Eine der wichtigsten Erneuerungsbewegungen im europäischen Kino der 1960er Jahre bringt das Kino des Deutschen Filmmuseums im August auf die Leinwand: Gezeigt werden Werke der Tschechoslowakischen Neuen Welle
Die vorübergehende Aufhebung der Zensur in der Tschechoslowakei in den 1960er Jahren ermöglichte es Filmemachern, gesellschaftskritische Stoffe aufzugreifen. Beeinflusst von Bewegungen wie der Nouvelle Vague und dem italienischen Neorealismus entstanden stilistisch sehr unterschiedliche Werke, denen ihre große Experimentierfreudigkeit gemein ist. Vor allem die tschechischen Regisseure wie Miloš Forman oder Jiøí Menzel wurden international bekannt. Die Reihe würdigt hingegen die slowakischen Beiträge von Peter Solan, Štefan Uher oder Juraj Jakubisko.
Dienstag, 2. August, 18 Uhr
SLNKO V SIETI Sonne im Netz
CSSR 1962. R: Štefan Uher
D: Marián Bielik, Jana Beláková, Andrej Vandlík. 90 Min. 35mm. OmU
Gemeinhin als Ausgangspunkt der Neuen Welle geltend, öffnete dieser Film die Tür für ein freieres, von Konventionen gelöstes Kino in der Tschechoslowakei. Im Mittelpunkt steht ein junges Paar, dessen Liebe auf die Probe gestellt wird, als Oldrich zum Arbeiten in ein Sommercamp muss. Während der Trennung machen sowohl er als auch seine Freundin Bela neue amouröse Bekanntschaften. Der Film entwickelt dank seiner innovativen formalen Gestaltung eine lyrische Qualität. Regisseur Štefan Uher beweist eine große Sensibilität für Stimmungen und Atmosphäre, besonders in der grandiosen Sequenz um die titelgebende Sonnenfinsternis.
Dienstag, 9. August, 18 Uhr
BOXER A SMRT‘ Der Boxer und der Tod
CSSR 1962. R: Peter Solan
D: Štefan Kvietik, Manfred Krug, Valentina Thielová. 112 Min. 35mm. OmU
In einem Konzentrationslager kämpft der slowakische Amateurboxer Ján Komínek ums nackte Überleben. Er soll wegen eines Fluchtversuchs hingerichtet werden, doch Lagerkommandant Kraft, selbst einst Boxer, zeigt sich gnädig, weil er Komínek braucht – als Sparringspartner. Komíneks Dilemma: Wie lange erträgt er es, als lebender Sandsack missbraucht zu werden, und was passiert, wenn er den Kommandanten im Kampf besiegt? Der Horror ständiger Lebensbedrohung bildet den Hintergrund eines klugen und intensiven Films, der mit großem Gespür für Sprache und Tongestaltung arbeitet.
Dienstag, 16. August, 18 Uhr
ORGAN Die Orgel
CSSR 1964. R: Štefan Uher
D: František Bubík, Irma Bárdyová, Kamil Marek. 99 Min. 35mm. OmU
Ein polnischer Deserteur findet im Zweiten Weltkrieg in einem slowakischen Franziskanerkloster Unterschlupf. Als Orgelspieler bringt ihm seine außerordentliche musikalische Begabung die Bewunderung der Glaubens-gemeinde ein, doch auch in dieser Gemeinschaft sind Konkurrenzdenken und Spitzelwesen nicht fern. In schwarzweißen CinemaScope-Kompo-sitionen entfaltet sich eine Parabel über Spiritualität und Scheinheiligkeit. Ende der 1960er Jahre fiel der Film der Zensur zum Opfer, weil sich die Gesellschaftskritik darin allzu leicht auf die Gegenwart übertragen ließ.
Dienstag, 23. August, 18 Uhr
DRAK SA VRACIA Der Drache kehrt zurück
CSSR 1967. R: Eduard Grecner
D: Radovan Lukavský, Gustáv Valach, Emília Vášáryová. 78 Min. 35mm. OmU
DRAK SA VRACIA ist eine Ballade auf den Freiheitswillen des Einzelnen und zugleich eine genaue Beschreibung des ländlichen Lebens mit seinen Härten und Unwägbarkeiten. Orientiert am Nouveau Roman, mit einem starken Augenmerk auf Objekte und Texturen, erzählt Eduard Grecner von einem Verbannten, der in einem Konflikt ein Auge verloren hat und heimkehren möchte in sein Dorf. Die Einheimischen begegnen ihm argwöhnisch, seine Geliebte heiratete einen Anderen, und eine unterschwellige Angst vor Rache geht im Dorf um …
Dienstag, 30. August, 18 Uhr
VTÁCKOVIA, SIROTY A BLÁZNI Vögel, Waisen und Narren
CSSR/Frankreich 1969. R: Juraj Jakubisko
D: Philippe Avron, Magda Vášáryová, Jirí Sýkora. 78 Min. 35mm. OmU
Ein alter Narr und ein junges Paar leben in einem Abrisshaus. Vor den Verrücktheiten ihrer Zeit haben sie sich in die Welt ihrer anarchisch-blühenden Phantasie zurückgezogen. Dort sind die Grenzen von Traum und Wirklichkeit, von Geschichte und Gegenwart, von Liebessehnsucht und Todesnähe karnevalesk aufgehoben. Juraj Jakubiskos Film ist der Klassiker unter den slowakischen Filmen der Neuen Welle. Er ist geprägt von assoziativen Bild- und Erzählstrukturen, die sich zu einer Collage gleichnishafter Szenen mit grotesker, ironischer, aber auch tödlich ernsthafter Tonlage verdichten.
Kino-Programm im Filmmuseum für den Monat August
SONDERAUSSTELLUNG:
DIE KUNST VON AARDMAN. WALLACE & GROMIT, SHAUN DAS SCHAF & CO
Ausstellung und Begleitprogramm
12. Juni bis 30. Oktober 2016
Deutsches Filminstitut – DIF e.V.
Deutsches Filmmuseum
Schaumainkai 41
60596 Frankfurt am Main
www.deutsches-filminstitut.de | www.deutsches-filmmuseum.de
www.filmportal.de | www.europeanfilmgateway.eu