Der Ausbruch des Laacher-See-Vulkans in der Eifel zählt zu den größten Eruptionen, die sich in Mitteleuropa ereignet haben. Der Vulkanausbruch förderte rund 20 Kubikkilometer Asche zutage und die Eruptionswolke reichte über 20 Kilometer in die Höhe, vergleichbar mit dem Ausbruch des Pinatubo auf den Philippinen im Jahr 1991. Technische Fortschritte und Funde von Baumresten, die im Zuge der Eruption begraben wurden, ermöglichen nun eine genaue Datierung des Ereignisses mit einer nur sehr geringen Unsicherheit. Demnach ist der Ausbruch des Laacher-See-Vulkans vor 13.077 Jahren erfolgt und damit 126 Jahre früher als bisher angenommen. Dies wirft ein neues Licht auf die Klimageschichte des gesamten nordatlantischen und europäischen Raums und erfordert eine Anpassung der europäischen Klimaarchive. „Wir können damit einen Temperatursturz am Ende der letzten Kaltzeit genau datieren, sodass sich die Angaben jetzt mit denen von Bohrkernen aus dem Grönlandeis decken“, sagt Dr. Frederick Reinig, Dendrochronologe an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU). An dem Projekt war ein internationales Forschungsteam aus der Archäologie, Klimatologie, Ökologie, Radiokarbondatierung und Vulkanologie beteiligt. Die Forschungsergebnisse wurden in der renommierten Wissenschaftszeitschrift Nature publiziert.
Verkohlte Holzreste von Birken und Pappeln sind bis heute erhalten
Der Ausbruch des Laacher-See-Vulkans war eine Naturkatastrophe, die weite Teile Europas betroffen hat. Der Ascheregen gelangte bis nach Norditalien im Süden und nach Sankt Petersburg im Nordosten. In der unmittelbaren Umgebung und im benachbarten Rheintal bildeten sich mächtige Ablagerungen aus Asche und Bims, die alles Leben unter sich begruben. „Pyroklastische Ströme haben bei dem Ausbruch damals die Vegetation um den Laacher-See-Vulkan verschüttet. Die Bäume wurden in den Ascheablagerungen teilweise verkohlt und bis heute konserviert“, beschreibt Reinig das Ausbruchsgeschehen, das sich im späten Frühling bis frühen Sommer ereignet hat und das vermutlich mehrere Wochen andauerte – und das heute den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern die genaue Datierung des Ereignisses ermöglicht. „Diese hölzernen Zeitzeugen sind allerdings sehr selten und sie sind schwierig zu bergen“, so Reinig, Erstautor der Studie.
„Die regionalen Auswirkungen des Vulkanausbruchs sind gut erforscht. Was uns bisher gefehlt hat, ist die Sicherheit, wann genau dies passiert ist“, erklärt Prof. Dr. Ulf Büntgen, Co-Autor der Nature-Publikation von der University of Cambridge. Dies konnte nun anhand der Proben von verschütteten Birken und Pappeln ermittelt werden.
Analyse der Baumringe gibt Aufschluss über das genaue Datum der Eruption
Die vulkanischen Sedimente haben nicht nur die Holzstücke über 13.000 Jahre lang konserviert, sondern damit blieben auch die Jahrringe der Bäume erhalten. „Die Jahrringe geben uns die Möglichkeit, das Alter der Proben genau zu bestimmen“, sagt Prof. Dr. Jan Esper von der JGU. In einer gemeinsamen Initiative der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft WSL in Birmensdorf, Schweiz, mit dem Archäologischen Forschungszentrum und Museum für menschliche Verhaltensevolution MONREPOS in Neuwied wurden sowohl neu entdeckte Proben als auch ältere Fundstücke analysiert. Dazu hat das Labor für Ionenstrahlphysik der ETH Zürich Radiokarbonmessungen an 157 einzelnen Jahrringen der untersuchten Bäume vorgenommen. Die Kalibrierung dieser Ergebnisse gegen eine Schweizer Referenzchronologie ergab dann die präzise Datierung. „Die stetigen Fortschritte bei der Radiokarbon-Messtechnik und bei den verwendeten Kalibrierverfahren sowie die sorgsame Handhabung der empfindlichen Proben waren der Schlüssel, damit wir diese Datierung mit einer Unsicherheit von weniger als zehn Jahren etablieren konnten“, so Dr. Lukas Wacker von der ETH Zürich.
Neudatierung des Vulkanausbruchs hat Folgen für die Synchronisierung europäischer Klimaarchive und das Verständnis der großräumigen Klimadynamik
Die Eruption des Laacher-See-Vulkans erfolgte der Darstellung in Nature zufolge 13.006 Jahre vor 1950 mit einer Unsicherheit von 9 Jahren. Das ist 126 Jahre früher als die bisher allgemein akzeptierte Datierung anhand von Sedimenten im Meerfelder Maar.
Diese Differenz hat weitreichende Folgen für die Synchronisierung europäischer Klimaarchive und das Verständnis der nordatlantischen und europäischen Klimageschichte. Der Ascheregen, der infolge des Vulkanausbruchs über große Gebiete Mittel- und Nordeuropas niederging, ist ein wichtiger Zeitmarker für Paläoumweltarchive. Aufgrund der Neudatierung müssen nun die europäischen Archive angepasst werden. Gleichzeitig wurde damit eine bislang bestehende Differenz zu den Daten der grönländischen Eisbohrkerne geschlossen.
Dies bedeutet, dass der massive Kälteeinbruch zu Beginn der Jüngeren Dryaszeit – dem letzten, rund 1.300 Jahre dauernden eiszeitlichen Intermezzo vor der aktuell herrschenden Warmphase, dem Holozän – auch in Mitteleuropa bereits 130 Jahre früher, also vor circa 12.870 Jahren begann. Dies zeigen auch die Eisbohrkerne aus Grönland für den nordatlantischen Raum an. Während der Jüngeren Dryaszeit sanken die Temperaturen in Mitteleuropa um bis zu 5 Grad Celsius. „Diese starke Abkühlung vollzog sich nicht, wie bislang gedacht, zeitlich versetzt über einen längeren Zeitraum, sondern verlief über den gesamten nordatlantischen Raum und Mitteleuropa synchron“, sagt Frederick Reinig. Die Ergebnisse des interdisziplinären Forschungsteams legen damit nicht nur ein präzises Datum für den Ausbruch des Laacher-See-Vulkans in der Eifel fest. Das revidierte Alter der Ascheablagerungen und die damit verbundene Verschiebung der europäischen Klimaarchive wirft nun ein neues Licht auf die Klimageschichte des gesamten nordatlantischen und europäischen Raums.