
Anlässlich seines 70-jährigen Bestehens präsentierte der BBK Wiesbaden eine große Jubiläumsausstellung unter dem Titel „Lauf der Zeit“, die vom 29. Juli bis zum 7. August 2025 im Foyer des Wiesbadener Rathauses zu sehen war.
Die feierliche Vernissage fand am Dienstag, den 29. Juli 2025, um 19 Uhr statt. Zur Eröffnung begrüßten die 1. Vorsitzende des BBK Wiesbaden, Frau Springer-Hinze und Oberbürgermeister Gert Uwe Mende die Gäste, gefolgt von einer Einführung durch den Kurator der Ausstellung Dr. Peter Forster, Kustos der Alten Meister am Museum Wiesbaden. Für eine sehr gelungene musikalische Begleitung sorgte der Künstler Massoud Darya auf der Gitarre.
Gezeigt wurden Werke von über 40 Künstlerinnen und Künstlern aus den Reihen des BBK Wiesbaden – darunter Malerei, Skulptur, Fotografie, Druckgrafik sowie interdisziplinäre Positionen. Die Ausstellung spannte einen künstlerischen Bogen von den Gründungsjahren 1955 bis hin zu zeitgenössischen Ausdrucksformen und zeigte eindrucksvoll die Vielfalt und Entwicklung bildender Kunst in Wiesbaden über sieben Jahrzehnte hinweg.
Grußwort Gert-Uwe Mende

Oberbürgermeister Gerd Uwe Mende sagte, es sei ihm eine große Freude, heute hier zur Eröffnung der Jubiläumsausstellung des BBK Wiesbaden zu sprechen. „Über 40 Künstlerinnen und Künstler zeigen in dieser Ausstellung eine beeindruckende Vielfalt an Werken – darunter Malerei, Skulptur, Fotografie und Druckgrafik und auch spielerische oder interdisziplinäre Ansätze.“ Die Ausstellung spiegelte das breite künstlerische Spektrum des BBK wider und trüge wesentlich dazu bei, „unsere Kunstszene sichtbarer zu machen – mitten in Wiesbaden, mitten in unserer Stadt.“, so Mende.
Ihm sei es immer wichtig zu betonen: „Das Rathaus ist nicht das Haus des Oberbürgermeisters, nicht das Haus der Stadtverordneten – es ist das Haus der Bürgerinnen und Bürger. Ein Ort für alle. Und genau deshalb ist es auch ein Ort der Kultur. Solche Ausstellungen machen das spürbar. Das Rathaus steht offen – nicht nur administrativ, sondern auch künstlerisch. Jede und jeder kann hereinkommen, sich umschauen, sich inspirieren lassen. Barrierefrei, zugänglich, zentral – im Herzen der Stadt.
„Hier im Rathaus zeigen wir das, was das Herz dieser Stadt wirklich ausmacht: die Menschen, die Kultur, die kreative Vielfalt. Ich war schon in der Ausstellung unterwegs – und ich kann Ihnen sagen: Es lohnt sich. Die gezeigten Werke sind bemerkenswert – sie dokumentieren nicht nur künstlerisches Können, sondern auch die Freiheit des Denkens und Ausdrucks, die in unserer Gesellschaft so kostbar ist“, sagte der Oberbürgermeister und lud alle ein, auch Freunde, Nachbarn und Kollegen zur Ausstellung mit ins Rathaus zu bringen. . „Nehmen Sie sich Zeit. Lassen Sie die Werke auf sich wirken.“
Mein herzlicher Dank gilt dem BBK Wiesbaden für die Realisierung dieser Ausstellung – und ganz besonders Frau Springer-Hinze für ihre engagierte Arbeit. Den Künstlerinnen und Künstlern wünsche ich, dass ihre Werke ein offenes und interessiertes Publikum finden – und dass die Ausstellung ein ebenso positives Echo auslöst, wie sie es verdient. Schön, dass Sie da sind – und viel Freude mit der Ausstellung „Lauf der Zeit“.
„Einführung“ von Dr. Peter Forster

In seiner Einführung machte Peter Forster auf sein Dilemma als Kurator, nicht alle 40 gezeigten Werke, die zum Teil auch des begrenzten Platzes wegen nur partiell gezeigt würden, nicht einzeln besprechen zu können, „Es waren schlichtweg zu viele Positionen. Wenn ein besonders eindrucksvoller Name unter den Künstlern sei, wie zum Beispiel „Daniel“, nehme dieser allein bereits viel Raum ein. Wenn dann noch eine Serie mit 14 Arbeiten gezeigt werde, die in ihrer Gesamtheit wahrgenommen werden müssten, stoße man an räumliche Grenzen – insbesondere im Rathaus, das man zwar ehre und schätze, das jedoch nicht jede Arbeit gleichwertig präsentieren könne. Deswegen sage ich auch: Man sollte sich bewusst machen, dass man selten allen gerecht werden kann. Und gerade das führt oft zu Unmut – gerade bei Gruppenausstellungen“, bat Forster für Verständnis die Sache anders anzugehen.
„Wir mussten also strukturell an die Sache herangehen: Achsen legen, Zusammenhänge auflösen, bestimmte Dinge herausziehen – ganz im Sinne eines zeitlichen Blicks. Das heißt, wir präsentieren nun eine Woche lang einige Arbeiten in einer Form, die nicht vollständig sein muss. Deswegen sage ich auch: Man sollte sich bewusst machen, dass man selten allen gerecht werden kann. Und gerade das führt oft zu Unmut – gerade bei Gruppenausstellungen.

In solchen Momenten zieht man sich als Verantwortlicher am besten zurück, weil man seinen Job gemacht hat – im Reinen mit sich ist. Aber es gibt immer Gesprächspartner, es gibt immer noch Nachfragen, Diskussionen. Dann heißt es schnell: „Das wollte ich mir nicht geben“ – und trotzdem ist man noch da, wie ich jetzt auch“, so Forster.
Ursprünglich, so der Laudator weiter, sei er von der Jury gebeten worden, ein Grußwort zu sprechen – „ein Format, das normalerweise kurz, knackig, präzise ist. So, wie es der Oberbürgermeister gerade vorgemacht hat. Aber dann kam die Einladung. Da stand nichts von einem Grußwort – sondern von einer Einführung.“
Mit über 40 künstlerischen Positionen sei es jedoch schwierig, der Komplexität gerecht zu werden. Eine gängige Methode sei, sich drei Lieblingsarbeiten herauszunehmen, diese ausführlich zu beschreiben – während die übrigen 37 unter den Tisch fielen. Das sei jedoch ein bekanntes Dilemma von Gruppenausstellungen: :“Jeder will den besten Platz. Jeder sieht sich als den Wichtigsten“.
Und jetzt sollte er gar „diese 40+ Positionen noch erklären? Sie auseinander dividieren, in Fotografie, Installation, Malerei, Zeichnung, Performance? Das alles in Worte fassen?“ Das ginge nicht, so der Laudator, „ zumindest nicht sinnvoll in diesem Format.“
Aber die Besucher seinen ja mit einer ganz bestimmten Erwartung zur Eröffnung der Jubiliäums-Ausstellung 70 Jahre BBK ins Rathaus gekommen. „Wenn Sie zu einer Ausstellung kommen, bekommen Sie nicht nur Kunst – Sie bekommen auch Kunstgeschichte. Auch wenn nur gerafft. Auch in kurzer Form.“, löste Forster sein „Einführungs“-Dilemma, mit seinem amüsanten „Ausflug“ in die Kunstgeschichte.

Die Darstellung von Zeit, wie hier in der Ausstellung 70 Jahre BBK „Im Lauf der Zeit“, sei ja seit jeher Teil der Menschheitsdarstellung. „Fangen wir in der Antike an: Römische Senatoren, oft sehr jung, ließen sich als alte Männer darstellen – mit fallenden Wangen und Falten auf der Stirn. Nicht aus Eitelkeit, sondern um zu zeigen, dass sie durch Sorge um den Staat gealtert seien. Das war Bildsprache mit politischer Aussage.“, holte Forster weit aus.
Ein weiteres Beispiel, so Forster, sei Tizians berühmte Allegorie der Zeit: Drei Männer – ein junger, ein erwachsener und ein alter Mann, letzterer Tizian selbst – stehen für Generationenfolge, Machtweitergabe und Vergänglichkeit. Es gehe in dieser Darstellung weniger um Tod als um politische Stabilität und dynastische Kontinuität.
Im 17. Jahrhundert dann gewinne das Vanitas-Motiv an Bedeutung. Die Darstellung der Vergänglichkeit mit Symbolen wie verwelkten Blumen, toten Insekten, verlöschenden Kerzen – und insbesondere mit dem Schädel – sei ein zentrales Motiv. Der Schädel, so Forster, sei eine besonders eindrückliche und universell verständliche Form, um über Zeit und Endlichkeit zu sprechen. „Wer über Zeit und Endlichkeit sprechen will, kommt daran nicht vorbei. Auch ich habe mir im Museum sagen lassen: ‚Ich brauche einen Schädel!‘ – und bekam einen.

Von dort führte Forster seine begeisterten Zuhörer in die kunstgeschichtliche Gegenwart anhand dreier weiterer exemplarischer Werke:
Erstens Marina Abramovićs berühmte Performance The Artist Is Present, die 2010 im Museum of Modern Art in New York stattfand. Die Künstlerin saß dabei täglich sieben Stunden regungslos auf einem Stuhl und blickte schweigend in die Augen von Besucher, die nacheinander auf einem gegenüberliegenden Stuhl Platz nahmen. Zeit wird körperlich spürbar – ähnlich wie an einer Bushaltestelle, nur eben radikal intensiviert. Die Performance dauerte drei Monate und zog über 800.000 Besucher an.
Zweitens griff Forster das Beispiel der zwei Uhren des kubanischen Künstler Félix González-Torres auf, der die „gemeinsame Zeit mit seinem Partner“ in synchron laufenden Uhren darstellte. Doch der Partner erkrankte – die Uhren liefen nicht mehr gleich. Zeit begann zu divergieren, wurde subjektiv, zerbrach – eine sehr persönliche, sehr poetische Darstellung, so Forster.
Als Finale seines kunstgeschichtlichen Galopps durch die Darstellungen von „zeitlicher Vergänglichkeit“ beschrieb Forster das Werk Today Series des japanische Konzeptkünstler On Kawara. Er wurde seine auch Date Paintings genannte Werkserie, die er von 1966 bis 2014 schuf. Täglich malte Kawara das jeweilige Datum auf eine Leinwand. Wurde das Werk nicht am selben Tag vollendet, zerstörte er es. Es war eine Praxis der Selbstvergewisserung, ein minimalistischer Beweis: „Ich war da. Ich habe diesen Tag erlebt.“ Mit diesen Werken sei, so Forster, eine Reise durch die Darstellung von Zeit in der Kunstgeschichte vollzogen – von der Antike bis in die Gegenwart.
„Damit“, erklärte er abschließend, „sei auch die Einladung zur Ausstellung eingelöst“. Er ermutigte die Anwesenden, sich eine Woche Zeit zu nehmen, die Werke auf eigene Faust zu erkunden – selbst wenn nicht jedes Objekt sofort sichtbar sei.
Zum Schluss wünschte Peter Forster dem Publikum einen schönen Abend und dem BBK – dem Bund Bildender Künstlerinnen und Künstler – weiterhin viel Erfolg: auf 70 Jahre Zusammenarbeit, vielleicht sogar auf 100 Jahre. Es gehe um Sichtbarkeit, Zusammenhalt und gegenseitige Stärkung – heute mehr denn je.
(Diether von Goddenthow /RheinMainKultur.de)