GELIEBT UND VERDRÄNGT Das Kino der jungen Bundesrepublik Deutschland von 1949 bis 1963
Filmreihe von Donnerstag, 28., bis Samstag, 30. April, im Kino des Deutschen Filmmuseums
Geliebt und verdrängt Das Kino der jungen Bundesrepublik Deutschland von 1949 bis 1963 heißt die Retrospektive des Festival del Film Locarno im August 2016, die in enger Kooperation mit dem Deutschen Filminstitut, Frankfurt am Main, ausgerichtet wird. Als Partner der Retrospektive gibt das Deutsche Filminstitut einen umfangreichen Katalog heraus, der im August erscheint. Bereits jetzt zeigt das Kino des Deutschen Filmmuseums sieben thematisch gruppierte Werke aus jener Zeit. Die Vor-Schau dreht sich um einen für Frankfurt besonders relevanten Fragekreis: den der jüdischen Geschichte in Deutschland. Wie geht das Kino der Adenauer-Ära mit dem Holocaust um, welche (Genre-)Bilder, Erzählungen, Allegorien findet es dafür? Welche Korrektive hat das Filmschaffen der DDR zu bieten? Wie nähert sich die BRD dem ähnlich jungen Staat Israel? Zu entdecken gibt es Unvermutetes, etwa den ersten abendfüllenden Film über Israel (PARADIES UND FEUEROFEN); eine Vision vom Nazi-Vivisektionsterror in Gestalt eines exaltierten, fast experimentellen Horrorfilms (DIE NACKTE UND DER SATAN) oder eine wütende Anklage gegen den ungebrochenen Antisemitismus in der Bonner Republik (ZWISCHENFALL IN BENDERATH). Im Herbst wird das Projekt mit einem weiteren, umfangreicheren Programm fortgeführt.
Der Schwerpunkt unterstreicht den filmischen Reichtum dieser Epoche und macht deutlich, dass die später durch Europa und die USA tourende Filmreihe sich an verschiedenen Spielorten auf bestimmte inhaltliche und ästhetische Schwerpunkte fokussieren kann.
Donnerstag, 28.04.2016, 16:00 Uhr
DER RUF
Deutschland 1949. R: Josef von Baky, D: Fritz Kortner, Ernst Schröder.
104 Min. 35mm
Als Professor Mauthner nach 15 Jahren Exil heimkehrt, findet er Deutschland erschreckend unverändert vor: Der Antisemitismus zeigt weiter seine Fratze. Und so gibt man ihm zwar seine Stelle wieder, aber auch das Gefühl, immer noch unerwünscht zu sein. Diese Atmosphäre schlug auch auf die Rezeption kritischer zeitgenössischer Filme wie DER RUF durch, der es bei Erscheinen schwer hatte.
Donnerstag, 28.04.2016, 18:00 Uhr
ZWISCHENFALL IN BENDERATH
DDR 1956. R: János Veiczi, D: Uwe-Jens Pape, Inge Huber. 98 Min. 35mm.
Jakob Lewin wird von seinem Geschichtslehrer schikaniert wegen seiner jüdischen Herkunft, aber auch wegen der kritischen Haltung seines Vaters zur BRD. Als es ihm zu viel wird, rennt er davon womit ein Schulkinder-Streik mit weit reichenden Folgen beginnt. Der Film zeichnet ein parteiisch-akkurates, beunruhigendes Bild der BRD, wie es nur in der DDR entstehen konnte.
Freitag, 29.04.2016, 16:00 Uhr
JETZT UND IN DER STUNDE MEINES TODES
DDR 1963. R: Konrad Petzold, D: Inge Keller, Ulrich Thein. 98 Min. 35mm.
Ella Conradi berichtet vom Eichmann-Prozess in Jerusalem mit einem sich vertiefenden Gefühl des Ekels. Wieder zurück in der Bundesrepublik, möchte sie sich durch die Beschäftigung mit einem gewöhnlich wirkenden Verbrechen auf andere Gedanken bringen. Ein Politthriller mit Botschaft: Die BRD wird von jenen beherrscht, die Deutschland 1933 ins Verderben trieben.
Freitag, 29.04.2016, 18:00 Uhr
EICHMANN UND DAS DRITTE REICH
Schweiz/BRD 1961. R: Erwin Leiser, Dokumentarfilm. 90 Min. 35mm.
Ermutigt durch den Erfolg seines Montagekino-Meilensteins DEN BLODIGA TIDEN / MEIN KAMPF (1959), wagte sich der deutsche Emigrant Erwin Leiser nun in der Schweiz mit EICHMANN UND DAS DRITTE REICH an einen Film, der aktuelle Ereignisse historisch kontextualisierte und Stellung bezog zu einem Vorgang von historischer Tragweite zum Prozess gegen Adolf Eichmann.
Freitag, 29.04.2016, 22:30 Uhr
DIE NACKTE UND DER SATAN
BRD 1959. R: Viktor Trivas, D: Horst Frank, Paul Dahlke. 96 Min. 35mm.
Ein Horror-Traum über Menschenversuche und wahnsinnige Wissenschaftler, bei dem es schwer fällt, nicht an KZ zu denken. Eine Rückkopplung an das Schauerkino expressionistischer Prägung, die völlig quer steht zu allem, was es im BRD-Kino jener Jahre gibt, und andererseits so voller gestalterischer Brüche ist, dass sie ein perfektes Beispiel für den BRD-Film jener Jahre ist.
Samstag, 30.04.2016, 20:30 Uhr
ISRAEL, STAAT DER HOFFNUNG/PARADIES UND FEUEROFEN
BRD 1955/1958. R: Rolf Vogel & Lasar Dunner/Herbert Viktor
Dokumentarfilme. 39 Min./82 Min. 35mm
Zwei frühe Annäherungen der BRD an den Staat Israel, verbunden durch Rolf Vogel, einen Lobbyisten der israelischen Sache in Bonn. PARADIES UND FEUEROFEN ist vor allem eine Reisedokumentation, in der die jüngere Geschichte weitgehend ausgespart bleibt. In Israel kam der Film erst 1962 in die Kinos am Tag vor der Bestätigung des Todesurteils gegen Adolf Eichmann.
Einführung in die Reihe und vor jedem Film: Olaf Möller, Kurator der Retrospektive und Mit-Herausgeber des Katalogs.
In Kooperation mit dem Festival del film Locarno (3. bis 13. August 2016)