Mittelalterfundamente in der Baugrube des neuen Archäologischen Zentrums Mainz neben dem Römer-Schiffmuseum an der Neutorstrasse 1 in Mainz geben interessante neue Einblicke.
„Wir wussten von Anfang an, dass wir hier mitten in die Mainzer Festungsgeschichte vorstoßen werden“, so Dr. Marion Witteyer, Leiterin der Landesarchäologie in Mainz, mitten im Grabungsfeld zwischen Neutorstraße und Rheinstraße in unmittelbarer Nachbarschaft zum Museum für Antike Schifffahrt.
Die rheinland-pfälzische Finanz- und Bauministerin Doris Ahnen zeigte sich in jedem Fall beeindruckt, als sie sich vor Ort über die Ausgrabungsarbeiten informierte: „Wir leben in Mainz auf geschichtsträchtigem Boden und sind doch immer wieder überrascht, was wir für Schätze und damit neue Erkenntnisse bergen können.“ Auch der Mainzer Oberbürgermeister Michael Ebling nutzte die Gelegenheit für eine Stippvisite: „Wenn sich Geschichte wie hier bei den Ausgrabungsarbeiten buchstäblich begreifen lässt, rückt sie viele stadthistorische Ereignisse noch einmal ganz anders ins Bewusstsein. Und die Zitadelle mit ihren Bastionen und Festungsmauern ist ein bedeutendes Kapitel unserer Stadtgeschichte.“
Rede und Antwort standen neben der Landesarchäologin Witteyer auch der Geschäftsführer des Landesbetriebs Liegenschafts- und Baubetreuung (LBB), Holger Basten, und Generaldirektor Thomas Metz von der Generaldirektion Kulturelles Erbe Rheinland-Pfalz (GDKE).
Seit November 2015 dauern nun schon die Grabungsarbeiten an. Inzwischen wurde mit einer Tiefe von rund 2,50 Meter die erste Ebene der Baugrube erreicht und damit präsentiert sich vor Ort ein spezifischer archäologischer Befund, der nur kurze Zeit sichtbar sein wird. „Wir haben Funde vom Spätmittelalter über den Barock bis in die Neuzeit“, so Witteyer. Erwartungsgemäß ist man auf die Reste der Bastion Catharina gestoßen, die später Teil der Bundesfestung war und nach der Zitadelle zum ersten Festungsring um Mainz gehörte und gemeinsam mit der Bastion Nikolaus in unmittelbarer Nähe zum Rheinufer lag. Sichtbar sind derzeit verschiedene Phasen der Festungszeit, man sieht Teile des alten und des wiederaufgebauten Neutors aus dem 17. Jahrhundert.
Ebenso die dicken Eskarpen-Mauern der alten Bastion und die neuere Mauer mit deutlich dünneren Wänden. Unmittelbar darüber sind Teile einer Wasserleitung aus dem 19. Jahrhundert zu erkennen.
Interessanterweise stimmen vorliegende Pläne aus den unterschiedlichen Epochen nicht immer mit den tatsächlichen Gegebenheiten vor Ort überein. „Man weiß einerseits nicht, zu welcher Zeit die Pläne entstanden sind und ob nachträglich noch Änderungen vorgenommen wurden“, so Witteyer, oder ob Pläne sogar absichtlich geändert wurden, um etwaige Feinde, denen die so gefälschten Pläne in die Finger kommen könnten, damit zu täuschen.
Rätselhaft ist bislang ein Architekturfund im Anliegerhof zum Museum für antike Schifffahrt. „Wir können derzeit weder die Architektur deuten, noch die im Umfeld herumliegenden Pflaster“, erklärt Witteyer, mysteriös erscheint auch ein Platz oder Garten mit systematisch aufgestellten Steinkugeln. Die Kugeln stammen von einer Blide, einer mittelalterlichen Steinwurfmaschine.
Die Gesamtsituation der archäologischen Fundstelle ist allerdings nur vorübergehend. „Was wir hier machen, ist keine Grabung, die reinen Forschungszwecken dient“, erklärt dazu Generaldirektor Thomas Metz, „sondern eine normale archäologische Ausgrabung, die durch eine Baumaßnahme ausgelöst wurde.“ So gesehen, kann man auch nur in den jeweiligen Bauschritten und Bautiefen archäologisch tätig werden.
In Kürze soll nun ein circa acht Meter breiter Schotterwegstreifen angelegt werden, auf dem ein spezielles Baugerät fahren kann. Damit werden die Bohrpfähle, welche die Baugrube dicht umschließen, nach außen verankert. Die Bohrpfahlwand fungiert als Schalung, damit kein Grundwasser in die Baugrube eindringen kann.
Anschließend wird die Baustelle bis zur Baugrubensohle auf 4,50 bis sieben Meter ausgehoben. Dabei sind durchaus weitere archäologische Befunde zu erwarten. Bis in römische Schichten wird man dabei allerdings voraussichtlich nicht vorstoßen, die liegen noch einige Meter tiefer.
Der Geschäftsführer des Landesbetriebs LBB, Holger Basten, hob die gute Zusammenarbeit aller Beteiligten hervor: „In der Baugrube und drumherum gibt es kein Nacheinander der Prozesse, es ist immer ein Miteinander“, betonte Holger Basten. „Planer, Archäologen, die beauftragten Unternehmen, die Betreiber von Leitungsnetzen, das RGZM als künftiger Nutzer und das AZM-Team der Mainzer LBB-Niederlassung, sie alle stimmen sich ständig ab und ziehen an einem Strang, damit hier auf buchstäblich historischem Grund das neue Zentrum für die Archäologie in Mainz entsteht.“ Beispielsweise werden bei weiter laufenden archäologischen Untersuchungen demnächst Entwässerungs- und Fernwärmeleitungen verlegt, um die Entwässerung des Baugrundstücks zukünftig sicherzustellen und AZM, Römerschiffmuseum und Neutorschule an das Fernwärmenetz des Heizkraftwerks Mainz anzuschließen.
Im Anschluss an die archäologischen Grabungen, die voraussichtlich Ende Februar 2017 abgeschlossen sind, beginnen die Rohbauarbeiten mit Gründungsarbeiten und der Herstellung der Betonfundamente. Im weiteren Verlauf werden sich alle Beteiligten bemühen, die Ausschreibungen und Bauabläufe so zu koordinieren, dass der bauliche Fertigstellungstermin Ende 2019 erreicht werden kann. Geplant ist die Übergabe an das RGZM Anfang 2020. Der Umzug des Römisch-Germanischen Zentralmuseums (RGZM) wird in Eigenregie koordiniert.
Für den Neubau wurden im Mai 2015 vom Haushalts- und Finanzausschuss des Landtages Gesamtbaukosten in Höhe von rund 51,4 Mio. Euro, einschließlich des neu in die Planung aufgenommenen Platzes genehmigt. Hiervon tragen die Stadt Mainz einen Anteil von 10,0 Mio. Euro, der Bund voraussichtlich einen Anteil von 14,9 Mio. Euro und das Land finanziert ca. 26,5 Mio. Euro.