
Der diesjährige Jahresempfang der rheinland-pfälzischen Wirtschaft am 22. Januar 2025 in der Rheingoldhalle in Mainz fand vor dem Hintergrund massiver nationaler und internationaler Umbrüche sowie einer weiter ausufernden, lähmenden Bürokratie statt. Mehrere tausend Gäste folgten der Einladung der 15 gastgebenden Kammern und Institutionen aus den Bereichen Mittelstand, Handwerk, freie Berufe und Landwirtschaft in Rheinland-Pfalz. Ziel der Veranstaltung war es, sich auszutauschen, aktuelle Stimmungen und Trends aufzugreifen und die täglichen Herausforderungen der Betriebe sichtbar zu machen – insbesondere im Dialog mit politischen Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträgern aus der Region sowie von Landes- und Bundesebene.

Präsident der Handwerkskammer Rheinhessen. © Foto: Diether von Goddenthow
Hans-Jörg Friese, Präsident der Handwerkskammer Rheinhessen, hatte bei seiner Begrüßung die Bürokratiebelastung als zentrales Problem hervorgehoben. „Seit vielen Jahren sprechen wir auf dem Jahresempfang über die zunehmenden bürokratischen Belastungen in allen Bereichen. Leider haben wir von der Politik bisher außer zustimmendem Nicken keine spürbaren Verbesserungen erfahren“, kritisierte Friese in seiner Begrüßung im Namen der Veranstalter und an die Politik gerichtet: „Kommen Sie nach der Bundestagswahl vom Reden ins Handeln“, appellierte Friese unter großem Beifall nachdrücklich.
Talk-Bürokratieabbau als Kernforderung
So drehte sich in der anschließenden Podiumsdiskussion alles um das Thema, wie die wachsende Bürokratie abgebaut werden könne. Dabei diskutieren Ministerpräsident Alexander Schweitzer gemeinsam mit Dr. Marcus Walden, Präsident der Industrie- und Handelskammer für Rheinhessen, Michael Horper, Präsident der Landwirtschaftskammer Rheinland-Pfalz, und Dr. Rainer Schneichel, Präsident der Landestierärztekammer Rheinland-Pfalz.
Dr. Marcus Walden betonte die Notwendigkeit spürbarer Veränderungen: „Es reicht nicht mehr, einzelne Symptome zu behandeln. Wir brauchen einen Bürokratieabbau, der in den Unternehmen auch wirklich ankommt – damit sie sich wieder auf ihr Kerngeschäft konzentrieren können.“
Michael Horper, Präsident der Landwirtschaftskammer Rheinland-Pfalz, lenkte den Blick auf die Flächenpolitik und erneuerbare Energien. „Wir müssen alternative Flächen wie Freiflächen-Photovoltaik nutzen. Andernfalls fehlt in zwei Generationen der Raum für die Nahrungsmittelproduktion.“ Er schilderte zudem die steigenden bürokratischen Hürden, die landwirtschaftliche Betriebe belasten. „Unsere Biogas-Anlage wird nach 20 Jahren abgeschaltet, weil die Auflagen stetig zunehmen“, so Horper.
Dr. Rainer Schneichel von der Landestierärztekammer Rheinland-Pfalz wies auf die besonderen Herausforderungen seines Berufsstands hin. „Der tierärztliche Beruf kämpft mit wachsender Bürokratie und einem zunehmenden Personalmangel, vor allem auf dem Land. Statt uns auf das Wohl der Tiere zu konzentrieren, verbringen wir immer mehr Zeit mit bürokratischen Aufgaben, die nichts mit der Kernaufgabe unseres Berufes zu tun haben.“

Ministerpräsident Alexander Schweitzer bezeichnete den Bürokratieabbau als Daueraufgabe auf allen staatlichen Ebenen. „Seit Herbst 2021 hat der Bund vier Bürokratieentlastungsgesetze verabschiedet. Diese müssen rasch ergänzt werden, damit die Erleichterungen bei den Unternehmen spürbar ankommen.“ Auch auf Landesebene habe man Fortschritte erzielt: „Seit 1990 wurde die Zahl der Verwaltungsvorschriften in Rheinland-Pfalz halbiert, und die Zahl der Landesverordnungen sank von 974 auf 786.“
Schweitzer verwies auf das im Herbst 2024 vorgestellte Bürokratie-Abbau-Paket mit 57 Maßnahmen, das beispielsweise Berichtspflichten reduziert, digitale Verwaltungsprozesse stärkt und Genehmigungsverfahren beschleunigt. „Wir machen Bauen, Förderprozesse und Schwerlasttransporte schneller und effizienter, denn zu viel Bürokratie bremst die Wirtschaft und frustriert die Menschen.“
Abschließend hob Schweitzer die Stärken des Wirtschaftsstandorts Rheinland-Pfalz hervor: „Unsere Unternehmerschaft zeigt Innovationswillen und Gründergeist. Wir haben führende Cluster in der Nutzfahrzeugindustrie und Biotechnologie sowie Vorzeigebetriebe im Bereich der nachhaltigen Energieversorgung. Investitionen internationaler Konzerne, wie zuletzt von Eli Lilly im rheinland-pfälzischen Alzey, zeigen, dass wir auf dem richtigen Weg sind.“ Gleichzeitig mahnte er, dass für die Zukunft der energieintensiven Industrie ein international wettbewerbsfähiger Strompreis unerlässlich sei.

Lieferkettengesetz darf niemals umgesetzt werden
Im Mittelpunkt stand die anschließende Keynote des Bundesvorsitzenden der CDU Deutschlands und Vorsitzenden der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Friedrich Merz. Er betonte die Notwendigkeit, die wirtschaftliche Resilienz zu stärken und Deutschland in Bereichen wie Digitalisierung, erneuerbaren Energien und globaler Wettbewerbsfähigkeit zukunftssicher zu machen. Merz griff sechs der zwölf Punkte des Positionspapiers zur Bundestagswahl der IHK-Arbeitsgemeinschaft Rheinland-Pfalz auf. Dabei sprach er unter anderem über die Forderungen nach Bürokratieabbau, Steuerreform, Senkung der Energiekosten, effizienten Klimaschutzinstrumenten, der Zuwanderung von Arbeitskräften sowie einer stärkeren Berufsorientierung. In einigen Punkten ging er jedoch über die Forderungen der Wirtschaft hinaus. So bezeichnete er den Wunsch der Kammern, EU-Richtlinien in Deutschland zumindest nicht zu verschärfen, als zu „ambitionslos“. „Nicht Abbau, sondern Rückbau ist hier das richtige Wort“, erklärte Merz. Es reiche nicht aus, die EU-Lieferkettenrichtlinie zu vertagen – sie müsse vollständig aufgehoben werden. „Diese Richtlinie darf niemals umgesetzt werden“, forderte Merz entschieden. Er unterstrich weiter: „Wenn wir die EU bewahren wollen, müssen wir sie auf ihren wesentlichen Kern zurückführen. Unser Ziel ist es, der Politik des Misstrauens eine Politik des Vertrauens entgegenzusetzen.“

Merz warnte, dass Deutschland am Anfang eines weiteren schwierigen wirtschaftlichen Jahres stehe. Immer mehr Arbeitsplätze in der Industrie gingen verloren. Gleichzeitig verzeichne der öffentliche Dienst den stärksten Zuwachs an Beschäftigung. „Das sei die falsche Reihefolge“, betonte er. Die industrielle Wertschöpfung bilde das Rückgrat des Wohlstands und der wirtschaftlichen Stabilität Deutschlands. Neben der Großindustrie sei vor allem der Mittelstand entscheidend. „Wir müssen wieder eine wachsende Volkswirtschaft werden. Ohne Wachstum stehen unser Wohlstand und unsere Zukunft auf dem Spiel.“ Sollten in den nächsten vier Jahren keine grundlegenden Veränderungen gelingen, seien die Aussichten düster. „Wir können so nicht weitermachen wie bisher.“
Bei den Steuersenkungs-Wünschen dämpfte Merz die Erwartungen auf kurzfristige Steuersenkungen. „Diese werden wir uns in Deutschland hart erarbeiten müssen.“ Wenn es gelinge, zur wirtschaftlichen Stärke zurückzukehren, könne die Steuerlast von derzeit 35 Prozent bis zum Jahr 2029 auf 25 Prozent gesenkt werden. Dafür seien stabile gesetzliche Rahmenbedingungen und eine handlungsfähige Regierung erforderlich. „Eine Regierung, die nicht ständig im Streit versinkt.“
Dem neuen US-Präsidenten will Merz mit mehr EU-Selbstvertrauen entgegentreten: Denn der US-Präsident Donald Trump werde Europa nur dann ernst nehmen, wenn wir in Europa zusammenhalten und mit einer Stimme unsere Interessen vertreten. Trumps Leitspruch „Make America Great Again“ könne ebenso für Europa gelten: „We Make Europe Great Again“.
Im Anschluss an seine Keynote stellte sich Friedrich Merz in einer Fragerunde, moderiert von Tanja Samrotzki, weiteren Fragen und Themen, die den Mittelstand und die freien Berufe bewegen.
(IHK-Rheinhessen ) / Diether v Goddenthow – RheinMainKultur.de)
Gastgebende Kammern

Architektenkammer Rheinland-Pfalz
Handwerkskammer Rheinhessen
Industrie- und Handelskammer für Rheinhessen
Ingenieurkammer Rheinland-Pfalz
Landesärztekammer Rheinland-Pfalz
Landesapothekerkammer Rheinland-Pfalz
Landespflegekammer Rheinland-Pfalz
Landespsychotherapeutenkammer Rheinland-Pfalz
Landestierärztekammer Rheinland-Pfalz
Landeszahnärztekammer Rheinland-Pfalz
Landwirtschaftskammer Rheinland-Pfalz
Pfälzische Rechtsanwaltskammer Zweibrücken
Rechtsanwaltskammer Koblenz
Steuerberaterkammer Rheinland-Pfalz
Wirtschaftsprüferkammer in Rheinland-Pfalz