Fantasie beseelt die Luft – Motto von Ehrengastland Philippinen auf der Frankfurter Buchmesse 2025

Zur Einstimmung auf die Präsentation des umfangreichen philippinischen Buch- und Kulturprogramms als Ehrengast auf der Frankfurter Buchmesse 2025 stimmten die preisgekrönten Philippine Madrigal Singers mit Kostproben aus ihrem musikalischen Repertoire ein. © Foto u. Diether  von Goddenthow

Frankfurt am Main – Mit einer vielstimmigen Pressekonferenz haben die Philippinen am Donnerstag, 26. Juni, in Frankfurt ihr Programm als Ehrengast der Frankfurter Buchmesse 2025 vorgestellt. Dabei betonten sie die wachsende Bedeutung des Archipels im internationalen Verlagswesen. Das Land organisiert über 77 Literaturveranstaltungen mit 100 Autoren und Kreativen, zudem werden 50 Künstler in Ausstellungen, Performances und Filmen zu erleben sein. Inspiriert von einer Zeile aus Jose Rizals Noli Me Tangere, spiegelt das Ehrengastmotto The imagination peoples the air / Fantasie beseelt die Luft die engen Verbindungen zwischen philippinischer Literatur, Kultur und Geschichte wider und lädt ein internationales Publikum ein, sich mit den vielfältigen Überlieferungen des Landes auseinanderzusetzen.

Die kulturelle Vielfalt der Philippinen
Die Philippinen sind ein südostasiatischer Inselstaat mit über 7.600 Inseln und einer Bevölkerung von rund 117 Millionen Menschen – damit gehören sie zu den bevölkerungsreichsten Ländern Asiens.
Das Archipel liegt strategisch zwischen Pazifik und Südchinesischem Meer und war über Jahrhunderte kolonial geprägt: erst von Spanien, später von den USA. Diese Geschichte hat das Land kulturell stark beeinflusst – viele gesellschaftliche Strukturen, das Bildungssystem, selbst Teile der Literatur- und Alltagssprache tragen bis heute Spuren europäischer und westlicher Orientierung. Trotz ihrer geografischen Lage ist die philippinische Kultur damit eine der „westlichsten“ in Südostasien. Gleichzeitig bewahren die zahlreichen ethnischen Gruppen und indigenen Gemeinschaften ihre eigenen Traditionen, Sprachen und Erzählformen. In dieser Spannung zwischen kolonialem Erbe, kultureller Vielfalt und dem Streben nach Selbstverortung entfaltet sich eine Literatur, die so vielstimmig und widerständig ist wie das Land selbst.

Philippinische Kultur- Vielfalt auf der Frankfurter Buchmesse vom 14. Bis 19. Oktober 2025

Direktor der Frankfurter Buchmesse, Juergen Boos, unterstrich die kulturelle Vielfalt der Philippinen. © Foto u. Diether  von Goddenthow

So vielfältig wie der kulturelle Background ist, so kulturell bunt werden sich die Philippinen auf der Buchmesse präsentieren, einmal auf einem Gemeinschaftsstand, insbesondere im Ehrengast-Pavillon mit einem umfangreichen Rahmenprogramm (siehe unten).

Darüber hinaus im Frankfurter Stadtraum mit zahlreichen regionalen Kooperationspartnern (siehe unten). Insgesamt sind mehr als 77 Literaturveranstaltungen mit rund 100 Autoren, Übersetzern und Kreativen geplant. Zudem präsentieren sich 50 Künstler in Ausstellungen, Filmvorführungen und Performances. Das Motto des Gastland-Auftritts ist inspiriert von einer Zeile aus dem Roman Noli Me Tangere des Nationalhelden José Rizal – ein Verweis auf die enge Verbindung zwischen Literatur, Geschichte und Identität der Philippinen.

Bei seiner Begrüßung hob der Direktor der Frankfurter Buchmesse, Juergen Boos, die kulturelle Vielfalt des Landes hervor: „Mit seinen 7.641 Inseln und über 100 Sprachen ist das philippinische Literaturschaffen so divers wie facettenreich. Die Besucher erwartet ein spannendes Programm – von klassischen Lesungen bis hin zu zeitgenössischem Fliptop-Rap. Dabei geht es um Themen wie Kolonialismus, gesellschaftlichen Wandel, Climate Fiction und Selbstermächtigung.“

Per Videobotschaft war dazugeschaltete die Senatorin Loren Legarda, die Initiatorin des Projekts. © Foto Diether  von Goddenthow

Senatorin Loren Legarda formulierte zum Abschluss eine poetische Vision: „Wir sind ein Volk, das sich lesend durch Katastrophen, Kolonialismus und Diktatur getragen hat. In Frankfurt bringen wir Stimmen mit, die komplexe Geschichten erzählen – gegen eindimensionale Narrative und für eine menschlichere Perspektive. Unsere Fantasie ist kein Fluchtweg, sondern ein Raum der Wachheit, des Träumens und des Mutes, die Welt neu zu denken.“

Anschließend sprachen unter anderem der Kurator des Ehrengast-Pavillons Patrick Flores, Literatur-Kuratorin Karina Bolasco und Pavillon-Designer Stanley Ruiz. Per Videobotschaft meldete sich auch Senatorin Loren Legarda, die Initiatorin des Projekts, zu Wort.

Im Rahmen eines Talks waren auch als literarische Stimmen des Landes die Autorin Candy Gourlay und der Schriftsteller Blaise Campo Gacoscos in Frankfurt zu Gast. Sie diskutierten mit der Schweizer Autorin und Übersetzerin Annette Hug über ihre soeben auf Deutsch erschienenen Werke. Musikalisch begleitet wurde das Programm von den renommierten Philippine Madrigal Singers.

Kuratorin Karina Bolasco betonte die politische und gesellschaftliche Dimension des Auftritts: „In einer Zeit zunehmender globaler Spannungen begreifen wir unsere Bühnen – vom Ehrengast-Pavillon bis zur Asia Stage – als Räume für Dialog, Zuhören und Reflexion. Unsere Veranstaltungen wollen Geschichten teilen, Erinnerungen wachhalten und den Widerstand gegen Ungerechtigkeit stärken – sei sie sichtbar oder noch verborgen.“

Patrick Flores (Kurator des Ehrengast-Pavillons), Karina Bolasco (Kuratorin des Literaturprogramms), Stanley Ruiz (Designer des Ehrengast-Pavillons), die Autorin Candy Gourlay, der Autor Blaise Campo Gacoscos, Übersetzerin Annette Hug, PR Managerin Ines Bachor und Juergen Boos (Direktor der Frankfurter Buchmesse). © Foto Diether  von Goddenthow

Auch Patrick Flores sieht in der Präsentation eine Chance, philippinische Literatur sichtbarer zu machen: „Wir wollen eine Bühne schaffen, die sowohl ästhetisch als auch intellektuell überzeugt – und zugleich die vielschichtige Lesekultur unseres Landes würdigt.“

 

Ein Pavillon wie ein Archipel – Der Auftritt der Philippinen auf der Frankfurter Buchmesse

Der philippinische Ehrengast-Pavillon auf der Frankfurter Buchmesse 2025 soll ein Ort des Staunens, der Offenheit und der Selbstreflexion werden. Kurator Patrick Flores beschrieb ihn in seinem Vortrag als „lebendigen, vorurteilsfreien Raum“, der nicht nur die Gastfreundschaft des Anlasses würdige, sondern auch philippinische Perspektiven und historische Erfahrungen in eine von Krisen geprägte Gegenwart einbringe.

Architektonisch erinnert der Pavillon an eine Lichtung, durchzogen von inselartigen Strukturen. Bücher und Projektionen zeitgenössischer Kunst erwecken ihn zum Leben. Die Präsentation folgt dem Jahreszeitenrhythmus und beleuchtet zentrale Aspekte philippinischer Literatur. Vier Bereiche widmen sich dem Werk von Nationalheld José Rizal, den Arbeiten nationaler Kulturschaffender, der Literaturgeschichte des Landes sowie Publikationen über die Philippinen, die in den vergangenen fünf Jahren international erschienen sind.

Entworfen wurde der Pavillon vom Designer Stanley Ruiz. Seine modulare Architektur nutzt traditionelle Materialien wie Kapis-Muscheln, Bambus und Ananasfaser in Kombination mit Stahl und Textilien. Der Entwurf legt besonderen Wert auf Nachhaltigkeit, Wiederverwendbarkeit und lokale Handwerkstechniken. Die kreisförmige Anordnung der Elemente erinnert an das Zusammenkommen innerhalb philippinischer Dorfgemeinschaften.

Wie lose verstreute Inseln sind die Strukturen über die Fläche verteilt, verbunden durch fließende Wege, die an Wasserläufe oder Hügelpfade erinnern. Leicht durchscheinende Membranen – angelehnt an Drachen oder Laternen – spannen sich über die Pavillon-Elemente. Sie nehmen Bezug auf Erzählungen über Rizal und dienen zugleich als Projektionsflächen für Animationen und Videokunst, unter anderem mit Werken von Gary-Ross Pastrana, David Medalla und Mervin Malonzo.

„Der Pavillon soll ein Gefühl von Leichtigkeit, Offenheit und Helligkeit vermitteln“, so Flores. „Er ist ein Geschenk der Vorstellungskraft – in einer Welt, die aus dem Gleichgewicht geraten ist, aber immer noch Raum für Hoffnung lässt.“

Literatur- und Kulturprogramm der Philippinen – ein vielstimmiger Auftritt auf der Frankfurter Buchmesse 2025

Im Zentrum des philippinischen Ehrengastauftritts auf der Frankfurter Buchmesse 2025 steht ein umfangreiches Literaturprogramm. Über 100 Gäste aus Literatur, Verlagswesen und Kultur reisen aus dem Inselstaat an – darunter eine Nobelpreisträgerin, national ausgezeichnete Schriftsteller, Dichter, Kreative, Verleger sowie Autoren mit internationalen Neuerscheinungen.

Das Programm vereint Lesungen, Gespräche, Performances, Buchpräsentationen und Rechteverhandlungen und spiegelt die zunehmende internationale Sichtbarkeit des Landes in der Welt des Buches wider. Die Veranstaltungen finden im philippinischen Ehrengast-Pavillon, auf der Asia Stage sowie am 300 Quadratmeter großen Länderstand statt.

Der Pavillon selbst, ausgestattet mit zwei Bühnen, bietet stündlich wechselnde Formate: Vorträge, Podiumsdiskussionen, Interviews, Lesungen, Poetry-Slams, Rap-Darbietungen, FlipTop-Battles, Gesangs- und Tanzaufführungen, Live-Illustrationen, Sprachlektionen, Filmszenen und weitere von Literatur inspirierte Performances. Thematisch ist das Programm in sechs Rubriken gegliedert: Damit ihr uns kennt, Was uns bewegt, Während wir unterwegs sind, Was uns verzaubert, Was wir uns vorstellen sowie Was wir bewahren und woran wir erinnern. Unter der Leitung von Karina Bolasco werden zudem über 500 Bücher präsentiert, die sich mit Themen wie Vielfalt, Erinnerung und Hoffnung befassen.

Am philippinischen Länderstand wird ein breites Spektrum von Titeln vorgestellt, deren Rechte für den internationalen Markt verfügbar sind. Parallel dazu lädt die von Rex Education und der Frankfurter Buchmesse kuratierte Asia Stage zum interkulturellen Austausch mit anderen südostasiatischen Ländern ein.

„Wenn sich die Welt in Frankfurt trifft, werden die Philippinen ihre Stimme kraftvoll erheben – kritisch, offen, vielschichtig und mit der Überzeugung, dass das Erzählen eine der stärksten Kräfte für Wahrheit und Veränderung ist“, so Bolasco.

Kunst und Kultur im ganzen Land

Begleitend zur Buchmesse findet ein vielfältiges Kulturprogramm in mehreren deutschen Städten statt – unter anderem in Heidelberg, Berlin und Frankfurt. Im Fokus stehen Ausstellungen, Performances, Filmprogramme und Veröffentlichungen, die sowohl traditionelle als auch zeitgenössische Kunst aus den Philippinen sichtbar machen.

Den Auftakt bildete die Ausstellung Oculus im Heidelberger Kunstverein mit Arbeiten der Künstler Stephanie Misa und Joscha Steffens (15. März – 18. Mai). In der zweiten Jahreshälfte folgen weitere Höhepunkte: Sulog – Philippinische Architektur im Spannungsfeld im Deutschen Architekturmuseum (DAM) und New Beginnings – Philippinische Fotokunst im Fotografie Forum Frankfurt (FFF).

Im Frankfurter Haus am Dom werden mündliche Überlieferungen wie die Pasyon und die klassischen Mga Kuwento ni Lola Basyang vorgestellt. Weitere Programmpunkte sind eine immersive Klanginstallation von meLê Yamomo im Berliner Humboldt Forum, Konzerte der preisgekrönten Philippine Madrigal Singers sowie das interdisziplinäre Festival Sincerely Yours, the Philippines unter der Leitung von Eisa Jocson im Künstlerhaus Mousonturm in Frankfurt. Eine filmische Retrospektive mit Arbeiten von Kidlat Tahimik und Nick Deocampo ist im Deutschen Filminstitut Filmmuseum (DFF) zu sehen.

Darüber hinaus erscheint eine wissenschaftliche Monografie, die sich in zwei Teilen mit dem philippinischen Nationalhelden José Rizal befasst – einerseits mit seiner Textilsammlung im Ethnologischen Museum Berlin, andererseits mit seinen zoologischen Präparaten, die heute in den Senckenberg Naturhistorischen Sammlungen Dresden aufbewahrt werden.

Das gesamte Ehrengastprogramm ist eine Kooperation der National Commission for Culture and the Arts (NCCA), des National Book Development Board (NBDB), des philippinischen Außenministeriums (DFA) und des Büros von Senatorin Loren Legarda.

(Diether von Goddenthow /RheinMainKultur.de)