Am 11.Dezember 2018 wurde die Gesellschaft für deutsche Sprache e.V. mit dem „Preis zur Förderung des kulturellen Leben – Kulturpreis“ während einer Feierstunde im Festsaal des Wiesbadener Rathauses ausgezeichnet. Die Preisverleihung und Übergabe der Urkunde erfolgte durch Sozialdezernent Axel Imholz und der stellvertretenden Stadtverordnetenvorsteherin Gabriele Enders. Musikalisch wurde die Veranstaltung originell umrahmt von Dunja Koppenhöfer.
Der alljährlich verliehene „Kulturpreis der Landeshauptstadt Wiesbaden“ ist mit 5000 Euro dotiert und wird für besondere Leistungen in den Gebieten Bildende Kunst, Musik, Literatur oder Darstellende Kunst vergeben.
Die Juryentscheidung, in diesem Jahr die Gesellschaft für deutsche Sprache (Gfds) mit ihrer seit 1955 in Wiesbaden befindlichen Zentrale auszuzeichnen, sei einstimmig gewesen, sagte der Juryvorsitzende und Kulturdezernent Axel Imholz. Der Jury gehörten alle kulturpolitischen Sprecherinnen und Sprecher der Rathausfraktionen an wie: Dorothea Angor, Hartmut Bohrer, Gabriele Enders, Dr. Klaus-Dieter Lork, Wilfried Lüderitz, Dr. Hendrik Schmehl, Claudia Spruch sowie der kommissarische Kulturamtsleiter Jörg-Uwe Funk.
„Es ist für die Landeshauptstadt eine Ehre, dass die Gesellschaft ihren Sitz seit 1965, also seit über 50 Jahren, in Wiesbaden hat“, erklärt Kulturdezernent Axel Imholz und fährt fort: „In diesen Jahrzehnten hat sich eine große Verbundenheit zwischen Wiesbaden und der Gesellschaft für deutsche Sprache ergeben. Viele Wiesbadenerinnen und Wiesbadener nehmen gerne die Angebote der Sprachberatung an bzw. besuchen die Vorträge.“
Das 70-jährige Jubiläum der Gesellschaft im vergangenen Jahr war auch Mitanlass für die Jury, die langjährigen Leistungen anzuerkennen und mit dem Kulturpreis der Landeshauptstadt Wiesbaden 2018 zu würdigen.
Die Gesellschaft verstehe sich seit 1947 als Vermittlerin zwischen Öffentlichkeit und Sprachwissenschaft. In hauseigenen Zeitschriften und Publikationen beobachte und dokumentiere sie die Entwicklung des Sprachgebrauchs, beriete Privatpersonen und Behörden in sprachlichen Fragen und präsentiere alljährlich das „Wort des Jahres“, was in diesem Jahr am 14.Dezember bekannt gegeben werde.
Die räumliche Nähe zur Zentrale ist für viele Wiesbadener Firmen und Behörden, aber auch für sprachinteressierte Wiesbadenerinnen und Wiesbadener von großer Bedeutung. Hier wird eine direkte persönliche Beratung gewährleistet, die auch im Zeitalter der digitalen Suchmaschinen unverzichtbar bleibt.
Daneben führt der örtliche Zweig regelmäßig sprachwissenschaftliche Vorträge in Wiesbaden durch, die ein reges Interesse finden
In Form von Preisen erkennt der Sprachverein die Leistungen der aktiven Sprachgestalterinnen und Sprachgestalter aus der Gesellschaft an. So verleiht er alle zwei Jahre den Medienpreis für Sprachkultur, der im Wiesbadener Kurhaus überreicht wird.Der Hans-Oelschläger Preis für Sprachkritik zeichnet Journalistinnen und Journalisten aus Fernsehen und Rundfunk aus, die durch ihre Arbeit den Sprachgebrauch kritisch hinterfragen und das Empfinden für ein klares Deutsch stärken.
In seiner Laudatio würdigte Prof. Dr. Jörg Meibauer, Professor für Sprachwissenschaft am Deutschen Institut an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, die Arbeit der Gesellschaft für Deutsche Sprache in all ihren Facetten und ging auf die Mehrdeutigkeit von Sprache ein: Die sprachliche Kultur habe viel damit zu tun, „Freude an der Sprache, am Sprachgebrauch zu haben, Freude, die sich in Metaphern, Ironie, Wortspiel, Witzen und vielem mehr“ zeige. „Sprache stellt neue Bedeutungen her, und wir Menschen haben Spaß dabei, diese zu entdecken, und selbst zu produzieren“, so Meibauer, der gleich zwei Beispiele seiner linguistischen Entdeckungsreisen präsentierte: „Stehrümken“ und „Eierarsch“. Mit letzterem Ausdruck, nachzulesen in der aktuellen Ausgabe der Zeit, habe einst Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubinski seinen Parteikollegen Jürgen Möllemann bedacht. Auch „Stehrümken“ oder „Stehrümmchen“ sei ihm ein unbekannter Begriff gewesen. Dieser bezeichne keine richtigen Textilien, Lampen, Möbel usw., sondern Dinge, die nur als Deko so „darum stehen“, also „Stehrümmchen“ seien.
Wäre erst einmal die sprachliche Neugier befriedigt, wollten Bürgerinnen und Bürger tiefere Kenntnis und verlässlichere Auskunft über die Begrifflichkeiten erlangen, etwa, ob „‘Eierarsch‘ noch nett, oder schon prüde“ sei. In solchen und allen anderen Fragen die deutsch Sprache betreffend, könne man sich bei der Deutschen Gesellschaft für Deutsche Sprache informieren und sprachlich beraten lassen. Ergänzt würde das Angebot der Sprachberatung durch reichliches Lesefutter für alle Sprachinteressierten, etwa mit den Gfds-Zeitschriften „Der Sprachdienst“ (seit 1957) und „Muttersprache“ (seit 1890).
In seiner Dankesrede unterstrich der Vorsitzende der Gesellschaft für Deutsche Sprache, Prof. Dr. Peter Schlobinski, Inhaber des Lehrstuhls für Germanistische Linguistik an der Leibniz Universität Hannover, dass der Preis für die Gfds nicht nur eine Auszeichnung für geleistete Arbeit, sondern auch Ansporn und Verpflichtung sei, die gute Arbeit und die partnerschaftliche Zusammenarbeit mit der Stadt Wiesbaden fortzuführen. Schlobinski fokussierte sich in seiner Rede nur auf einen Aspekt der Sprachkultur, nämlich den, des sich ändernden Sprachgebrauchs in politischen Diskursen mit zunehmenden verbalen Grenzverschiebungen und Überschreitungen bis hin zur Sprache der Hetze und des Hasses. Da würden politische Gegner gejagt, Menschen (statt Sachen) entsorgt und Asylbewerber zu Asyltouristen, so Schlobinski. „Provozieren, übertreiben, Affekte mobilisieren, im Namen des Volkes sprechen, Freund-Feindschema aufbauen, diffamieren und deskreditieren, sich als Opfer inszenieren, beleidigen und drohen, lügen und täuschen“ all dies stamme „aus dem Repertoire derjenigen, die Sprache und Gesellschaft radikalisieren wollen“, hob der Sprachwissenschaftler hervor. Diese Leute nähmen „in Kauf, dass der Verbal-Gewalt die physische folgen könne, die Jagd auf Menschen, wie in Chemnitz“.
Solch einer „Sprache der Dehumanisierung, der grob verharmlosenden Sprache, der Hetzsprache“ entgegenzutreten, sei nicht nur Aufgabe einer engagierten linguistisch begründeten Sprachkritik, wie sie die Gfds in der Tradition von Kurt Tucholsky und Victor Klemperer leiste. Dies sei insbesondere auch eine Aufgabe von uns allen, der schweigenden Mehrheit, und von der Politik. „Sich einmischen und den Mund aufmachen verstehen wir als Imperativ für die Arbeit der Gesellschaft für Deutsche Sprache.“, so Schlobinski. Der Gfds-Vorsitzende versicherte abschließend, dass sich die Gfds auch weiterhin für eine auf Verständigung und Verständlichkeit ausgerichtete Sprache einsetzen werde: konstruktiv und kritisch, engagiert und wissenschaftlich fundiert.
(Diether v. Goddenthow / Rhein-Main.Eurokunst)
Dankesrede des GfdS-Vorsitzenden Prof. Dr. Peter Schlobinski