
Auch das Jahr 2025 hält wieder eine Reihe abwechslungsreicher Ausstellungshighlights im Museum Angewandte Kunst bereit: von einer Welt im Fluss, über den Palast des typografischen Mauerwerks, bis hin zu vielfältigen Ausstellungen im Rahmen von 100 Jahre Das Neue Frankfurt.
Das neue Ausstellungsjahr startet mit Die Welt im Fluss. Über Bewegtes und Vergängliches in der Japanischen Kunst und führt anhand von kostbaren Sammlungsbeständen des Museums und ausgewählten Positionen der Gegenwartskunst vor Augen, wie die Japanische Kunst die Wandlungen und die Unwägbarkeiten des Daseins vielfältig ästhetisch durchdringt und kommentiert. Kurz darauf findet im Palast des typographischen Mauerwerks eine experimentelle und spielerische Erkundung der Disziplin des Grafikdesigns statt, die interdisziplinäre Verbindungen aufzeigt und visuelle Praktiken in eine breite Kulturgeschichte einordnet. Im März zeigt das Museum Angewandte Kunst in der Ausstellung Text & Spirit seinen vollständigen Bestand spätmittelalterlicher illuminierter Handschriften. Die Ausstellung leistet eine Neupositionierung der mittelalterlichen Stundenbücher auf der Grundlage des 21. Jahrhunderts als digital-kommunizierendes Zeitalter. Im Jahr 2025 feiert das Museum 100 Jahre Das Neue Frankfurt mit einer Vielzahl an Ausstellungen. Im Mai starten zunächst die Kernausstellung Was war das Neue Frankfurt und die Ausstellung Yes we care!, die die Frage nach der Gemeinwohlfürsorge in den 1920er Jahren in den Fokus setzt. Im zweiten Halbjahr widmet das Museum Angewandte Kunst dem Neuen Frankfurt gleich drei weitere Ausstellungen, die sich mit Jazz als musikalisches Ausdrucksmittel der Nachkriegsgeneration in den 1920er Jahren, dem Aufbruch zur modernen Stadt 1925-1933 in Form von einem Städtevergleich von Frankfurt, Wien und Hamburg und dem Waldstadion und der ersten internationalen Arbeiterolympiade auseinandersetzen.
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IKONA
Heilige Frauen
Bis 9. Februar 2025
Die Ausstellung IKONA. Heilige Frauen im Museum Angewandte Kunst widmet sich erstmals der Vielfalt der historischen Funktionen, erkämpften Handlungsspielräume und aktuellen sozialen Bedeutungen von weiblichen Heiligen in der christlich-orthodoxen Kunst. Die ikonischen Darstellungen zeigen die Pluralität orthodoxer Kulturen aus mehr als sechs Ländern und fünf Jahrhunderten. Sie erzählen von bekannten und weniger bekannten Frauenbiografien aus frühchristlicher Zeit bis zum ausgehenden 19. Jahrhundert. Entlang dieser Geschichten stellen sich Fragen nach Spiritualität und religiöser Praxis im Zusammenspiel mit sakraler Kunst ebenso wie nach der Tradition von Machtverhältnissen, Rollenbildern und deren Wandel. Die Ikonen wurden überwiegend in Russland und Griechenland, aber auch in Rumänien, Bulgarien, Nordmazedonien, Ägypten und Bethlehem zwischen dem ausgehenden 15. und dem 21. Jahrhundert gefertigt.
Die erstmalige Kooperation der drei größten Ikonenmuseen Westeuropas aus Kampen (Niederlande), Recklinghausen und Frankfurt am Main und mit ihnen verbundener Privatsammlungen ermöglicht es, ein solch facettenreiches und breites Spektrum weiblicher Heiligkeit in der orthodoxen Tradition zu zeigen.
Öffentliche Führungen: 26. Januar 2025, 15 Uhr; 29. Januar 2025, 18.30 Uhr; 9. Februar 2025,
15 Uhr
Finissage: 8. Februar 2025, 18 Uhr
Kuratorin: Dr. Konstanze Runge in Zusammenarbeit mit Liesbeth van Es (Kampen) und Dr.
Lutz Rickelt (Recklinghausen)
亞歐堂 meet asian art: Der Erwachte
Bis 30. November 2025
Die Kabinett-Ausstellung 亞 歐堂 meet asian art: Der Erwachte zeigt Bildwerke aus China, Thailand, Tibet und Korea, die anderthalb Jahrtausende buddhistischer Kunst in Asien repräsentieren. Seit bis zu achtzig Jahren werden sie im Museum Angewandte Kunst aufbewahrt.
Neben bis zu lebensgroßen Bildnissen oder Fragmenten, Steinskulpturen und Bronzeplastiken werden auch bescheidene Zeugnisse der visuellen Kultur des Buddhismus vorgestellt, wie zum Beispiel Altäre im Miniaturformat aus dem China der Sui- (589–618 n.Chr.) und Tang-Zeit (618–907) sowie kleine, manchmal nur luftgetrocknete Votivtafeln aus Ton, die bis heute an sakralen Orten abgelegt werden. Die kleine Schau lässt zurückdenken an die Ausstellung Buddha. 108 Begegnungen, die 2015 in Kooperation mit dem Frankfurter Tibethaus im Museum Angewandte Kunst zu sehen war.
Kurator: Dr. Stephan von der Schulenburg
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Die Welt im Fluss
Über Bewegtes und Vergängliches in der Japanischen Kunst
31. Januar – 27. April 2025
Eröffnung: Donnerstag, 30. Januar 2025, 19 Uhr
Jahrhunderte alte verwitterte Holzskulpturen, eine gebrochene Teeschale, mit Goldlack repariert, Hokusais Große Welle als archetypischer Ausdruck von Schönheit und tödlicher Gefahr, der Wind als Zeichner – all dies sind Ausdrucksformen einer Welt im Fluss, die diese
Ausstellung vorstellt. Kostbare Sammlungsbestände des Museums, ergänzt durch ausgewählte Positionen der Gegenwartskunst, beschreiben Japan als ein Land, das eine besondere ästhetische Sprache des Ephemeren hervorgebracht hat. Wo von einem Moment auf den anderen durch Erdbeben, Flutwellen oder auch durch menschengemachte Katastrophen das Leben ein jähes Ende nehmen kann, blüht eine Kunst, die sich der Fragilität und Kostbarkeit unserer Existenz stets bewusst ist.
Von Matsuo Bashō (1644-94), einem der größten japanischen Dichter, stammt die Maxime fueki ryūkō 不易流行, die auch als dialektische Poetik bezeichnet wurde. Darin geht es ihm um das Spannungsfeld zwischen „Unveränderlichkeit“ (fueki) und „sich stetig wandelnden Moden“ (ryūkō) als Voraussetzung für dichterische Kreativität. Übersetzt wird die Formel auch als „Ruhe in der Unbeständigkeit“ – es geht also um Gelassenheit in einer Welt des ständigen Wandels.
Bashō verbrachte wichtige Teile seines Lebens als Wanderer – der haiku-Zyklus Oku no hosomichi („Auf schmalen Pfaden ins Hinterland“) ist eines seiner bedeutendsten Werke. Wandern und (Welt-)Flucht sind zwei Aspekte desselben Lebensentwurfs, und für die Kunst und Kultur Japans ist er von besonderer Bedeutung. Zweifellos ist diese rastlose – dynamische und dabei letztlich tiefenentspannte Lebensart auch Ausdruck eines Grundempfindens der Flüchtigkeit der irdischen Existenz. Wo von einem Moment auf den anderen durch Erdbeben, Flutwellen oder auch durch menschengemachte Katastrophen das Leben ein Ende nehmen, zumindest vollkommen durcheinandergewirbelt werden kann, findet diese Grunderfahrung in vielfältiger Weise auch Ausdruck in unterschiedlichen Kunstäußerungen.
Das Bewusstsein für diese prekären Lebensumstände sorgt in Japan einerseits für eine gewisse Melancholie als Grundton – mono no aware 物の哀れ ist der nur schwer übersetzbare Begriff für diese Gefühlslage. Wörtlich bedeutet er „das Herzzerreißende / das Pathos / die Trauer der Dinge“; gemeint ist damit eine spezifische Empfindsamkeit für das Ephemere, für die Vergänglichkeit der Welt. Andererseits wirkt die japanische Kunst auch häufig wie eine unbeschwerte „Feier der Vergänglichkeit“, ein geradezu sorgloses In -denTag-Leben, gewissermaßen eine asiatische Variante der altgriechischen bzw. römischen Konzepte panta rhei („alles fließt“) und carpe diem („nutze den Tag/genieße den Augenblick“).
Die Welt im Fluss.
Die Ausstellung Die Welt im Fluss. Über Bewegtes und Vergängliches in der Japanischen Kunst führt vor Augen, wie die Japanische Kunst die Wandlungen und die Unwägbarkeiten des Daseins vielfältig ästhetisch durchdringt und kommentiert. Die Schau spannt den Bogen von zwei verwitterten Holzskulpturen des 14. Jahrhunderts, bewegtem Leben in Malerei und Holzschnitt des alten Japan über Wasserdarstellungen unterschiedlicher Art und den Verfall „feiernden“ Teekeramiken und Lackarbeiten bis hin zu markanten Positionen der japanischen Gegenwartskunst. Vorgestellt werden auch Bilder, die das menschliche Leben mit und auf dem Wasser, Kirschblütenfeste und höfische Schmetterlingstänze zeigen. Mit Ueda Rikuo, Hide Nasu, Shiriagari Kotobuki, Peter Granser und Mari Kashiwagi kommen überraschende Positionen der Kunst, Teekultur und Lyrik der Gegenwart zu Wort, die auf unterschiedliche Weise jenes Lebensgefühl des panta rhei reflektieren, das Japan von jeher geprägt hat.
Die Ausstellung wird gefördert von der Hessischen Kulturstiftung, der Ernst von Siemens Kunststiftung und dem Bankhaus Metzler.
Kurator: Dr. Stephan von der Schulenburg
Der Palast des typografischen Mauerwerks
22. Februar – 11. Mai 2025
Eröffnung: Freitag, 21. Februar 2025, 19 Uhr
Der Palast des typografischen Mauerwerks eröffnet einen vielschichtigen Blick auf die gestalterische Disziplin des Grafikdesigns: von den grundlegenden grafischen Mitteln und ihrem Zusammenspiel in Kompositionen und Entwürfen über die Werkzeuge, Techniken und Entwurfsmethoden bis hin zur beruflichen Praxis im Spannungsfeld von Raum, Zeit, Auftraggeber:innen und Publikum. Die Wanderausstellung des niederländischen Grafikdesigners Richard Niessen verdeutlicht die poetische und visuelle Kraft des Grafikdesigns sowie dessen kulturprägenden Charakter, politische Wirkmacht und die
Fähigkeit, gesellschaftliche Werte und Ideale zu vermitteln.
Als Reflexion seiner eigenen beruflichen Praxis sammelt und beschreibt Richard Niessen visuelle Artefakte aus unterschiedlichsten zeitlichen und kulturellen Kontexte n. In seinen thematischen Zusammenstellungen eröffnen sich überraschend neue Bedeutungsebenen, darüber hinaus lädt Niessen Gestalter:innen ein, seine Sammlung durch Arbeiten und visuelle Kommentare zu erweitern. Die Ausstellung zeigt Beiträge von Juan Luis Blanco, Benjamin Mc Millan, Edgar Walthert, Victoria Hoogstoël, Bart de Baets, Team Thursday, Rietlanden Women’s Office, Alex Walker, Cleo Tsw, Lukas Engelhart, Jan Egbers, Justus Gelberg, Richard Niessen, Esther de Vries, Meeus ontwerpt, Harmen Liemburg, Studio Moniker, Rudy Guedj, Joost Grootens, Hackers & Designers, Farah Fayyad, Ott Metusula, William Jacobson, Metahaven, Maureen Mooren und fanfare. Für die Ausstellung entwirft Richard Niessen eine immersive Szenografie, die mit ihrem intelligenten Minimalismus und ihrer visuellen Spielfreude selbst zum Inbegriff des niederländischen Grafikdesigns wird. Um die grenzenlose Vielfalt visueller Kulturen darzustellen, entwickelt Niessen die Erzählung einer unendlichen imaginären Architektur, den Palast des typografischen Mauerwerks. Die sich darin entfaltenden Räume, Flügel, Korridore und Kammern bieten einen diskursiven Raum, in dem lineare Geschichtsschreibungen durchbrochen und neue Perspektiven eröffnet werden.
Kurator: Jonas Deuter
Text & Spirit
Erleuchtungsgrafik
Mittelalterliche Handschriften zwischen Alltagspraxis, Luxus und Glauben
13. März – 22. Juni 2025
Eröffnung: Mittwoch, 12. März 2025, 19 Uhr
Erstmals zeigt das Museum Angewandte Kunst in der Ausstellung Text & Spirit seinen vollständigen Bestand spätmittelalterlicher illuminierter Handschriften. Es handelt sich dabei um Bücher und Fragmente mit feinster Buchmalerei und dekorativer Ausstattung a us Gold, Lapislazuli oder Purpur. Was können wir heute mit den Stundenbüchern aus dem Mittelalter anfangen? Text & Spirit beleuchtet verschiedene Schnittstellen zwischen damals und heute und dringt zum Vergleich zwischen den früheren Stundenbüchern mit den heutigen Smartphones vor. Es geht um die Wirkung beider Lebensbegleiter, die sowohl Kommunikationsmedien als auch Prestigeobjekte sind. Ihre Rolle steigert sich bis zu modisch-performativen Accessoires. Dabei besticht besonders die Tatsache, dass die Benutzung beider Medien dazu führt, sich aus dem unmittelbaren Hier und Jetzt gedanklich zu lösen, um sich im Geiste einzukapseln. Die Ausstellung leistet damit eine Neupositionierung der mittelalterlichen Stundenbücher auf der Grundlage des 21. Jahrhunderts als digital-kommunizierendes Zeitalter.
Digitalisierungsprojekt der Stadt Frankfurt am Main:
Für das Digitalisierungsprojekt des Dezernats Kultur und Wissenschaft der Stadt Frankfurt am Main hat das Museum Angewandte Kunst aus seiner Sammlung solche Kunstwerke ausgewählt, die aufgrund ihrer Empfindlichkeit sowie außergewöhnlicher Kostbarkeit bisher selten oder noch nie ausgestellt und erforscht worden sind: christliche Gebetsbücher des Spätmittelalters in der Eigenschaft von Psaltern, Brevieren und Stunden büchern als illuminierte Handschriften. Diese kamen aus den bürgerlichen Privatsammlungen der Brüder Michael (1830-1892) und Albert Linel (1833–1916) sowie Wilhelm Peter Metzler (1818–1904) an das Museum. Dabei handelt es sich um Textgestaltungen auf Pergament in Buchform, die im Rahmen christlicher Gebetspraxis aufwendig und kunstvoll ausgestattet worden sind. Sie stehen zugleich für eine Tradition, bei der Bücher weniger der Informationsvermittlung dienen, sondern über den Prozess des Sich-Einfühlens die Rolle eines Mediums für eine spirituelle Lebensgestaltung übernehmen. Sie waren die teuersten Gegenstände ihrer Zeit.
Als Lebensbegleiter strukturierten sie den Tag, die Woche, das Jahr sowie das ganze Leben.
Neupositionierung Heute:
Was aber kann man heute mit diesen Büchern anfangen? Welche damals entwickelten Lebensstrategien wirken bis in die Jetztzeit nach – auch jenseits christlicher Glaubenspraxis? Welche Anregungen lassen sich aus diesem Sammlungsbestand für die gegenwärtige digital-interaktive und zunehmend emotionalisierte Medialität gewinnen? Und inwiefern ergeben sich Schnittstellen zwischen den damaligen Stundenbüchern zu den heutigen
Smartphones?
Die Handschriften als wertvollster Museumsbestand wurden in Gänze gescannt, mit dem Ziel, sie in Gestalt von Büchern und Buchfragmenten (cuttings) auf einer digitalen Museumsplattform öffentlich verfügbar zu machen. Mit der Ausstellung Text & Spirit werden die Handschriften in ihrer christlichen Erleuchtungsästhetik aus Schrift, Malerei sowie kostbarem Materialaufwand aus Pergament und Gold im Original vorgestellt. Begleitende Fragestellungen zu Alltagsritualen, Wertmaßstäben, Mode, Kunst, Restaurierung oder Religion setzen eine Auseinandersetzung mit diesen Buchwerken und ihrer Epoche frei. Die Ausstellung ist für eine spätere selbständige Beschäftigung mit dem Thema entlang der Digitalisate mit begleitenden Videointerviews und vertiefendem Literaturangebot angelegt.
Sie ist der Anlass, diesen wichtigen Museumsbestand der Öffentlichkeit zum Kennenlern en und zum Forschen zu übergeben.
Stundenbücher als modisch-performative Accessoires:
Das Digitalisierungsprojekt und die Ausstellung fokussieren sich auf das Medium Buch als ein ganzheitliches Ereignis zwischen visuellen, haptischen und akustischen Ausdrucksformen im Kontext christlicher Gebetspraxis. In der spätmittelalterlichen säkularen Welt aus Sehen und Gesehenwerden angekommen, steigerten sie sich zu dem beliebtesten Buchtyp jenseits der Klöster. Um die eigene Gottesfurcht zugunsten der Vorsorge für das
himmlische Seelenheil im städtischen Zusammenleben zu demonstrieren, wurden die illuminierten Gebetsbücher zu hochexklusiven sowie repräsentativen Luxusobjekten: Sie wurden zu modisch-performativen Accessoires im Wechselspiel von Sehen und Gesehenwerden. Dabei bilden Bücher aufgrund ihrer Verbindung aus Handlichkeit und Behältnis eine Anregung für exklusives Handtaschendesign, wie es die Namen Jil Sander oder Kostas Murkudis belegen. Als solche sind sie zugleich eine Fortsetzung des mittelalterlichen Brauchs, sie wegen ihres intimen Formats als Accessoire in Gestalt eines Beutels am Gürtel zu tragen.
Stundenbuch und Smartphone:
Bereits der Verweis auf die Praxis der Smartphones eröffnet ein neues Vorstellungspotenzial hinsichtlich der Vergleichbarkeit zwischen den Epochen. Dies betrifft sowohl die mediale Rolle von Stundenbüchern als auch von Smartphones in ihrer Eigenschaft, nicht nur Lebensbegleiter an der Schnittstelle zwischen kommunikativen, text- und bildgebundenen Übergangsstrategien zu sein, sondern auch die täglichen zeitlichen Abläufe zu strukturieren sowie diese prestigerelevant und performativ zum Ausdruck zu bringen. Dabei besticht besonders die Tatsache, dass die Nutzung beider Medien dazu führt, sich gedanklich aus dem unmittelbaren Hier und Jetzt zu lösen, um sich im Geiste einzukapseln. In beiden Fällen ist das die Voraussetzung, um sich mental mit einer anderen Sphäre zu verbinden und in eine Kommunikation außerhalb der örtlichen Unmittelbarkeit einzutreten. Wird mit dem Stundenbuch in der Hand Gott angerufen, so können die Menschen heute über die Smartphones mit der ganzen Welt in einen Austausch treten. Beide beanspruchen das Potenzial zur Imagination, wenn auch jeweils auf unterschiedliche Weise.
Darüber hinaus verfügen sowohl Stundenbücher als auch Smartphones über das Potenzial, in verschiedenen Bereichen einsetzbar zu sein. Die Multifunktionalität beider Medien vollzieht sich unter der Bedingung, gleichzeitig einen komplexen Bedeutungsraum aus verschiedenen Bezugssystemen zu verkörpern, diesen emotional und intuitiv zu erschließen und aus dieser »Allseitigkeit« eine vitale Lebenserfüllung zu schöpfen.
Dass die Nutzer:innen beide Medien über das allseits verfügbare dekorative Element schmückender Ketten als modisch-performatives Accessoires mit dem Körper verbinden können, trägt zu ihrer weiteren Begreifbarkeit bei.
Die Frage nach dem Wert:
Ein weiteres Thema umfasst den Kunsthandel, der illuminierte Handschriften als hochpreisige Sammlerstücke vertreibt und damit die Frage nach dem gegenwärtigen Wert der Kodizes stellt. Es wird konkret mit dem Maßstab der Kostbarkeit im Rahmen unserer aktuellen Geldwirtschaft agiert. Wie entsteht der Wert von Dingen, für die Menschen bezahlen, und wie viel von was aus ihrem Leben sind sie zu investieren bereit? Damit ist die Frage gestellt, was Wert bedeuten kann, und im Verhältnis zu dem Umstand, dass Stundenbücher als illuminierte Handschriften die kostbarsten Gegenstände ihrer Zeit waren.
Die Ausstellung wird von 12 x 12 Minuten langen Videointerviews begleitet: Dr. Stefan Soltek (Was ist das Besondere an den illuminierten Handschriften der Linel Sammlung des Museum Angewandte Kunst?), Dipl. Rest. Barbara Hassel (In welchem Zustand sind die Handschriften des Museum Angewandte Kunst?), Dr. Beatrice Alai (Wo in der Welt lassen sich die Fragmente der zerschnittenen Bücher heute finden?), Prof. Dr. Jochen Sander (Warum kommen in der Malerei des Spätmittelalters so v iele Bücher vor?), Gerhard Wiesheu (Wie entsteht Wert heute?), Ata Macias (Wie beteiligt sich Mode an der aktuellen urbanen Kultur?), Jochem Hendricks (Wie wesentlich ist das Glauben in der Kunst?), B. Dorothea Strauss, M.A. (Was bestimmt den Wert von Kunst?), Dr. Peter Gorzolla (Wie können wir uns das Verhältnis zwischen Luxusentsagung und Luxusdemonstration im Spätmittelalter vorstellen?), Prof. Dr. Kristin Böse (Wie lassen sich illuminierte Handschriften als Kunst heute und als Medium damals erklären?), Dr. Johanna Scheel (Was passierte im Spätmittelalter beim Beten mit einem Buch in der Hand?), Pfarrer Andreas Hoffmann (Wie funktionieren Stundenbücher?). Anlässlich der Ausstellung ist der Concept Store MARIA aus der Fahrgasse zu Gast, um zwischen Stadt- und Museumserlebnis zu vermitteln und die Besuchenden auf die Frage, warum die Stundenbücher die teuersten Objekte ihrer Zeit waren, praktisch einzustimmen. Beim Übergang von außen nach innen, beim Betreten des Foyers entlang seiner verglasten Rotunde, empfangen uns Vitrinen mit Leuchten, Taschen, Notizbüchern, Stiften und Handyketten aus dem Fashion-Bereich in unterschiedlichen Preissegmenten. Über das potenzielle Begehren, diese modischen Accessoires besitzen zu wollen, beginnt eine atmosphärische Einstimmung auf die Ausstellung. In Anlehnung an christliche Symbolpraxis, ist das Sortiment Tag und Nacht einsehbar. Gekauft werden kann es jedoch nur sonntags zwischen 14 und 17 Uhr und zu besonderen Museumsanlässen.
Die Ausstellung wird gefördert von der Hessischen Kulturstiftung.
Kuration: Dr. Eva Linhart, Leiterin Buchkunst und Grafik, mit Francesco Colli, M.A. und Sandra
Doeller (Design)
100 Jahre Das Neue Frankfurt
Im Jahr 2025 begeht das Neue Frankfurt seinen 100 Geburtstag. Und dies ist der Anlass, jener Gestaltungsmoderne am Main in den 1920er-Jahren des letzten Jahrhunderts nicht nur zahlreiche Ausstellungen auszurichten, sondern mit ihren vielfältigen Themenbereichen als Grundstein für das kulturelle Großprojekt World Design Capital Frankfurt RheinMain 2026 die Gegenwart und Zukunft des Gestaltens unserer Gesellschaften zu befragen. Das Museum Angewandte Kunst in Frankfurt am Main richtet daher den Großteil seines Jahresprogramm 2025 auf dieses Jubiläum aus und bildet um einen Kern, einem Mittelpunkt zur Erklärung dessen, was das Neue Frankfurt war, ein sich in den Themen veränderndes,
durch die Räumlichkeiten, die Außenflächen und die Stadt mäanderndes Ausstellungs – und Veranstaltungsprogramm.
Was war das Neue Frankfurt?
Kernfragen zum Stadtplanungsprogramm der 1920er Jahre
9. Mai 2025 bis Januar 2026
Eröffnung: Donnerstag, 8. Mai 2025, 19 Uhr
Als Kernausstellung, als Initialraum, welcher sich in den Jahren 2025 und 2026 im Zentrum des Museum Angewandte Kunst präsentiert, wird noch einmal gefragt, was das Neue Frankfurt eigentlich war, wer die Protagonist:innen, welche Ideen und Vorbilder dieser Gestaltungsbewegung zu Grunde lagen, welche Kernthemen, und wie diese die Gesellschaft tatsächlich verändert haben, warum hier die Basis für ein Verhältnis von Demokratie und Design/Gestaltung begründet liegt. In diesem Initial-Raum und den dort formulierten Fragen werden jene Pfade angelegt, die zu vertiefenden Ausstellungen im Haus selbst, zu Partnerinstitutionen und in die RheinMain-Region führen; und letztendlich in das Veranstaltungsjahr der World Design Capital Frankfurt RheinMain 2026 hineinreichen und damit von einer aktualisierten Perspektive auf das Neue Frankfurt sowie anderen nationalen wie internationalen Gestaltungsbewegungen, welche immer auch zu veränderten Gesellschaftsmodellen führten, die Rede ist.
Kuratorische Leitung: Grit Weber, Prof. Matthias Wagner K
Yes, we care! Das Neue Frankfurt und die Frage nach dem Gemeinwohl
9. Mai 2025 bis Januar 2026
Eröffnung: Donnerstag, 8. Mai 2025, 19 Uhr
Die Ausstellung Yes, we care! Das Neue Frankfurt und die Frage nach dem Gemeinwohl widmet sich dem Thema der Gemeinwohlpflege und Daseinsfürsorge – ihren Institutionen und Verbänden, ihren Personen, Konzepten und Initiativen in dieser Zeit. Gleichzeitig spannt sie den Bogen zur heutigen Care-Krise, die sich nicht nur in der Debatte über die ungleiche Verteilung von Care-Arbeit zwischen Männern und Frauen, sondern auch im Zugang zu bezahlbarem Wohnraum und der Versorgung der Stadtteile mit Betreuungsangeboten zeigt.
In den 1920er Jahren erhielt Frankfurt am Main durch das forcierte Wohnungs – und Städtebauprogramm eine zukunftsweisende Dynamik. Sie setzt die schon zuvor begonnenen Urbanisierungsprozesse als soziale Stadtentwicklung auf hohem Gestaltungsniveau fort: in
der Gründung und Weiterentwicklung kommunaler Institutionen, wie den Fürsorge -, Sportund Gesundheitsämtern, in einer professionalisierten Jugend- und Krankenfürsorge, in strukturierten Bildungsentwicklungen, die pädagogische Reformen im Schulwesen anstoßen
und auch das Volks-, Frauen- und Berufsbildungswesen jener Jahre mit Räumen und Programmen versorgen und in dem Versuch, durch Zentralwäschereien und -heizungen die häusliche Arbeit zu vereinfachen.
Ernst May formulierte es wie folgt: „Die Erhaltung der menschlichen Gesundheit, als des kostbarsten Gutes einer Stadt, hat aber alle Verwaltungsmaßnahmen zu beeinflussen.“
Care-Arbeit gestern und heute: Welche Institutionen, Initiativen und Konzepte in Bildung, Haushalt, Soziales und Gesundheit gab es vor 100 Jahren und haben auf das Leben gewirkt? Welche aktuellen Ansätze lösen die jetzige Care-Krise? Die Ausstellung Yes, we care! präsentiert Objekte, Texte, Fotografien, Film- und Audiobeiträge aus den Bereichen Bildung, Haushalt, Soziales und Gesundheit der 1920er Jahre und verbindet die Erscheinungen mit den aktuellen Erfahrungen sowie Fragen an unsere globale Zukunft.
Die Ausstellung wird gefördert vom Kulturfonds Frankfurt Rhein-Main, vom Amt für Jugend und Soziales, von der Speyer’sche Hochschulstiftung und der Stiftung Polytechnische Gesellschaft.
Außerdem findet sie in Kooperation mit der BTU Cottbus Senftenberg, FB Architektur; der Universität Kassel, FG Architektur, Stadt, Ökonomie sowie mit dem Forschungsprojekt Jüdische Pflegegeschichte am FUAS, Frankfurt statt.
Kuratorin: Grit Weber
KSP Engel
19. September 2025 bis 18. Januar 2026
Eröffnung: Donnerstag, 18. September 2025, 19 Uhr
Im September 2025 präsentiert das Museum Angewandte Kunst eine Ausstellung, die Einblicke in die Philosophie und Arbeitsweise des Frankfurter Architekturbüros KSP Engel gibt.
Die Ausstellung reflektiert vor dem Hintergrund des Neuen Bauens im Neuen Frankfurt relevante Fragestellungen unserer Zeit, auf die KSP Engel innovative Antworten gefunden hat. Dazu gehören unter anderem die nachhaltige Sanierung von Hochhäusern, die Entwicklung effizienter und flexibler Grundrissstrukturen, die Integration von Gebäuden in bestehende, gewachsene Strukturen oder deren bewusste Transformation zur Schaffung urbaner Netzwerke und Räume. Im Mittelpunkt steht dabei immer die Frage, wie Architektur Identität stiften und fördern kann.
Zwei Themen werden in der Ausstellung besonders betrachtet:
Stadt – Ressource und Transformation KSP Engel betrachtet die Stadt als wertvolle Ressource, die durch nachhaltige Planung und Transformation optimal genutzt werden kann. Die Ausstellung soll zeigen, wie bestehende Bausubstanz erhalten, neu interpretiert und in lebendige Strukturen integriert werden kann. Dabei stehen die Identität des Ortes, hybride Nutzungskonzepte und grüne Räume im Fokus, die urbane Netzwerke ergänzen und die Lebensqualität steigern. Zudem wird gezeigt, wie Erdgeschosszonen geöffnet und städtisches Leben ins Gebäude integriert werden können, um Verbindungen zwischen Architektur und Stadt zu stärken und resiliente Strukturen für kommende Generationen zu schaffen. Hochhaus – Sanierung und Nachhaltigkeit
KSP Engel zeigt seine Expertise in der Sanierung und Revitalisierung von Hochhäusern. Die Ausstellung veranschaulicht, wie energetische Verbesserungen, innovative Fassadensanierungen und nachhaltige Umgestaltungen bestehende Gebäude zukunftsfähig machen, ohne deren ursprüngliche Identität zu verlieren. Die Erfahrungen des Büros, insbesondere im Bereich der Fassadensanierung, werden seit über zwei Jahrzehnten erfolgreich auch auf andere Gebäudetypen wie Bürogebäude angewendet.
Die Ausstellung lädt dazu ein, die Herangehensweise des Büros im Detail zu erkunden und ihre Relevanz für die aktuelle Diskussion zu beleuchten.
Jazzklub Frankfurt 2025 (AT)
26. September bis 21. Dezember 2025
Eröffnung: Donnerstag, 25. September 2025, 19 Uhr
Ab Spätsommer/Herbst 2025 präsentiert das Museum Angewandte Kunst unter dem Arbeitstitel Jazzklub Frankfurt 2025 ein hybrides Ausstellungs- und Konzertprojekt, das als Anknüpfung an die besondere und vielfältige Geschichte des Jazz in Frankfurt am Main
konzipiert ist.
Initiativen, Netzwerke, Institutionen, Vereine, Clubs und die Protagonist:innen der Jazz – Szene, die derzeit den Jazz im Kulturleben Frankfurts und der RheinMain-Region erfolgreich realisieren und verankern, sollen sicht- und hörbar werden, sollen die Möglichkeit bekommen, gemeinsam das Ausstellungs- und Programmprojekt zu gestalten und einmalige kollaborative Projekte umsetzen zu können. Video- und Audioaufnahmen, Dokumente, Exponate und Grafik aus beinahe 100 Jahren Frankfurter Jazz-Geschichte sowie interaktive und partizipative Installationen und Workshops sollen die Beschäftigung mit dem Thema Jazz, den Topographien dieser Musik und den Musiker:innen ermöglichen, aber auch zum Musikmachen anregen. Ein mehrteiliges Musikprogramm mit internationalen Gastmusiker:innen („Internationale Größen“) über das weite Spektrum des Jazz („Around Jazz“) hinweg, Auftrittsmöglichkeiten für Studierende und Amateur-Musiker:innen im Jazzklub („New Generation“) sowie Tanzevents, Panels und Programme für Kinder und Jugendliche sollen zeigen, was der Zusammenschluss verschiedener Kräfte in einer Kunst- und Kulturstadt wie Frankfurt am Main bewirken kann.
Gemeinsam mit einer Vielzahl engagierter Akteur:innen, Institutionen und dem Publikum in Frankfurt am Main und der RheinMain-Region soll die Bedeutung des Jazz zwischen Vergangenheit und Zukunft ausgelotet und zelebriert werden.
Die Ursprünge des Jazz bahnten sich bereits im ausgehenden 19. Jahrhundert mit zahlreichen Gastspielen und Auftritten afroamerikanischer Ensembles in Aufführungsstätten wie dem Kristallpalast, im Behaghel’schen Haus oder im Albert-Schumann-Theater ihren Weg in die Frankfurter Gesellschaft. Diese Begeisterung schlug sich bis in die 1920er Jahre in zahlreichen Programmen, Cabaret- oder Café-Bühnen nieder. Bestimmten zunächst Gospelchöre, Musikshows und Ragtime-Pianisten den neuen Sound, so brachten die Swing Bands aus New Orleans tanzbare Musik in deutsche Großstädte wie Berlin, Hamburg und eben auch Frankfurt.
Offen für die Akzeptanz und Förderung der Neuen Musik in Frankfurt war insbesondere Oberbürgermeister Ludwig Landmann, der im November 1926 zusammen mit Otto Sutter, dem Direktor der Frankfurter Messe, den Anstoß für die 1927 drei Monate dauernde Weltausstellung Musik im Leben der Völker auf dem Messegelände gab.
Alle Informationen: Museum angewandte Kunst