exground filmfest 37 ging im Wiesbadener Caligari mit Kurzfilm-Wettbewerb u. Preisregen zu ende

Filmszene aus dem Gewinnerfilm des Kurzfilm-Wettbewerbs beim exground filmfest 37 „Das ist keine Figur – das ist Verrat“. Im Bild Sebastian Urzendowsky, (Sohn), und Sabine Urig (Mutter).

Gestern Abend fand in der Caligari Filmbühne Wiesbaden die feierliche Preisverleihung des 37. exground filmfests statt. Vor zahlreichem Publikum, darunter Filmgäste, Jurymitglieder, Preisstifterinnen und Laudatoren sowie Oberbürgermeister Gerd-Uwe Mende und Kulturdezernent Dr. Hendrik Schmehl, wurden die Sieger der verschiedenen Wettbewerbe bekanntgegeben.

Nach  der abschließenden Auswertung der Publikumsstimmen im Anschluss an die Vorführungen der Kurzfilm-Wettbewerbsfilme begann die Zeremonie, bei der Preise im Gesamtwert von fast 20.000 Euro – darunter Geld- und Sachpreise – verliehen wurden. Die Preisverleihung bildete den krönenden Abschluss des renommierten Wiesbadener Filmfestivals und bot einen feierlichen Rahmen für die Ehrung herausragender filmischer Werke. Das exground filmfest sei „ein ganz bedeutendes Filmfestival, das wahrscheinlich mit 37 Jahren  traditionsreichste“ – es stehe  „für die Wiesbadener Festivalkultur, und deswegen liebe ich dieses Festival“, so Oberbürgermeister Mende auf die Frage von Andrea Wink, Leiterin des „Orga-Teams“, was er denn  das Exground filmfest der Landeshauptstadt Wiesbaden bedeute.

Deutscher Kurzfilm-Wettbewerb

Oberbürgermeister überreicht den Preis für DAS IST KEINE FIGUR, DAS IST VERRAT an Romina Küper. © Foto: Diether von Goddenthow

Der vom Publikum gekürte erste Platz des Deutschen Kurzfilm-Wettbewerbs ging in diesem Jahr an DAS IST KEINE FIGUR, DAS IST VERRAT von Romina Küper, in perfekten Figuren gespielt von Sabine Urig (Mutter) und Sebastian Urzendowsky (Sohn). Der Preis ist mit 3.000 EUR dotiert und wird gestiftet von der Landeshauptstadt Wiesbaden. Überreicht hat den Preis Oberbürgermeister Gerd-Uwe Mende.  Bei dem Film geht es um ein einfühlsames Mutter-Sohn-Drama und die Herausforderung des Erwachsenwerdens: Sohn Stefan (Sebastian Urzendowsky) erlebt gerade den Durchbruch mit seinem Debütroman, in dem er viele persönliche Erlebnisse und Familiengeschichten, insbesondere seiner Mutter verarbeitet hat. Seine Mutter Melanie (Sabine Urig), die starke Parallelen zur Friseurin aus Stefans Buch aufweist, begleitet ihn zu einer Lesung. Doch dort wird ihm schmerzlich bewusst, wie sehr er sich zwischen zwei Welten bewegt: Auf der einen Seite steht sein Wunsch, als Schriftsteller Anerkennung zu finden, auf der anderen die schwierige Beziehung zu seiner Mutter, die sich durch seine Arbeit erneut verletzt fühlt. Regisseurin Romina Küper, die das Drehbuch gemeinsam mit Max Lindemann verfasst hat, inszeniert diese Mutter-Sohn-Geschichte mit großem Feingefühl. Der Film stellt essentielle Fragen: Wie verändert man sich, wenn man die Welt verlässt, die einen geprägt hat? Wie begegnet man den Wurzeln, wenn man sich in einem völlig anderen Umfeld wiederfindet? Küper beleuchtet mit viel Authentizität und cineastischem Fingerspitzengefühl die Spannungen zwischen Arbeiterklasse und intellektuellem Lebensstil. Ihre Erfahrung als Schauspielerin spiegelt sich in der tiefgründigen Charakterzeichnung wider, die den Film mit Charme und emotionaler Ehrlichkeit bereichert.

Der vom Wiesbadener Kinofestival e. V. mit 2.000 EUR dotierte zweite Platz geht an HAI LATTE von Carsten Strauch, und der dritte mit 1.000 EUR dotierte und ebenfalls von der Landeshauptstadt Wiesbaden bereitgestellte Preis geht an GETTY ABORTIONS von Franzis Kabisch.

Langfilm-Wettbewerb in der Reihe MADE IN GERMANY um DAS BRETT
Im Publikums-Langfilm-Wettbewerb MADE IN GERMANY gewann THE WITNESS von Nader Saeivar DAS BRETT und 3.000 EUR Preisgeld.

Abschlussfoto aller Beteiligten des exground filmfestes 37 auf der Caligari Filmbühne. © Foto: Diether von Goddenthow

Filmpreis Amnesty International Wiesbaden
Neben den traditionellen Preisen vergibt exground filmfest erstmals den Filmpreis Amnesty International Wiesbaden, dotiert mit 1.000 EUR, an den besten Film im Themenschwerpunkt Flucht und Vertreibung. Der Preis geht an Muriel Cravattes Film MOTHERSHIP, der die Ocean Viking vor der libyschen Küste begleitet und zeigt, wie internationale Helferinnen Flüchtende aus dem Meer retten. „Der Film ist ein wichtiger Beitrag über das drängende Problem der Seenotrettung und zur Verhinderung von Toten auf dem Mittelmeer. Er zeigt in spannender und ergreifender Weise die Arbeit der Helfer und die Schicksale der Geretteten.“

Eine lobende Erwähnung verdient der Eröffnungsfilm THE STORY OF SOULEYMANE von Boris Lojkine. „Der Film erzählt zwei Tage aus dem Leben des afrikanischen Fahrradkuriers Souleymane, der sich auf ein Asylgespräch vorbereitet. Die Kamera folgt ihm auf dem Fahrrad. Souleymane gibt den Vielen der anonymen Masse der Flüchtlinge ein Gesicht. Wir tauchen als Zuschauer tief in sein Schicksal und seine Erlebniswelt ein. Das hat uns tief beeindruckt.“

Internationaler Kurzfilm-Wettbewerb
Im Internationalen Kurzfilm-Wettbewerb kürte die internationale Jury den Film TWENTYTИƎWT von Max Hattler zum Gewinner. Das Preisgeld von 2.000 EUR stiftet der exground-Freundeskreis. Die Jury-Mitglieder Nina Friemann, Jutta Wille und Marko Stojiljković begründeten ihre Entscheidung mit den Worten: „Wenn wir die Einzelnen sehen, sehen wir nicht das ganze Bild. Wenn wir das ganze Bild sehen, ist es nur ein Wimmelbild aus einzelnen Menschen. In Großstädten leben wir eng beieinander, aber wir sind allein, entfremdet – und die Geräusche, die wir erzeugen, enden in einem kollektiven Gemurmel. Für seine klar strukturierte Studie unserer gegenwärtigen Gesellschaft zeichnen wir Max Hattler aus für seinen Film TWENTYTИƎWT.“

Die Lobende Erwähnung für RISING ABOVE geht an Natálie Durchanková, „für einen sehr bewegenden, mutigen und kraftvollen Film, mit dem sie einen selbstbestimmten Weg zur Bewältigung eines Traumas findet.“, begründete das die Jury.

Wiesbaden Special – Kurzfilm-Wettbewerb
Im Publikumswettbewerb um den besten Wiesbadener Kurzfilm setzte sich GESENDET von Moritz Pähler durch. Er gewann sowohl den mit 500 EUR dotierten Geldpreis, gestiftet vom Wiesbadener Kinofestival e. V., als auch den Sachpreis im Wert von 1.000 EUR für Lichttechnik und Kamerabühne von LiveFrame Rental. „Neben starken Einreichungen wie CROSSROADS und KLOPF, KLOPF hat uns die Aktualität des Themas und die gute Umsetzung von Moritz überzeugt. Mit unserer Wahl möchten wir außerdem zeigen, dass auch technisch – worauf als Geräteverleih unser Fokus liegt – nicht perfekt umgesetzte Filme immer eine Chance haben und gerade für diesen Preis prädestiniert sind.“, so die Jurybegründung.

exground-Gong-Show
Beim Kultwettbewerb für Trashperlen und Amateurwerke wurde Toni Meštrović für SCREAM ausgezeichnet und nahm die mit 50 EUR dotierte „Goldene exground-Gurke“ mit nach Hause.

exground youth days – Internationaler Jugendfilm-Wettbewerb

Im Wettbewerb: Internationaler Jugendfilm ging der Jurypreis für den besten Langfilm an „Gotteskinder“ von Frauke Lodders.

Die Jugendjury im Internationalen Jugendfilm-Wettbewerb vergab den Preis für den besten Langfilm in diesem Jahr an GOTTESKINDER der deutschen Regisseurin Frauke Lodders: Überreicht hat den Preis Kulturdezernent Dr. Hendrik Schmehl. „Frauke Lodders erschafft einen eindringlichen und mutigen Spielfilm, der die Spannung zwischen Glauben, gesellschaftlichen Erwartungen und persönlicher Freiheit aufgreift. Die Geschichte von Hannah und Timotheus, die in einer streng freikirchlich-evangelikalen Familie aufwachsen, trägt tiefgreifende Konflikte – von romantischen Gefühlen, die als unrein gelten, bis hin zur Manipulation durch religiöse Strukturen.

Kulturdezernent Dr Hendrik Schmehl überreicht den Jurypreis für GOTTESKINDER an Frauke Lodders. © Foto: Diether von Goddenthow

Die Figuren sind Stereotypen, die in den Zwängen innerhalb der religiösen Gemeinschaft gefangen sind, und entwickeln im Moment ihrer Zerrissenheit einen eigenen und tief lebendigen Charakter. Sie geraten beide in eine Lebenskrise, als sich ihre persönlichen Gefühle nicht mehr mit den Vorschriften der Gemeinschaft vereinbaren lassen. Die visuelle Umsetzung überzeugt durch eine sorgfältig gestaltete Bildkomposition, die authentisch die isolierte Welt der Protagonisten widerspiegelt. Durch die kreative Inszenierung und tiefgründige Charakterarbeit entsteht ein Film mit kraftvoller Erzählung, der zum Nachdenken anregt.“

Eine lobende Erwähnung erhielt der litauische Film TOXIC von Saulė Bliuvaitė. Die Jury begründete die Entscheidung: „Überzeugt haben uns sowohl die Themen – toxische weibliche Schönheitsideale und die Bereitschaft zur Selbstverletzung für deren Erreichung – als auch die filmischen Mittel. Die nostalgische Stimmung und ausdrucksstarken Bilder sowie Soundeffekte ermöglichen es, sich in das Leben und die ausweglos scheinende Armut der Protagonistinnen hineinzuversetzen.“

Gewinner des diesjährigen Kurzfilm-Wettbewerbs im Rahmen der exground youth days ist der Film YARÊ von Sallar Othman aus Österreich, „weil er Themen darstellt und anspricht, die in westlicher Perspektive zu oft unbeachtet und unverstanden sind. Mit einer dokumentarischen Qualität bringt der Film uns in eine uns fremde Umgebung voller Staub und Hitze. In kleinen Details und großen Einstellungen stellt er meisterhaft die Auswirkungen von Wassermangel auf ein Mädchen und ihre Familie dar – sowie die politischen Realitäten, welche den Wassermangel verursachen. Er zeigt diese schweren Probleme, jedoch wird nicht die Empathie des Publikums angesprochen. Der Film will nicht dessen Mitleid. Stattdessen setzt er in einem offenen Ende eher ein Zeichen, dass die Menschen niemals aufgeben werden zu kämpfen.“, so die Jurybegründung. Der Preis ist dotiert mit 500 EUR, gestiftet vom Wiesbadener Kinofestival e. V.

Eine lobende Erwähnung fand die Jury für den Kurzspielfilm A SUMMER’S END POEM von Lam Can-zhao aus China, „Seine ästhetischen Aufnahmen der chinesischen Landschaft sind melancholisch und eindrucksvoll. Der Film erzählt die einfache, aber einprägsame Geschichte eines Jungen auf der Suche nach Individualität. Anstatt sich auf überflüssige Dialoge verlassen zu müssen, erzählt dieser Film seine Geschichte fast nur durch die kreative und originelle Kinematografie. Mit seiner ruhigen und atmosphärischen Erzählweise ist A SUMMER’S END POEM ein Film, der nachhaltig in Erinnerung bleibt und durch seine kreative Gestaltung beeindruckt.“

Der Publikumspreis im Rahmen der exground youth days ging ebenfalls an GOTTESKINDER von Frauke Lodders aus Deutschland. Die Gewinnerin darf sich über 1.000 EUR Preisgeld freuen, gestiftet von der Landeshauptstadt Wiesbaden.

exground youth days – Wiesbadener Jugendfilm-Wettbewerb
Im Wiesbadener Jugendfilm-Wettbewerb setzte sich Amélie Limberg mit ihrem Kurzspielfilm HERO ACADEMY – THE OFFSPRING durch. Der erste Platz ist dotiert mit 500 EUR, gestiftet vom Wiesbadener Kinofestival e. V. Den zweiten Platz belegte TAKE CONTROL von Linus Nolte; er erhielt einen Einkaufsgutschein vom Apple Store ergo sum im Wert von 200 EUR. Beide Filme entstanden im Rahmen der Film-AG der IGS Kastellstraße.

Klappe 7 – Kinderfilmfestival
Im Rahmen von exground filmfest 37 fand auch wieder das Klappe 7 – Kinderfilmfestival statt. Daraus ging der Kurzspielfilm LITTY – ZUM FRESSEN GERN von Koriwi als Sieger hervor. WENN STREIT ZU WUNDERN FÜHRT von der BGS Ursula-Wölfel-Schule erhielt den Publikumspreis.

(Exground 37 / Diether v Goddenthow /RheinMainKultur.de)

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