
Das Museum für Moderne Kunst (MMK) in Frankfurt präsentiert vom 2. April bis 3. Oktober Marcel Duchamp in einer breit angelegten Überblickschau. Es ist die erste umfassende Ausstellung seit zwei Jahrzehnten, die auf drei Etagen fast 700 Werke aus all seinen Schaffensphasen von 1902 bis 1968 zeigt.
Darunter befinden sich auch impressionistisch beeinflusste Frühwerke, etwa Portraits von Duchamps Schwester Suzanne und seiner Großmutter sowie Drucke, etwa „Das Pferd“, „Der Kutscher“ (1904-1905) u.v.m,, Ölgemälde á la „Paysage à Blainville“, (1902), „Das Bauernhaus in Yport“, und „Haus unter Apfelbäumen“ (1904-07), und eine Serie weiblicher Aktgemälde, Karikaturen, Werbegrafiken usw.
International bekannt wurde Duchamp insbesondere durch seine „Readymades“ (z.B. Das Fahrrad 1913, Der Flaschentrockner 1915/1964, Fountain = Urinal, 1917), verbunden mit der Fragestellung, ob es möglich sei, Werke zu schaffen, die keine Kunstwerke seien? In dieser Überlegung liegt wohl einer der Gründe, die Duchamps Readymades bis heute für Künstler aller Sparten nachhaltig interessant erscheinen lassen. Ähnlich der Fragestellung in der Musik nach John Cages Statement, ob man Musik machen könne, die keine Musik mehr sei, also ob auch Stille Musik sei, was immer wieder zur experimentellen Auseinandersetzung mit Tönen animiert.
Die Bedeutung der Readymades liegt damit auch in der Implementierung der Frage nach dem Werk, das kein Kunstwerk mehr ist. Im Raum der Kunst sollten die Readymades weiterhin eine Rolle spielen, denn Duchamp wollte ausdrücklich „Werke“ schaffen. Werke, die sich allerdings durch Indifferenz gegenüber allen ästhetischen Kategorien des Kunstbetriebs und der Kunstproduktion auszeichnen sollten. Sie sollten keine Antikunst sein, die sich in zerstörerischer oder auch nur störender Weise zu den „Kunstwerken“ verhält.

Neben dem Zufall und der originalen Imagination ist die Indifferenz einer der zentralen Begriffe von Duchamps ästhetischen Überlegungen und dabei in einem doppelten Sinn zu verstehen: Die Readymades, wie das 1913 als erstes Readymade gefertigte Roue de bicyclette (FahrradRad), sollten gegenüber den Kunstwerken gleichgültig (indifferent) sein und dabei ebenso ästhetisch „gleich gültig“. Man kann das Roue de bicyclette insofern als paradigmatisch ansehen, da es ein industriell gefertigter, gängiger Alltagsgegenstand war, dem jede sichtbare individuelle Kunstfertigkeit abging.
Die Werke – die Readymades – sollten für Duchamp aufhören, einmalig zu sein, aber dabei nicht ihre Seltenheit verlieren. Insofern sie Werke zu bleiben hatten, durften sie nie in die Massenproduktion übergehen. Gleichzeitig legte Duchamp keinen Wert auf die Originalität des ersten Ausstellungs-Readymades. Dass die Original-Ausstellungsstücke vor allem aus der Zeit von 1913 bis 1919 fast alle verloren gingen, störte ihn nicht.
Duchamp legte großen Wert darauf, die unterschiedlichen Reproduktionen eines Readymades genau zu kontrollieren: sei es dadurch, dass er deren Echtheit durch seine Unterschrift garantierte – oder sie nicht autorisierte. Wichtig war ihm, dass die Reproduktion eines Readymades nie nach einem vorgegebenen Muster ablief. Auch hatten sie möglichst sorgfältige Kopien des Originals zu sein, um die Beliebigkeit einzuschränken und die Schwierigkeit der Reproduktion zu erhöhen.
Auch wenn sich Duchamp in seinem langen Nachdenken über Readymades nie zu einer Definition derselben hat durchringen können, brachte es der Surrealist André Breton auf eine Formel, die sich auch im Sinne Duchamps lesen lässt. Demnach handelt es sich bei Readymades um industriell hergestellte Objekte, die durch die Wahl der Künstler*innen die Würde eines Kunstwerks erlangen.
Der französisch-amerikanische Maler und Objektkünstler (Henri Robert) Marcel Duchamp gilt als Mitbegründer der Konzeptkunst und zählt zu den Wegbereitern von Dadaismus und Surrealismus. Mit der Erfindung des Begriffs „Readymade“ ist Duchamp vor allem ein PR-Coup gelandet, der kaum dreister sein konnte. Das Readymade-Prinzip wurde nicht nur von seinen Rezipienten als eine Art neue künstlerische Verheißung aufgesogen. Vielmehr inspiriert und motiviert sein Objekt und Konzept-Kunst nach 100 Jahren noch immer Legionen nachwachsender Künstler weltweit zur Nachahmung . Seit 2000 wird der nach ihm benannte und mit 35 000 Euro dotierte Prix Marcel Duchamp verliehen von der ADIAF, einer der wichtigsten Vereinigungen von Liebhabern, Mäzenen und Sammlern zeitgenössischer Kunst in Frankreich.
Im Zentrum Duchamps Schaffen stehen die Fragen: was Kunst, ein Gegenstand, eine Person, menschliches Geschlecht und der Mensch selbst sind, was Forschung und Dicht-Kunst verbinden und unterscheiden, und was Menschen zudem macht, was sie sind.
Duchamp versucht sein Denken und Arbeiten von Regeln sowie von Einordnungen durch andere Menschen loszulösen, und gleichzeitig alles zu erlauben und zuzulassen, also auch Werke zu schaffen, die keine Kunst-Werke im eigentlichen Sinne sind, und erst durch das Anschauen im im Auge des Betrachters zur „Kunst werden“.
Weitere Informationen: Marcel Duchamp im MMK

Ort:
MUSEUM FÜR MODERNE KUNST (MMK)
Domstraße 10
60311 Frankfurt am Main
Tel. 069/21230447 / Fax: 069 212 37882
mmk@stadt-frankfurt.de
https://www.mmk.art/de
Öffnungszeiten:
Dienstag bis Sonntag 11:00 – 18:00
Mittwoch bis 19:00