Neue Ausstellung im Historischen Museum Frankfurt
16. Mai bis 13. Oktober 2019
Frankfurt Jetzt!
Neues Ausstellungshaus, Ebene 3
„Wie wohnen die Leute?“ wurde am gestrigen Abend im Historischen Museum Frankfurt als letzte der drei großen Bauhaus-Ausstellungen 2019 eröffnet, die sich anlässlich 100 Jahre Bauhaus mit dem Frankfurter Stadtplaner Ernst May und seiner Zeit des Aufbruchs in die neue Moderne beschäftigen. Nach „Moderne am Main“ (19. Januar bis 14. April) im Museum Angewandte Kunst und „Neuer Mensch, neue Wohnung“ (23. März bis 18. August) im Deutsche Architekturmuseum zeigt das Historische Museum in seiner durch das hauseigene Stadtlabor partizipartiv entwickelten Ausstellung die Ergebnisse der „Umfrage“ wie die Leute heute in den in die Jahre gekommenen, zum Teil privatisierten, energetisch aufgerüsteten, teilweise sanierten oder entsprechend ihrer gewandelten Lebensbedürfnisse umgebauten (angepassten) Wohnungen leben.
Wie es in einer Pressemeldung des Hauses heißt, entstanden in Frankfurt zwischen 1925 und 1930 um die 15.000 neue Wohnungen. Dieses große Stadtplanungsprogramm war Teil des Neuen Frankfurt. Akteur*innen aus Kunst, Kultur, Politik, Architektur und Städtebau arbeiteten interdisziplinär zusammen, um eine moderne Großstadt zu gestalten.
Das Stadtlabor, die partizipative Ausstellungsreihe des Historischen Museums Frankfurt, konzentriert sich auf dieses städtebauliche Programm und fragt, wie das Leben heute in den Siedlungen des Neuen Frankfurt aussieht. Die Bewohner*innen kommen zu Wort und geben Einblicke in ihren Alltag. Die Ausstellung ist das Ergebnis eines partizipativen Prozesses, der im Frühling 2018 begann. In fünf Workshops wurden die Ausstellungsbeiträge und das Rahmenprogramm gemeinsam entwickelt. Dazu war das Stadtlabor-Team im Sommer 2018 in 19 Siedlungen und Wohnhausgruppen des Neuen Frankfurt zu Gast.
Die Ausstellungsarchitektur orientiert sich an den typisierten Wohnungsgrundrissen des Neuen Frankfurt. Sie vermitteln den Besucher*innen einen räumlichen Eindruck der standardisierten Wohnungen. Ausgestattet mit den Beiträgen der Stadtlaborant*innen und ergänzt mit Objekten aus der Sammlung des HMF, bieten sie die Präsentationsfläche für vier Themen. In jedem dieser vier Themenbereiche werden die grundlegenden Ideen der damaligen Akteure des Neuen Frankfurt für den Wohnungsbau vorgestellt. Die Beiträge der Stadtlaborant*innen zeigen auf, wie diese Ideen heute noch weiterleben. Die in diesem Spannungsfeld zwischen Gestern und Heute entstehenden Fragen regen die Ausstellungsbesucher*innen zu einem Gedankenspiel an: Was sollte bei der zukünftigen Stadtentwicklung bedacht werden? Wie wollen wir wohnen?
Tour durch die Ausstellung
1. Wohnen in der Siedlung
EFATE (Einfamilienhaus mit Dachterrasse )
Licht, Luft und Sonne versprach der moderne Städtebau den Bewohner*innen der Siedlungen. Historische Luftbilder und die Aquarelle von Hermann Treuner illustrieren diese drei Versprechen. Treuners Aquarelle vermitteln ebenfalls die von den Akteuren des Neuen Frankfurt gestaltete Farbgebung der Häuser. Ansichtskarten zeugen von einem regen Interesse an den Siedlungen, sie waren sowohl im Bau als auch nach ihrer Fertigstellung beliebte Fotomotive. Die Architektur des Neuen Frankfurt wird gerne als „zeitlos“ bezeichnet, doch die Zeit ging nicht spurlos an den Siedlungen vorüber. Bewohner*innen prägen das Erscheinungsbild der Siedlungen, indem sie diese immer wieder ihren Bedürfnissen und Vorstellungen anpassen. Dabei werden die Spannungsfelder zwischen Stadt und Natur, zwischen Denkmalschutz und Eigenbau, zwischen Miete und Eigentum sowie zwischen der Bedeutung des öffentlichen Nahverkehrs und der Auseinandersetzung mit dem eigenen Wohnumfeld sichtbar. Am Umbau der Frankfurter Küchen wird zudem deutlich, wie sich die Bewohner*innen die serielle Architektur angeeignet und sie für ihren Gebrauch verändert haben. 1947 kam es in der Siedlung Westhausen zudem zur Umbenennung von Straßen. Die Auseinandersetzungen mit dem Gebrauch der Siedlungen werfen Fragen auf: Wer entscheidet über den Bau und die Gestaltung von Neubaugebieten? Wie sollten sie in Zukunft aussehen? Eine partizipative Station ermöglicht es den Besucher*innen, ihre Forderungen einzubringen.
2. Nachbarschaft
MEFA (Mehrfamilienhaus) und KLEINGARTENLAUBE
Die Siedlungen sollten als Lebensräume für die Bewohner*innen dienen und waren mit allen für das alltägliche Leben notwendigen Einrichtungen ausgestattet. Neben Kindergärten und Einzelhandel entstanden auch Gärten und Spielplätze, ebenso Dachterrassen und Grünanlagen. Letztere waren als erweiterter Lebensraum für Einzelne sowie für die Gemeinschaft geplant und sollten die Verbindung zwischen privaten und öffentlichen Räumen herstellen. Die Gärten dienten als Erholungsfläche und zur Versorgung.
Bewohner*innen berichten vom gesellschaftlichen Wandel in den Siedlungen: Auf einem ehemaligen Kleingartengelände entstand ein Wildgarten als selbstorganisierter und betreuter Spielplatz. Ein weiterer Beitrag setzt sich mit dem Wohnen im Alter auseinander. Bewohner*innen der Henry und Emma Budge-Stiftung geben Einblicke in das Leben in der Seniorenanlage. Eine Kleingartenlaube gewährt Einblicke in die Nutzung der Gärten: Vom Selbstversorgungs- zum Wellnessgarten in Praunheim bis hin zu einem Handsähgerät, das ein stummer Zeuge des wirtschaftlichen Wandels in der Gärtnersiedlung Teller ist. Der Familienbetrieb, aus dem es stammt, befindet sich in Auflösung. Auch der ursprüngliche Zweck der Gärtnersiedlungen, eine stadtnahe Versorgung mit frischem Obst und Gemüse zu ermöglichen, scheint zunehmend verloren zu gehen. Wofür wollen wir Grünflächen und Gärten künftig nutzen? Als Anbaufläche zur Selbstversorgung? Als Treffpunkte für die Gemeinschaft, als Orte der Erholung? Oder dienen sie dem Ausgleich von CO2 Emissionen?
3. Bezahlbares Wohnen
MEFAGANG (Mehrfamilienhaus, Außengangtyp)
Wohnung für das Existenzminimum
Ernst May plante die Siedlungen in einer Zeit großer Wohnungslosigkeit. In möglichst kurzer Zeit musste neuer, bezahlbarer Wohnraum geschaffen werden. Die Wohnungspolitik orientierte sich an der Gemeinnützigkeit. Wohnungsunternehmen sollten nicht primär profitorientiert handeln, die Miete sollte nicht mehr als ein Viertel des monatlichen Haushaltseinkommens betragen. Fragen zu bezahlbarem Wohnraum in Frankfurt am Main sind heute wieder von zentraler Bedeutung. Politik, Wissenschaft und Bürgerschaft suchen nach passenden Lösungen Ein Abstimmungskasten für den Mietentscheid und ein goldenes Haus aus Pappe – ein Negativpreis, mit dem Aktivitst*innen 2015 Mieterhöhungen kritisierten – zeigen die Forderungen nach mehr gemeinnützigem und bezahlbarem Wohnungsbau. Die Installation „Wir sind nie modern gewesen“ von Eleonora Herder und andpartnersincrime zeigt beginnende Verdrängungsprozesse auf. Dieser dritte Themenraum zeigt exemplarisch das Konzept des Wohnens auf kleinstem Raum und geht der Frage nach, wie viel Platz der Mensch zum Wohnen braucht.
4. Das neue (Um-)Bauen
ZWOFADOLEI (Zweifamilienhaus mit Doppelleitung)
Das Neue Frankfurt war ein großes Bauvorhaben, das nur mit einer äußerst rationalen und effizienten Planung umgesetzt werden konnte. Die Bautechnik wurde von handwerklicher Arbeit auf industrielle Massenproduktion umgestellt. Typisierte und standardisierte Bauelemente kamen zum Einsatz. Die Wohnungsgrundrisse wurden unter Berücksichtigung verschiedenster Ansprüche entworfen, die sich von beruflicher Schichtung, Kinderanzahl und anderen Kriterien ableiteten. Einige Siedlungen stehen heute unter Denkmalschutz, Bewohner*innen wünschten sich jedoch eine individuellere Gestaltung ihrer Wohnräume. In diesem vierten Raum ist das Spannungsfeld zwischen seriellem Wohnungsbau und dem Wunsch nach individueller Gestaltung zentral. Fotografien, Grafiken, Videos und Modelle zeigen die Nutzung und Aneignung durch ihre Bewohner*innen innerhalb der Häuser und an den Fassaden.
Eine Schlafzimmertür aus der Siedlung Römerstadt steht beispielhaft für die Aneignung der standardisierten Einrichtung. Das Originalbauteil wurde in den 1980er Jahren von den Kindern der Bewohner*innen mit Symbolen der Friedens- und Umweltbewegung beklebt. In der Ausstellung ist die Tür erst ab 18. Juni zu sehen – derzeit wird sie in einer anderen Ausstellung gezeigt.
Stadtlabor unterwegs & Stadtlaborant*innen
Das Stadtlabor unterwegs ist die partizipative Ausstellungsreihe des Historischen Museums Frankfurt seit 2010. Zentrales Anliegen dieses Formats ist die multiperspektivische Erkundung der Stadt und ihrer Lebenswelten. In enger Zusammenarbeit mit verschiedenen Gruppen der Stadtgesellschaft entstehen Ausstellungen, die der Information, Reflexion und Diskussion von Themen dienen, die Frankfurter*innen bewegen. Die wichtigste Prämisse der Ausstellungsreihe ist die aktive Teilhabe der Stadtbevölkerung an ihrem Museum und die Integration unterschiedlicher, auch sehr individueller Perspektiven und Sichtweisen auf die Stadt, ihre Geschichte, Gegenwart und Zukunft. Das Stadtlabor-Team arbeitet direkt und intensiv mit den Partizipierenden, um auch jene einzubeziehen, für die ein Museum nicht der erste Ansprechpartner oder Referenzort ist, wenn es um die Reflexion der eigenen Lebenswirklichkeit geht.
Stadtlaborant*innen der Ausstellung „Wie wohnen die Leute?“
Roswitha Väth, Sybille Fuchs (Klimawerkstatt Ginnheim), Initiative Historischer Stadtspaziergang, Jan Jacob Hofmann, Gabriele Klieber, Ulrich Zimmermann, Jens Gerber, Dieter Church, Gertraude Friedeborn, Eleonora Herder (andpartnersincrime), Daniel Ladnar, Lars Moritz, Esther Pilkington und Jörg Thums (irreality.tv), Lilly Lulay, Cäcilia Gernand, Laura J Gerlach, Mobile Albania, Hildegard Kammer, Studierende der Buch- und Medienpraxis (Maren Fritz, Lisa Veitenhansl, Miriam Schumm, Louisa Gröger, Silvia Claus, Alexandra Dehe, Paula Hauch, Katja Schaffer, Anna Speitel, Julia Breitmoser, Laura Genenz, Nele Mascher, Sonja Stöhr, Sandra Zaitsev, Juliane Zipper, Ronja Vogel, Max Seidel, Manuela Splittdorf, Stefan Katzenbach, Kevin-Lukas Velte, Ruth Manstetten, Sophie Ritscher, Isabel Schramm, Katharina Koch und Max Aigner), University of Applied Sciences Frankfurt (Julia Ackermann, Khaled Al Sharif, Matthias Büdinger, Hazal Demirtas, Miral Diab, Philip Dzewas, Julian Glunde, Laura Herzog, Ali Kazemi, Sebastian Kiel, Samantha Martinek, Nicklas Nordquist, Carolin Riffel, Donghwi Shin, Banu Yilmaz und Maren Harnack), Melanie Herber, Wildgarten – Abenteuerspielplatz, Steffen Kleebach, Bewohner*innen Henry und Emma Budge-Stiftung (Myke Findeklee, Ernst-Dietrich Haberland, Heide Lauterbach, Sofia Mann, Renate Rauch, Ute Karen Voigt), Anna Pekala, Kulturkreis Westhausen, BDA Frankfurt (Bund Deutscher Architekten), Harald Etzemüller, Karla Dillmann, Katrin Dillmann, Judith Rosenthal und Sophia Edschmid.
Zur Partizipation im Historischen Museum Frankfurt
Partizipation ist ein Leitgedanke des Historischen Museums Frankfurt. Das HMF entwickelte sich vom Fachmuseum für Geschichte zu einem Museum für die Stadtgesellschaft des 21. Jahrhunderts. Frankfurt ist eine hochgradig von Diversität geprägte Stadt. Wie können Menschen unterschiedlicher kultureller Prägung und Bildung angesprochen werden? Wie kann das Museum für alle Frankfurter*innen da sein, auch für die, deren Geschichte sich nicht nur hier, sondern in vielen Teilen der Welt abspielt? In „Frankfurt Jetzt!“ werden aktive Mitgestaltung und Teilhabe durch partizipative Angebote ermöglicht. Wie lässt sich eine Stadt erfassen? Was macht Frankfurt aus? Und wer ist ein*e Stadt-Expert*in? In „Frankfurt Jetzt!“ arbeitet das Museum auf der Grundlage einer geteilten Expertise und lädt alle 750.000 Frankfurt-Expert*innen ein, die Stadt der Gegenwart zu erfassen und zu beschreiben. In den partizipativen Prozess bringt das Museumsteam die kuratorische und organisatorische Expertise ein. Das Stadtlabor-Team strukturiert und moderiert den Prozess und berät die jeweiligen Co-Kurator*innen dabei, ihre Ideen professionell und ansprechend umzusetzen. Sie wiederum sind die Expert*innen für die Stadt und bringen ihr Wissen über die Stadt bzw. ihre Lebenswelt ein.
Die „Stadtlabor unterwegs-Ausstellungen“ sind das prominenteste partizipative Format des Museums. Seit 2011 sind insgesamt zwölf Ausstellungen entstanden. Die Ausstellung „Wie wohnen die Leute? – Mit dem Stadtlabor durch die Ernst-May-Siedlungen“ ist die 13. Stadtlabor-Ausstellung. Der Ausstellungsraum „Frankfurt Jetzt!“ auf Ebene 3 im neuen Ausstellungshaus bietet eine wandelbare Präsentationsfläche für die Ergebnisse und Erkenntnisse dieser partizipativen Prozesse.
Führungen durch die Ausstellung
Mi, 5.6., um 19 Uhr
Mit Pascal Heß
Mi, 19.6., um 19 Uhr
Mit Aleksandra Sajnikova
Mi, 3.7., um 19 Uhr
Mit Pascal Heß
Sa, 13.7., um 15 Uhr
Mit Roman Schumilow
Mi, 31.7., um 19 Uhr
Mit Pascal Heß
Sa, 10.8., um 15 Uhr
Mit Simone Arians
Mi, 14.8., um 19 Uhr
Mit Pascal Heß
Do, 29.8., um 14.30 Uhr
Stadtgespräch 65plus
Mit Pascal Heß
Treffpunkt: Kassenfoyer
Eintritt: 8€ / 4€ + 3€ Führungsgebühr
Dauer: 60 bis 90 Minuten
Für die Führung ist eine Anmeldung beim Besucherservice des HMF erforderlich:
Information und Anmeldung
Susanne Angetter
Mo – Fr 10.00 – 16.00 Uhr
Tel. +49 (0)69-212-35154
E-Mail: besucherservice@historisches-museum-frankfurt.de
Kuratorinnenführungen
Sa, 15.6., um 15 Uhr
Mit Katharina Böttger und Stadtlaborant*innen
Mi, 17.7., um 19 Uhr
Mit Katharina Böttger und Stadtlaborant*innen
Treffpunkt: Kassenfoyer
Eintritt: 8€ / 4€ + 6€ Führungsgebühr
Dauer: 60 bis 90 Minuten
Für die Führung ist eine Anmeldung beim Besucherservice des HMF erforderlich:
Information und Anmeldung
Susanne Angetter
Mo – Fr 10.00 – 16.00 Uhr
Tel. +49 (0)69-212-35154
E-Mail: besucherservice@historisches-museum-frankfurt.de
Finissage
So, 13. Oktober, 16:00 Uhr
Wie wohnen die Leute?
Mit dem Stadtlabor durch die Ernst-May-Siedlungen
Neue Ausstellung im Historischen Museum Frankfurt
16. Mai bis 13. Oktober 2019
Frankfurt Jetzt!
Ausstellungshaus, Ebene 3
Führungen und Rahmenprogramm
historisches-museum-frankfurt.de/stadtlabor/wie-wohnen-die-leute Besucherservice und Führungsanfragen
Mo – Fr 10 – 16 Uhr
Tel.: 069 212 35154, besucherservice@historisches-museum-frankfurt.de
Weitere Informationen
Historisches Museum Frankfurt
Saalhof 1, 60311 Frankfurt am Main
www.historisches-museum-frankfurt.de