Am 18. April 2023, 18.15 Uhr, startet die Johannes Gutenberg-Universität in Mainz im Rahmen der Stiftungsprofessur 2023 mit Professor Dr. Dr. h.c. Hubert Wolfs Eröffnungsvortrag
„Heiliger Vater retten Sie uns! Bittschreiben jüdischer Menschen an Pius XII. aus der Zeit der Shoah“ ihre neue Vorlesungsreihe über „Die geheimen Archive der Päpste“.
Dazu heißt es „Die Archive des Vatikans sind geheimnisumwittert. Nicht umsonst dienen sie immer wieder als Aufhänger für Thriller und Bestseller. Wer möchte nicht selbst einmal in den geheimen Akten graben und den Rätseln der Geschichte auf den Grund gehen?
Hubert Wolf nimmt uns mit hinein in die Archive, hinter die hohen Mauern des Vatikans. Wir können ihm bei seiner Arbeit im wahrsten Sinn des Wortes über die Schulter schauen, werden Teil einer spannenden Spurensuche, die jeden Krimi in den Schatten stellt, und erleben Glücksmomente historischer Arbeit – sei es das Entdecken eines lang gesuchten Dokuments oder eine Beweiskette, die sich durch eine Schlüsselquelle endlich schließt.
Und es gibt vieles zu entdecken in den vatikanischen Archiven: Wir finden tausende ergreifende Hilferufe jüdischer Menschen an Pius XII. während des Holocaust, oft die letzten Zeilen, die sie vor ihrer Ermordung geschrieben haben; wir machen uns auf die Suche nach dem Original der berühmten Weihnachtsansprache von 1942, dem einzigen Text, in dem der Papst jemals etwas zur Shoah gesagt hat, und finden nur einen Stellvertreter; wir sind bei jedem Konklave dabei und zählen die abgegebenen Stimmen unter Michelangelos Jüngstem Gericht mit aus; wir werden Zeugen von Inquisitionsprozessen und erfahren, warum Gutenbergs Erfindung für die Kirche so gefährlich war; wir erfahren, dass Karl May auf den „Index der verbotenen Bücher“ gesetzt werden sollte und wundern uns über den Ausgang des Verfahrens; wir lesen einen Brief, den die Gottesmutter Maria im Himmel geschrieben und darin einen Mord befohlen hat; und wir erleben hautnah mit, wie der Papst 1870 unfehlbar wurde.
Vor allem aber entdecken wir alternative Modelle zu angeblich ewigen Wahrheiten, die ein gewaltiges Potenzial für eine Reform der katholischen Kirche beinhalten: zum Beispiel ganz selbstverständlich verheiratete Priester und geweihte Frauen. Und so erweist sich die Tradition der katholischen Kirche bei näherem Hinsehen als Synonym für Vielfalt und Dynamik.“
Wie kein anderer steht er für die Erforschung der vatikanischen Archive: Prof. Dr. Dr. h.c. Hubert Wolf ist Inhaber der diesjährigen 23. Johannes Gutenberg-Stiftungsprofessur.Der Kirchenhistoriker und Priester Hubert Wolf ist seit 2000 Ordinarius für Mittlere und Neuere Kirchengeschichte an der Universität Münster. Von 1992 bis 2000 war er Professor für Kirchengeschichte an der Goethe-Universität Frankfurt am Main. Berühmt geworden ist er vor allem für seine Arbeiten zu Inquisition und Indexkongregation, zu deren Archiven er bereits 1992, Jahre vor der offiziellen Öffnung der Bestände, Zugang erhielt. Zahlreiche seiner Bücher wurden zu Bestsellern; sein „Kirchenthriller“ Die Nonnen von Sant’Ambrogio erschien in über zehn Sprachen. Neben den innovativen historiographischen Ansätzen und seiner außergewöhnlichen Produktivität ist er als Wissenschaftskommunikator einer breiten Öffentlichkeit durch zahlreiche Radio- und Fernsehbeiträge bekannt. Zudem zieht er Konsequenzen aus seiner kirchenhistorischen Arbeit für gegenwärtige Debatten und sieht in der Tradition der Kirche enormes Potenzial für notwendige Reformen. Seine „16 Thesen zum Zölibat“, in denen er für die Zulassung verheirateter Männer zur Priesterweihe plädiert, sind dafür ein sprechendes Beispiel. Aktuell arbeitet er gemeinsam mit seinem Team im Großprojekt „Asking the Pope for Help“ Bittbriefe jüdischer Verfolgter aus dem Zweiten Weltkrieg auf, die in den vatikanischen Archiven lagern. In einer Online-Edition werden sie sowohl der Forschung als auch der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.
Wolfs Werk ist vielfach ausgezeichnet worden: Er ist Träger des Gottfried-Wilhelm-Leibniz-Preises (2003) und des Communicator-Preises der Deutschen Forschungsgemeinschaft (2004), des Gutenberg-Preises der Stadt Mainz und der internationalen Gutenberg-Gesellschaft (2006) sowie des Sigmund-Freud-Preises für wissenschaftliche Prosa (2021). Er war Fellow am Historischen Kolleg München sowie am Wissenschaftskolleg Berlin.
Die frei zugänglichen Vorlesungen der Reihe im Überblick:
Alle Termine der Johannes Gutenberg-Stiftungsprofessur 2023 im Überblick:
jeweils 18:15 Uhr auf dem Gutenberg-Campus (Hörsaal RW1, Haus Recht und Wirtschaft I, Jakob-Welder-Weg 9, 55128 Mainz) https://www.stiftung-jgsp.uni-mainz.de/vorlesungsreihe-2023/
Dienstag, 18. April 2023
Heiliger Vater retten Sie uns! – Bittschreiben jüdischer Menschen an Pius XII. aus der Zeit der Shoah
Moderation: Peter Frey
Dienstag, 25. April 2023
Der Papst, der geschwiegen hat? – Pius XII. und der Holocaust
Moderation: Almut Finck
Dienstag, 2. Mai 2023
Dogma oder Diplomatie? – Pius XII. und seine deutschen Prägungen
Moderation: Annette Schavan
Dienstag, 9. Mai 2023
Totalkontrolle des Wissens? – Gutenbergs Erfindung und der „Index der verbotenen Bücher“
Moderation: Stefan Füssel
Dienstag, 16. Mai 2023
Tribunal für einen Toten? – Die Theologie vor den Schranken der Inquisition
Moderation: Claus Arnold
Dienstag, 23. Mai 2023
Die Inszenierung des Geheimen? – Von den Tücken der Papstwahl
Moderation: Jürgen Erbacher
Dienstag, 6. Juni 2023
Es war halt (nicht) immer schon so! – Kirchenreform aus dem Geist der Tradition
Moderation: Christiane Florin
Dienstag, 13. Juni 2023
Ehelosigkeit als Dogma – Ein kirchenhistorisches Plädoyer gegen den Zölibat
Moderation: Jörg Vins
Dienstag, 20. Juni 2023
Unfehlbar? – Das päpstliche Lehramt auf dem Prüfstand der Geschichte
Moderation: Joachim Frank
Dienstag, 27. Juni 2023 – Abschlussveranstaltung
Mord auf Befehl der Gottesmutter? – Der Skandal um das römische Nonnenkloster Sant’Ambrogio
Technische Hinweise:
Die Präsenzveranstaltungen finden an Dienstagabenden von 18:15 Uhr bis ca. 20 Uhr im Haus Recht und Wirtschaft I, Hörsaal RW 1, Jakob-Welder-Weg 9, Campus der Johannes Gutenberg-Universität Mainz statt.
Zur Einfahrtserlaubnis auf den Campus: Seit dem 01.02.2023 gibt es für Gäste ein Freikontingent von 30 Stunden pro Jahr für die Einfahrt mit dem PKW auf den Campus. Anhand der Kennzeichenerkennung bei Ein- und Ausfahrt wird die Verweildauer auf dem Campus automatisch ermittelt und abgerechnet. Link zu weiteren Informationen
Weitere Informationen „Stiftung „Johannes Gutenberg-Stiftungsprofessur“