüpft.“
Alles in Bewegung – Eine Ausstellung der besonderen Art
Mit Konzeption und Umsetzung der neuen Ausstellung war das renommierte Stuttgarter Atelier Brückner betraut. In Zusammenarbeit mit dem Gutenberg-Museum entwickelte es eine völlig neue innovative szenografische Gestaltung auf einer Ausstellungsfläche von 1030 m². Davon stehen 220 m² als Wechselausstellungsfläche beiden Museen zur Verfügung.
Der Ausstellungstitel Gutenberg-Museum MOVED spiegelt nicht nur die physische Bewegung des Museums wider, sondern verweist auch auf die „bewegenden Geschichten“ rund um Johannes Gutenbergs Wirken und dessen anhaltenden Einfluss auf die Medienlandschaft. Ziel ist es, den Besuchenden einen „Gutenberg-Moment“ zu bieten – eine intensive Begegnung mit der Vielfalt und dem kulturellen Reichtum der Sammlung.
Ein Rundgang durch die Ausstellung

Die Ausstellung beginnt mit dem Abschnitt „Auftakt“, in dem die Gäste vom historischen Gutenberg-Denkmal des Künstlers Joseph Scholl (1827) empfangen werden. Dieser Bereich führt nahtlos zur Sektion „Mediengeschichte(n)“ über, in der historische Druckmaschinen wie die beeindruckende Columbia-Press sowie bedeutende Printmedien, darunter eine Originalausgabe des legendären Magazins Twen, präsentiert werden.
Sechs thematische Inseln laden dazu ein, die Medieninnovation Gutenbergs aus verschiedenen Blickwinkeln zu erleben:
• „Meinung machen“: Die Rolle des Drucks in der Meinungsbildung.
• „Welt beschreiben“: Wie gedruckte Medien unser Verständnis der Welt prägen.
• „Pracht entfalten“: Die Ästhetik und Kunstfertigkeit gedruckter Werke.
• „Zeit vertreiben“: Unterhaltung und Freizeit durch Printmedien.
Die Ausstellung bietet nicht nur einen Einblick in die Vergangenheit, sondern stellt auch die Frage, welche Bedeutung Gutenbergs Erfindungen heute noch haben. Die Verbindung von Geschichte, Innovation und Relevanz macht Gutenberg-Museum MOVED zu einem dynamischen und lehrreichen Erlebnis.

An verschiedenen Medienstationen haben die Besuchende die Möglichkeit, sich anhand einer Medienkarte Hintergrundwissen zu einigen Exponaten einzuholen. Auf dieser Medienkarte werden dann Bewegtbilder in Form von kurzen Clips zum jeweiligen Thema aufgespielt. Ein weiterer Mehrwert der Medienkarte besteht darin, das eigene Selfie, welches an der Selfiestation im Ausstellungsraum in der Kulisse einer mittelalterlichen Druckwerkstatt erstellt werden kann, ausgedruckt mit nach Hause nehmen zu können.
Das neue Stadtmodell ist ein Herzstück im Bereich „Gutenberg in Mainz“. Mittels einer leuchtenden Projektion und einer Animation auf dem Modell werden Aufenthaltsorte Gutenbergs sichtbar gemacht.
Im sich anschließenden ehemaligen Oratorium des Klosters befindet sich die Schatzkammer mit dem schwarzen ebenerdigen Kubus, der die beiden Gutenberg-Bibeln enthält. Der Kubus stellt als Haus-in-Haus-Lösung eine Synthese von Technik und Denkmalschutz her sowie eine räumliche Inszenierung der Schatzkammer unter höchsten konservatorischen und sicherheitstechnischen Vorgaben.

Die Wände des Treppenaufgangs zum 1. Obergeschoss zieren Illustrationen, die die Geschichte der Entstehung des Gutenberg-Museums in Form einer Bilderreise erzählen.
Im 1. Obergeschoss befinden sich die Räume zum Thema „Technik des Druckens“. Diese beherbergen die rekonstruierten Gutenberg-Pressen, an denen die beliebten Druckvorführungen stattfinden werden. Hier befindet sich auch der Kinosaal, in dem zwei Filme zu Gutenberg gezeigt werden. Der Rundgang endet mit dem Druckladen, der sich im 2. Obergeschoss befindet. Dort war einst die Präparation des Naturhistorischen Museums untergebracht. Nun wird hier ein anderes Handwerk ausgeübt: Schulklassen, Kita Gruppen oder auch Einzelpersonen können hier wahre Druckkunst erleben und eigene Projekte umsetzen.
Ein „Multiplayer-Projekt“ – Die Sanierung der Reichklarakirche
Die umfassende Sanierung der Reichklarakirche für die Interimsnutzung durch das Gutenberg-Museum war ein hochkomplexes „Multiplayer-Projekt“, das die Koordination zahlreicher Fachdisziplinen erforderte. Die Gebäudewirtschaft Mainz beauftragte insgesamt 82 Firmen und Büros, um die vielfältigen baulichen, technischen und denkmalpflegerischen Anforderungen umzusetzen.
Die Objektplanung und Bauleitung vor Ort übernahm das Mainzer Architekturbüro Kirstein-Rischmann Architekten und Ingenieure GmbH.
Vielseitige Aufgaben und integraler Planungsprozess
Neben grundlegenden Arbeiten wie Entkernung und Schadstoffsanierung mussten die Aspekte Statik und Brandschutz mit den Sonderanforderungen an Sicherheit, Denkmalschutz und Szenografie in Einklang gebracht werden. Dieser integrale Planungsprozess ermöglichte es, die historischen und räumlichen Potenziale des Gebäudes optimal zu nutzen und mit den kreativen Konzepten beider Museen zu verbinden.
Zu den durchgeführten Maßnahmen zählten unter anderem:
• Bauhistorische Analysen und archäologische Grabungen, die den historischen Charakter des Gebäudes erschlossen.
• Freilegung historischer Elemente, wie etwa einer alten Spindeltreppe.
• Einbau einer Fluchttreppe als zweiten Rettungsweg, die als autonome Skulptur einen künstlerischen Akzent setzt.
Die technische Ausstattung des Gebäudes wurde vollständig modernisiert, einschließlich neuer Heizungs- und Lüftungsanlagen sowie umfangreicher Elektronik- und Sicherheitsinfrastruktur. Diese Arbeiten wurden so durchgeführt, dass sie den hohen Anforderungen des Denkmalschutzes entsprechen und für den Museumsgast unsichtbar bleiben.
Wiederherstellung und Gestaltung des Innenraums
Im Oratorium wurde die historische Farbgestaltung der Kreuzrippengewölbe konservatorisch fundiert rekonstruiert. Auch das Kirchenschiff erhielt eine farbliche Neufassung, die den Raum in seiner ursprünglichen Eleganz wiederherstellt.
Ein Pavillon als vielseitiger Begegnungsort

Im Außenbereich ergänzt ein Multifunktionspavillon den Museumsvorplatz. Der Pavillon bietet auf einer Nutzfläche von ca. 100 m² Platz für den Museumsshop, eine kleine Gastronomie und eine WC-Anlage. Zwei vorgefertigte Holzkuben, verbunden durch einen gläsernen Wintergarten, schaffen eine offene und einladende Atmosphäre.
Zusätzlich dient der Pavillon als Servicepunkt: Hier können Besuchende Tickets, Medienkarten und Raumpläne erwerben. Das nachhaltige Konzept des Pavillons erlaubt es, ihn nach der Interimsnutzung an anderer Stelle erneut einzusetzen.
Mit der gelungenen Kombination aus Restaurierung, Modernisierung und zukunftsorientierter Planung wurde die Reichklarakirche nicht nur für die Interimsausstellung des Gutenberg-Museums, sondern auch für ihre langfristige Nutzung optimal vorbereitet.
(Diether von Goddenthow/Rheinmainkultur.de)