
Gleich vier Ausstellungen eröffnen zum 200. Geburtstag des Philosophen, Journalisten und Ökonomen Karl Marx am 5. Mai 2018 in Trier, wo Marx geboren und in den ersten 17 Lebensjahren aufgewachsen ist.
Jubiläumsprogramm auf einen Blick

Am 5. Mai 2018 jährt sich der Geburtstag von Karl Marx, dem großen Analytiker, Visionär, Revolutionär, Theoretiker und einem der bedeutendsten Denker des 19. Jahrhunderts, zum 200. Mal. Dieses Jubiläum nehmen das Land Rheinland-Pfalz und Marx‘ Geburtsstadt Trier zum Anlass, sich mit dem nicht nur bekanntesten, sondern auch umstrittensten Sohn dieser Stadt auseinanderzusetzen.
Vielleicht gäbe es den derzeitigen Karl Marx-Hype zu seinem 200. Geburtstag gar nicht, hätte der hochbegabte, mehrsprachige Karl, der bereits mit 23 Jahren sein Doktordiplom in Philosophie erhielt, die ersehnte akademische Karriere einschlagen können. Vielleicht wäre ihm viel an Lebensdramatik und der Welt an sozialistischem und kommunistischem Ideologie-Irrsinn in Russland, China, DDR, Kuba usw. erspart geblieben, wäre Karl Marx nicht einst aus seiner „Rolle“ einer potentiell vorgezeichneten Gelehrtenlaufbahn gefallen.
Karl Marx studierte in Bonn und Berlin Jura und Philosophie, wurde von der philosophischen Lehre Georg Friedrich Wilhelm Hegels zunächst geprägt. Doch wohl noch entscheidender für Karl Marx weitere geistige Entwicklung war der atheistische evangelische Theologe und Junghegelianer Bruno Bauer (1809 – 1882). Dieser war sein Mentor und Förderer, verlor aber wegen einer religionskritischen Publikation seinen Bonner Lehrstuhl, was auch Karl Marx Pläne einer akademischen Karriere zerschlug und ihn zum Journalismus brachte. Religionskritik war im damaligen Preußen gleichzusetzen mit Kritik an Staat und Monarchie, und nach den 1819er Karlsbader Beschlüssen über Maßnahmen zur Bekämpfung von oppositionellen Bestrebungen besonders in Preußens neuen Rheinprovinzen hochgefährlich.

Bruno Bauer, Philosoph, Anthropologe und Religions- und Idealismus-Kritiker, war wie Ludwig Feuerbach einer der führenden Köpfe der Junghegelianer, einer Gruppe radikaler Kritiker an Staat und Obrigkeit. Auch Karl Marx hatte sich ihnen angeschlossen. Marx war von Ludwig Feuerbach fasziniert. Feuerbach kritisierte Hegel, weil der die Wirklichkeit als Produkt der Ideen verstand. Feuerbach drehte Hegels Annahme um. Dem folgte auch Marx. Auch er begriff die Wirklichkeit als durch Menschen gemacht und veränderbar und nicht als eine von irgendeinem höheren Wesen vorgegebene Welt mit von „Gott gewollten“ gesellschaftlichen Besitz-. Klassen- und Rechts-Unterschieden.
Der Revolutionär aus gutem Hause

Karl Marx hat Mitte des 19. Jahrhunderts, als Dampfmaschine, Telegrafen und andere Erfindungen tiefgreifend die Produktionsprozesse veränderten, die Welt sozioökonomisch neu vermessen und ihre Verwerfungen als Folge der aufkommenden Industrialisierung und politischer Machtverschiebungen der postnapoleonischen Zeit aufgezeigt. Marx selbst war aber weder ein Maschinenstürmer (Technik faszinierte ihn), noch jemals der Typ „Arbeiterführer mit Stallgeruch“. Karl Marx blieb, nach seinem eigenen Verhalten nach zu schließen, ein Leben lang im Geiste wohl eher ein Bourgeois, also jener großbürgerlichen Gesellschaftsschicht als Lebensideal zugewandt, die er in seinen Theorien von der Diktatur des Proletariats bekämpfte. Davon zeugt einmal die Veränderung seines Lebensstils, der nach zwei Erbschaften 1864 „großzügiger, bürgerlich, dem viktorianischem Zeitgeist entsprechend“ angehoben wurde. Zum anderen ließ der Verfasser des kommunistischen Manifests seinen Töchter eine für das Groß- und Bildungsbürgertum in England und Deutschland typische Erziehung und Ausbildung angedeihen: Sie erhielten Unterricht in Reiten, Zeichnen, Klavier und Gesang und dazu noch Italienisch- und Französischunterricht.
Karl Marx späteres Privatleben scheint ziemlich konventionell verlaufen zu sein, ohne einen Anspruch, seine außergewöhnlichen Theorien auch zu Hause umzusetzen. Der kommunistische Revolutionär lebt, so knapp das Geld und prekär die Lebenssituationen über Jahre hinweg auch immer waren, den liberalkonservativen Stil seiner Herkunft. Auch kann Marx, der geniale Kapitalismus-Analytiker und -Kritiker mit Geld schlecht umgehen. Er lebt oft über seine Verhältnisse, und ist praktisch 40 Jahre lang auf Zuwendungen von Freunden, insbesondere von denen seines Weggefährten und engen Freundes Friedrich Engels angewiesen. Über Jahre hinweg beschäftigt Karl Marx eine Haushälterin, die gute Helene Demuth. Sie gehörte praktisch zur Familie und war zudem durch eine uneheliche Tochter mit Karl Marx verbunden, für die sein Freund, Geldgeber, Korrektor und Lektor Friedrich Engels offizielle die Vaterschaft übernahm. So betrachtet, war Karl Marx selbst ein sehr vereinnahmendes Wesen, und verfügte über alle Fähigkeiten, die auch für Kapitalisten typisch waren und sind.
War Karl Marx also im Grunde seines Herzens kein radikaler Kommunist mit dem Ziel der Abschaffung von Privateigentum, sondern ein zu tiefst gekränkter Bourgeois, dessen heimliche Sehnsucht es letztlich war, wieder in den erlauchten Kreis zurückkehren zu können? Und wenn nicht er, dann wenigsten seine Töchter? Mag jeder selbst seine eigene Meinung dazu finden und sich auf die Erkundung des faszinierenden, spannenden und widersprüchlichen Lebens und Werks von Karl Marx und seiner Zeit machen. Hilfreich dabei sind mit Sicherheit die vier eindrucksvollen Ausstellungen mit ihrem riesigen anspruchsvollen Begleitprogramm in Trier vom 5. Mai zum 21. Oktober 2018.
Besonders empfohlen sei in diesem Zusammenhang der äußerst gelungene Begleitkatalog zur Ausstellung: „Karl Marx. 1818 – 1833. Leben.Werk. Zeit. “ Hrsg. von Beatrix Bouvier und Rainer Auts. 2018. 384 S. mit 196 Abb., Bibliogr., 24 x 28 cm, geb. mit SU. Theiss, Darmstadt 2018
(Diether v. Goddenthow /Rhein-Main.Eurokunst)
Vier Karl-Marx- Ausstellungen auf einen Streich
Gleich vier bedeutende Ausstellungen beleuchten aus unterschiedlichen Perspektiven Karl Marx spannenden Lebensweg und vermitteln so ein umfassendes Bild des berühmtesten Sohnes der Stadt, wie es weltweit bislang einzigartig ist.
„STATIONEN EINES LEBENS“ Stadtmuseum Simeonstift
Wer mit Karl Marx und seinem Werk nicht so bewandert ist, dem empfiehlt sich, vielleicht mit der Ausstellung „STATIONEN EINES LEBENS“ im Trierer Stadtmuseum Simeonstift seine Marx-Tour zu starten.

Wie der Titel richtig vermuten lässt zeichnet „Stationen eines Lebens“ die bewegte Biographie von Karl Marx nach, die 1818 in Trier ihren Anfang nahm. Der Rundgang verfolgt den Lebensweg von Marx’ Kindheit und Jugend in Trier über seine Studienjahre und erste Berufserfahrungen bis zum Exil in London, wo er mehr als die Hälfte seines Lebens verbrachte und im Jahr 1883 starb. Anhand der Stationen dieses Lebens werden wichtige Entwicklungen und Wendepunkte anschaulich gemacht: Welche Rolle spielten Trier, Paris und London im Leben von Marx und seiner Familie? Welche Personen und Umstände prägten den jungen Denker? Wie stand er zu seinen Bewunderern und Kritikern? Grundlage für diese und viele weitere Fragen sind unter anderem persönliche Zeitdokumente und Lebensschilderungen, die auf knapp 600 m² Ausstellungsfläche die Biographie von Karl Marx beleuchten und so ein lebendiges Bild des Menschen hinter der Ikone zeichnen. Ein Highlight der Ausstellung ist eine Bleistiftzeichnung von Karl Marx, die als frühestes bekanntes Porträt gilt und erstmals öffentlich ausgestellt wird.
LEBEN. WERK. ZEIT. Rheinisches Landesmuseum Trier
Das Rheinische Landesmuseum Trier beleuchtet unter dem Titel „Leben. Werk. Zeit.“ Karl Marx und sein Jahrhundert: Auf rund 1.000 m² Ausstellungsfläche wird der intellektuelle wie politische Werdegang von Marx nachgezeichnet.

Prägend für den Philosophen und späteren Ökonomen ist das 19. Jahrhundert mit seinen wirtschaftlichen und sozialen Umbrüchen: Freiheits- und Demokratiebestrebungen wie auch Industrialisierung und Urbanisierung sind Kennzeichen dieser bewegten und
spannungsreichen Epoche.
In die Zeit eines wirtschaftlich aufstrebenden Bürgertums hereingeboren, lernt er bald Zensur, Repression und Armut kennen. Marx durchläuft eine rasante Entwicklung vom Philosophen über den Radikaldemokraten zum Kommunisten und

Gesellschaftskritiker und wird als Journalist zum Revolutionär durch das Wort. Nach der gescheiterten Revolution von 1848 setzt er im Londoner Exil seine ökonomischen Studien fort und entwickelt hier die Analysen eines sich immer vehementer ausprägenden kapitalistischen Gesellschaftssystems, die noch heute diskutiert werden.
„LebensWert Arbeit“ Museum am Dom Trier

Ausstellung, 05. Mai – 21. Oktober 2018. Mit dem Thema „Arbeit“, einem zentralen Begriff bei Karl Marx, befasst sich das Museum am Dom. Unter dem Titel „LebensWert Arbeit“ werden der Mensch und sein Bezug zur Arbeit aus der Sicht eines christlichen Menschenbildes thematisiert. Die Ausstellung spannt den Bogen von der selbstbestimmten Arbeit, die zur Selbstverwirklichung dient, bis hin zu den Folgen einer globalisierten und digitalisierten Arbeitswelt. Neben zeitgenössischen Werken renommierter Künstler wird es auch interaktive Bereiche geben.
Bischof-Stein-Platz 1, 54290 Trier
Telefon +49(0)651.710 52 55
museum@bistum-trier.de
www.museum-am-dom-trier.de
„Von Trier in die Welt: Karl Marx, seine Ideen und ihre Wirkung bis heute“, im Museum Karl-Marx-Haus
Wiedereröffnung des Karl-Marx-Hauses und der Ausstellung am 5. Mai 2018 von 9.30 bis 11:00 Uhr.

Die neue Dauerausstellung im Geburtshaus – dem größten Exponat der Schau – widmet sich der Person Karl Marx sowie dem Gesellschafts- und Kapitalismuskritiker des 19. Jahrhunderts. Seine Ideen bewegen die Menschen bis heute.
Die Ausstellungseinheit Biografie zeigt Marx als von den Umbrüchen des 19. Jahrhunderts geprägten Oppositionellen, der in ein Leben im Exil in verschiedenen europäischen Städten gezwungen wird. Im Werk werden Marx‘ Ideen in den vier Hauptarbeitsfeldern Philosophie, Journalismus, Gesellschaftswissenschaften und Ökonomie veranschaulicht.

Vom 19. Jahrhundert bis in die Gegenwart führt die Ausstellungseinheit Wirkung. Als Marx 1883 in London stirbt, hinterlässt er keine geschlossene Lehre. Diese wird durch nachfolgende Generationen geformt. Insbesondere sozialistische und kommunistische Regimes weltweit instrumentalisieren Marx, der zur politischen Reizfigur wird. Die Finanzkrise von 2007/2008 löst die aktuelle „Marx-Renaissance“ aus. Sie lenkt den Blick wieder auf seine Analysen des kapitalistischen Wirtschaftssystems und seine Forderung nach Emanzipation für die gesamte Menschheit. Highlights der Ausstellung sind neue Originalobjekte wie ein Briefentwurf von Marx und sein Londoner Lesesessel.

Die Friedrich-Ebert-Stiftung erwarb diesen Sessel im Jahr 2014 von den Nachfahrinnen des Journalisten, Philosophen, Gesellschaftswissenschaftlers und Ökonomen. Marx hat in ihm viel gelesen, an seinen Manuskripten gearbeitet und soll nach der Familienüberlieferung auch in diesem Stuhl am 14. März 1883 in London gestorben sein.
Der Sessel gehört zu den Höhepunkten der neuen Dauerausstellung „Von Trier in die Welt: Karl Marx, seine Ideen und ihre Wirkung bis heute“.
Das Geburtshaus von Karl Marx, um 1727 als barockes Wohnhaus erbaut, wird seit 1968 von der FriedrichEbert-Stiftung (FES) als Museum betrieben. Es ist ein historisch-politischer Lernort.
Brückenstraße 10, 54290 Trier
Telefon +49(0)651.97 06 80
info.trier@fes.de
www.fes.de/Karl-Marx-Haus
Ausstellungstipp: „Geld.Rausch“ in der Tuchfabrik (Tufa) Trier
Das Jubiläumsprogramm
Das Jubiläumsprogramm zum 200. Geburtstag von Karl Marx führt mit einem breiten Spektrum von öffentlichen Veranstaltungen durch das Jahr. Es umfasst rund 300 Veranstaltungstermine und 300 öffentliche Führungen und Themenführungen sowie diverse Begleitprogramme in den Museen. Zahlreiche Organisationen und Kulturinstitutionen wie die Trierer Hochschulen, das Theater Trier, das Kultur- und Kommunikationszentrum Tuchfabrik, das Bildungs- und Medienzentrum und Kulturschaffende aus der freien Szene, beleuchten die unterschiedlichen Aspekte von Marx’ Leben und Wirken mit Veranstaltungen: Die Palette reicht vom Symposium unter der Schirmherrschaft der Deutschen UNESCO-Kommission über Musik- und Theaterproduktionen, darunter ein Marx-Musical, bis zu künstlerischen Installationen.
Marx für alle
Die Ausstellungen und Veranstaltungen im Jubiläumsjahr sollen den Menschen Marx einem breiten Publikum aller Altersklassen näherbringen. So werden Kinder mit einem umfangeichen pädagogischen Programm gezielt angesprochen; für Schulen gibt es detaillierte Unterrichtsmaterialien. In der Landesausstellung werden zahlreiche integrative und barrierefreie Programme angeboten, darunter Führungen für Blinde und Sehbehinderte, in Gebärdensprache, für Hörgeschädigte, für Menschen mit Demenz sowie in Leichter Sprache. Daneben gibt es gesonderte Angebote für Migranten und Flüchtlinge.
Trier-Besucher können den Spuren des großen Denkers in seiner Geburtsstadt auf zahlreichen Stadtrundgängen sowie auf eigene Faust mit der interaktiven Stadtführer-App „Marx to go“ folgen. Mit der KARL-MARX-BOX gibt es zudem eine attraktive Geschenkbox rund um den Besuch der Landesausstellung.
Das Jubiläum im Netz:
Jubiläumsprogramm auf einen Blick
www.KarlMarx 2018.de
https://www.karl-marx-ausstellung.de/
Twitter: @Marx 2018, #Marx 2018
Brückenstraße 10, 54290 Trier
Telefon +49(0)651.97 06 80
info.trier@fes.de
www.fes.de/Karl-Marx-Haus