
Frankfurt am Main, 21.11.24. Bewegung, Mobilität, Verkehr: Was auf den ersten Blick technisch klingen mag, ist hochgradig subjektiv und emotional, berührt es doch zentrale Bereiche menschlicher Lebens- und Arbeitsbedingungen. Der Raum ist begrenzt, eine wachsende Zahl von Menschen teilt ihn.
Stadt und Mobilität hängen ursächlich zusammen: historisch wie aktuell. Städte erzeugen Bewegungen von Menschen im Raum und werden zugleich von ihnen erzeugt, einschließlich ihrer konkreten Lage und Gestalt. Die Ausstellung diskutiert unterschiedliche Facetten von Mobilität und setzt sie in Bezug zur Stadt. Mobilität wird ganzheitlich und transdisziplinär als Potential der individuellen Beweglichkeit verstanden. Verkehr und Infrastruktur ermöglichen Mobilität und bieten dafür die Grundlagen. Die Ausstellung öffnet einen interaktiven Erfahrungsraum und lädt dazu ein, sowohl gesellschaftliche, soziale und räumliche Facetten kennenzulernen als auch eigene Perspektiven zu hinterfragen.
Der Wandel und die Grenzen der Mobilität in der Stadt sollen anhand der Stadtentwicklung in Frankfurt und im Rhein-Main-Gebiet sichtbar werden. Der Platz im Ballungsraum ist begrenzt: Ohne Veränderungen wird es schwierig, Bedürfnisse wie Wohnen, Arbeit, Bildung, Erholung, Verkehr angesichts des knappen Wohnraums und der Klimakrise in Einklang zu bringen. Darüber hinaus ist Frankfurt mit großem Abstand die deutsche Pendler-Hauptstadt. Einzigartig ist, dass es hier fast ebenso viele Arbeitsplätze wie Einwohner*innen gibt. Arbeit, Wohnen, Mobilität und Stadtraum werden dadurch in hohem Maß geprägt. Deshalb bietet sich gerade diese Stadt und ihre Region für eine Ausstellung über Mobilität an.
Darüber hinaus spielt Mobilität in allen sozialen und alltäglichen Praktiken eine große Rolle. Die Erfahrungen sind individuell und zugleich spiegeln sie gesellschaftliche und strukturelle Zustände wider; sie verweisen auf menschliche Grundbedürfnisse und sind verankert in der jeweiligen Zeit
Die Ausstellung findet auf der gesamten Sonderausstellungsfläche von 1.000 m² im Ausstellungshaus statt. Über 400 Exponate werden gezeigt.
Über die Ausstellung

Die Ausstellung nimmt die komplexe Lage, mit der sich Individuen und die Stadtgesellschaft auseinandersetzen, als Ausgangspunkt. Sie widmet sich unterschiedlichen Facetten der Mobilität als Potenzial von Beweglichkeit und setzt diese in Bezug zu Frankfurt, das exemplarisch für viele Städte stehen kann. Im Zentrum steht der Mensch und seine mehrdimensionalen Wechselbeziehungen mit der Stadtgesellschaft und der Stadtarchitektur, die die verschiedenen Formen von Mobilität mit sich bringen. Der Raum – die Stadt – wird hierbei nicht als feste Größe, sondern im Sinne der sozialwissenschaftlichen Mobilitätsforschung als etwas Prozesshaftes betrachtet: Mobilität wird dann nach der Soziologin Katharina Manderscheid konstitutiv für die Herstellung und Veränderung von sozialen Formationen.
Es geht in der Ausstellung nicht darum, Frankfurts Karriere als Verkehrsknotenpunkt und als Pendlerhauptstadt darzustellen und die vielfältige Geschichte der Verkehrsmittel akribisch festzuhalten. Die Ausstellung beschäftigt sich vielmehr mit den aktuellen Fragen der Gegenwart. Welchen Herausforderungen muss sich die Stadtgesellschaft heute stellen und welche Visionen sind damit verknüpft?
Mittlerweile haben sich wissenschaftliche Parameter ausgebildet, die eine lebenswerte Stadt mit einer hohen Aufenthaltsqualität auszeichnen. Eine lebendige, nachhaltige, sichere und gesunde Stadt – das sind stadtplanerische Eigenschaften von Urbanität, die etwa der dänische Architekt und Stadtplaner Jan Gehl fordert, um mehr Lebensqualität in Städten zu schaffen. Dazu gehört eine Infrastruktur, die für alle Nutzer verfügbar ist und eine gerechte Verteilung der Flächen unter allen Verkehrsteilnehmer*innen und Verkehrsmitteln. Die Stadt Kopenhagen hat diese Eigenschaften als Ziele seit den 1970er Jahren in der Stadtplanung verankert; weitere europäische Städte wie Amsterdam, Paris und Barcelona setzen im Sinne einer zirkulären Stadtplanung bereits ähnliche Ziele in Teilen ihres Stadtraums um. Welche Rolle spielen solche Ansätze in Frankfurt und in der Rhein-Main-Region?
Die Ausstellung möchte ein vielfältiges Instrumentarium anbieten, damit Besucher*innen dies selbst beurteilen und eine Haltung dazu entwickeln können, um eigene Erfahrungen, Emotionen und Perspektiven zu reflektieren und zu überprüfen. Wissenschaftlichen Untersuchungen machen deutlich, dass ein Wandel der Mobilitätskultur gut wäre, um die
Qualität des Zusammenlebens in Stadt und Region halten und an sich wandelnde Bedingungen wie Klimawandel und Bevölkerungszuwachs anpassen zu können.
Welche Mobilitätskultur wollen wir leben? Zu dieser gerade sehr intensiv geführten Diskussion möchte die Ausstellung beitragen und mit allen
Besuchern ins Gespräch kommen.
Informationen zu den Ausstellungsbereichen
Die zehn Themeninseln
Was macht Mobilität eigentlich aus? Welche Werte, Vorstellungen, Bedürfnisse und vor allem: Welche Emotionen sind damit verknüpft? Die Vielschichtigkeit der Mobilität möchte
die Ausstellung an zehn Themeninseln beleuchten. Sie laden dazu ein, individuelle Erfahrungen mit gesellschaftlichen und sozialen Aspekten zu verknüpfen und verschiedene
Perspektiven einzunehmen.
- Tempo und Zeit
Alles ist beschleunigt. Deshalb scheint die Zeit immer knapper zu werden. - Entfernung und Pendeln
Der Wunsch, Entfernungen schnell und einfach zu überwinden, ist im Alltag nicht immer einfach. - Stillstand
Ist Stillstand immer negativ? Oder kann Stillstand auch eine Quelle von Kreativität und Wohlbefinden sein? - Fortschritt
Fortschritt in der Mobilität bedeutet auch die Entwicklung hin zu mehr Nachhaltigkeit und Inklusion - Körper und Mensch
Die Beziehung zwischen Körpern, Menschen und Bewegung ist vielfältig. Sie reicht von Einschränkungen bis zu neuen Arten der Mobilität. - Klima
Die menschliche Mobilität beeinflusst das Klima immer stärker. Das hat Auswirkungen auch auf das gesellschaftliche und soziale Klima. - Digitalisierung
Wo fließen digitale Datenströme und wie verknüpfen sie sich mit unseren Bewegungen? - Gerechtigkeit
Globaler Handel und Bewegungsfreiheit – Privileg der wenigen oder Vision für alle? - Mobilitätskarrieren
Wie bewegen sich Menschen unterschiedlichen Alters durch die Stadt? - Utopie
Wie können wir den gemeinsamen städtischen Raum nutzen und uns darin bewegen?
Stadtgeschichte
Stadt und Mobilität gehören zusammen: Das wird in Frankfurt ganz besonders deutlich. Je nachdem, wie wir auf die Stadt schauen, entdecken wir die Infrastruktur der vergangenen Zeit, etwa aus der Nachkriegszeit, die die Kriegszerstörungen nutzte, um autogerechte Schneisen durch die Stadt zu legen. In Asphalt versenkte Schienen geben Auskunft über Veränderungen im Nahverkehr; verwinkelte Straßenzüge verweisen auf die frühere Nutzung. Die Ausstellung verfolgt, wie sich Verkehrsmittel und Orte in Frankfurt entwickelt und verändert haben, die auch heute noch eine Rolle für die Mobilität in der Stadt spielen.
Die Post bildet den Anfang, da sich hier die Logistik ausbildet, die alles, was nachkommt, nachhaltig beeinflusst. Der kursorische Blick auf die Stadtentwicklung, auf Grenzen und Herausforderungen legt die Grundlage für die Auseinandersetzung mit der assoziativ-zeitgenössischen Herangehensweise bei den Themeninseln.
1.Durch die Post wird die Zeit neu strukturiert (Thurn und Taxis etabliert in Frankfurt 1701 eine Zentrale der Kaiserlichen Reichspost)
2.Der erste öffentliche Park als Ort für Bewegung, Freizeit und Sport
3.Der Bahnhof: Vernetzung mit der Welt
4.Herausbildung des Öffentlichen Nahverkehrs (Pferde-Omnibus und erste elektrische Straßenbahn ab 1899)
5.Neue Wohn- und Mobilitäts-Konzepte: das Neue Frankfurt 1925-1930
6.Die „autogerechte Stadt“ (1950er und 1960er Jahre)
7.Der Luftraum
8.Schienen – öffentlicher Nahverkehr
9.Welche Konzepte für die Gegenwart und Zukunft? (Planungen, Umsetzungen und wiss. Expertisen
Katalog
Bewegung! Frankfurt und die Mobilität
für das Historische Museum Frankfurt herausgegeben von Nina Gorgus, Victoria Asschenfeldt, Ilyas Chhima, Puneh Henning, Sarah Roller, Susanne Thimm (Schriften des Historischen Museums Frankfurt, herausgegeben von Susanne Gesser, Bd. 45), Societäts-Verlag, Frankfurter Societäts-Medien GmbH, (ISBN 978-3-95542-512-8), 208 S., 24 Euro.
Audio-Tour / Media-Guide
Fünf verschiedene Bewegungsformen führen Besucher*innen ab 14 Jahren durch die Ausstellung und bieten Flanierenden genauso wie Jetsetter*innen ein immersives Museumserlebnis. Die Tour
ist auf den Leihgeräten des Museums (3€) oder mit dem eigenen Smartphone (kostenlos) verfügbar. Um direkt loszulegen, halten Sie das Leihgerät an den QR-Code auf dem Fahrkartenautomaten.
Wenn Sie Ihr eigenes Smartphone nutzen wollen, können Sie sich ein Ticket aus dem Ausgabeschacht nehmen, den dortigen Code scannen und direkt einsteigen.
Wir wünschen eine gute Fahrt!
Abrufbar ist das Begleitprogramm im „Veranstaltungskalender“ des HMF https://historisches-museum-frankfurt.de/veranstaltungen
unter dem Filter „Frankfurt und die Mobilität“