Guido Reni. Der Göttliche – Maler des göttlich Schönen vom 23. 11.22 bis 23.03.23 im Städel Frankfurt

Statuenhaft isoliert und von intensiv farbigen Gewändern umrahmt, heben sich zwei nackte Körper vom tiefblauen Hintergrund ab. Auf einem Felsen der Insel Naxos lagert Ariadne, die Tochter des Kreter-Köniigs, zurückgelassen von ihrem Geliebten Theseus und mit himmelndem Blick klagend. Guido Reni (1575-1642) Bacchus und Ariadne ca 1614-16 Öl auf Leinwand. Los Angeles County Museum of Art. © Foto: Diether von Goddenthow
Statuenhaft isoliert und von intensiv farbigen Gewändern umrahmt, heben sich zwei nackte Körper vom tiefblauen Hintergrund ab. Auf einem Felsen der Insel Naxos lagert Ariadne, die Tochter des Kreter-Köniigs, zurückgelassen von ihrem Geliebten Theseus und mit himmelndem Blick klagend. Guido Reni (1575-1642) Bacchus und Ariadne ca 1614-16 Öl auf Leinwand. Los Angeles County Museum of Art. © Foto: Diether von Goddenthow

Erstmals seit über 30 Jahren entdeckt das Städel Museum Frankfurt in Zusammenarbeit mit dem Museo Nacional del Prado in Madrid den größten Maler des Barock Guido Reni in der umfassenden Sonderausstellung „Guido Reni. Der Göttliche“ vom 23. November 2022 bis 5. März 2023 neu. Am Bürger-Wochenende 26./27. November bietet das Städel Museum freien Eintritt in allen Räumen und Ausstellungen.

Bildnis des Guido Reni (1575–1642) von ca. 1635 - 37. Öl auf Leinwand, Bologna, Pinacoteca Nazionale. © Foto: Diether von Goddenthow
Bildnis des Guido Reni (1575–1642) von ca. 1635 – 37. Öl auf Leinwand, Bologna, Pinacoteca Nazionale. © Foto: Diether von Goddenthow

Der aus Bologna stammende Barockmaler Guido Reni (1575–1642) war der Malerstar seiner Zeit, aber auch ein Künstler, der einen Absturz der Extraklasse erlebt hat, sozusagen ein gefallener Engel war, wie es Künstler immer wieder in der Kunstgeschichte gab, „die vergessen wurden, weil sie zu erfolgreich gewesen sind“, so Philipp Demandt, Direktor des Städel Museums beim Presserundgang. Renis Ruf  sei im 19. Jahrhundert in Schieflage der Verkitschung gekommen. Es habe letztlich „unzählige Reproduktionen von seinen Werken gegeben bis hin zu den Einlegebildchen im katholischen Gebetbuch“, vertieft Kurator Dr. Bastian Eclercy, Sammlungsleiter italienische, französische und spanische Malerei vor 1800, Städel Museum. Es gab also „eine Verkitschung ins Devotionale hinein“, die die Wahrnehmung seiner Bilder veränderte und seinen Ruf beschädigt habe. „So ist manchmal eine Rezeptionsgeschichte auch eine Geschichte von Trivialisierung“, die die anderen faszinierenden Aspekte seiner Kunst aus dem Bewusstsein verdrängt habe.  Den wahren Guido Reni können Besucher jetzt in dieser faszinierenden Gesamtschau kennenlernen. Am besten mit einer Führung und/oder per Audioguide.

Die Ausstellung mit insgesamt 164 Objekten, davon 130 eigenhändig von Reni, zur Verfügung gestellt von 60 Leihgebern aus ganz Europa und den USA, ist die größte je zustande gekommene Ansammlung von Renis Meister-Werken, die jemals an einem Ort gezeigt wurde.  Dabei werden erstmals auch Ölgemälde und Papierarbeiten sowie  Radierungen gleichwertig und in direkter Gegenüberstellung präsentiert.

„Es ist eine unglaubliche Altmeisterausstellung mit riesigen Formaten und Zeichnungen, mit einer interessanten Anknüpfung an die weitaus kleinere Ausstellung von vor über 30 Jahren in der Schirn“, freut sich Karin Wolff, Geschäftsführerin des Kulturfonds RheinMain, der die Ausstellung mit anderen Sponsoren und dem Städelschen Museums-Verein e.V.  gemeinsam fördert hat. Mit seiner außerordentlichen Ausstellungs- Architektur, die das Städel stets für Ausstellungen plane und auch farblich vollzöge, würde den Gemälden einen ihn angemessenen herausragenden  Rahmen gegeben. Bologna sei die Partner-Region zu Hessen. „Und ich finde, schon von daher ist es eine außerordentlich gute Kombination, dass wir heute ein Reni-Fest für die nächsten Monate beginnen, und dafür wünsche ich großen Erfolg“, ergänzt die Kulturfonds-Geschäftsführerein.

Samson, der widersprüchliche Held aus dem Alten Testament, hat auf dieser Abbildung mit dem Unterkiefer eines Esels gerade tausend Philister erschlagen. Auf einem Schlachtfeld des Grauens balanciert Samson in komplizierter Pose mit seinem makellosen Körper: gelängt und biegsam, aber zugleich athletisch und spannungsreich. Guido Reni (1575 - 1642), ca. 1615 - 17. Öl auf Leinwand. Bologna, Pinacoteca Nazionale. © Foto: Diether von Goddenthow
Samson, der widersprüchliche Held aus dem Alten Testament, hat auf dieser Abbildung mit dem Unterkiefer eines Esels gerade tausend Philister erschlagen. Auf einem Schlachtfeld des Grauens balanciert Samson in komplizierter Pose mit seinem makellosen Körper: gelängt und biegsam, aber zugleich athletisch und spannungsreich. Guido Reni (1575 – 1642), ca. 1615 – 17. Öl auf Leinwand. Bologna, Pinacoteca Nazionale. © Foto: Diether von Goddenthow

Dr. Bastian Eclercy liegt besonders das größte Monumentalwerk der Ausstellung, das „Samson-Bild“, am Herzen.  Schon ohne Rahmen ist es 2,60 Meter hoch, und insgesamt mit Rahmen immerhin 150 Kilo schwer.- Dadurch war es schon eine Kunst für sich und recht schwierig, das wertvolle Großgemälde an die Wand zu bringen. Das Gemälde habe, so der Kurator, in seiner über 400jährigen Geschichte noch nie die Stadtgrenze von Bologna verlassen. „Und wir sind sehr bewegt, es in unserer Wand beherbergen zu dürfen“, freut er sich.

Neben diesem Highlight erwarten die Besucher viele weitere Monumentalwerke, das sind  für Eclercy Bilder ab einer Größe von 2 Metern. Selbst, wem die mitunter etwas schwülstig anmutenden Kolossalgemälde biblischer, mythischer und archaisch erscheinender Motive nicht ganz so liegen sollten, kann sich allein schon von der großartigen malerischen, grafischen handwerklichen und gestalterischen Perfektion faszinieren,  ergreifen und anregen lassen.

Brücke zur Geisteswelt des Barocks

Ausstellungsimpression Guido Reni Der Göttliche Städel Frankfurt. © Foto: Diether von Goddenthow
Ausstellungsimpression Guido Reni Der Göttliche Städel Frankfurt. © Foto: Diether von Goddenthow

Die über 400 Jahre alten Werke sind auch eine wertvolle visuelle Brücke in die Geistes- und Empfindungswelt einer europäischen Epoche, in der (Pest-) Tod, Teufelsangst und Gottesfürchtigkeit an der Tagesordnung waren. Vom  Bologneser Gelehrten Carlo Cesare Malvasia, Freund und Fan von Reni,  erfahren wir aus dessen Reni-Biographie 1678 recht schonungslos über des Malers ambivalente Persönlichkeit. Es sei inbrünstig religiös, aber zugleich auch fürchterlich abergläubisch gewesen, ja er hatte Angst, er würde verhext und dergleichen, so der Kurator. Er hatte zudem ein komplexes Verhältnis zu Frauen, ein inniges Verhältnis zu seiner Mutter, war gleichzeitig anderen Frauen gegenüber scheu, gar ängstlich.

Er fing die Schönheit des Göttlichen ein

Guido Reni (1575-1642) Fortuna mit der Geldbörse, ca. 1636-38 Öl auf Leinwand. Frankfurt am Main, Privatsammlung. © Foto: Diether von Goddenthow
Guido Reni (1575-1642) Fortuna mit der Geldbörse, ca. 1636-38 Öl auf Leinwand. Frankfurt am Main, Privatsammlung. © Foto: Diether von Goddenthow

Finanziell war Reni ausgesprochen erfolgreich, erhielt bereits zu Lebzeiten seinen ehrenvollen Beinamen Il divino (dt. „Der Göttliche“), da er die europäische Bildwelt tiefgreifend prägte und wie kein anderer die Schönheit des Göttlichen in Malerei übersetzte. Er fing quasi die Schönheit des Göttlichen ein.
Aber  zugleich war Reni auch hoffnungslos spielsüchtig. Sein Leben  nahm zu Bologneser Zeiten schon die  Züge eines Doppellebens an: „Ein bourgeoisier Maler, der tagsüber mit Hut und Maschen über den Kopf vor seiner Leinwand steht und mit den großen Auftraggebern verhandelt, und große Honorare vereinnahmt, und sich abends in den Spelunken von Bologna herumtreibt, und  wieder verzockt im  Würfel-  und  Kartenspiel, was er tagsüber eingenommen hat“,  kommentiert Kurator Eclercy und bezieht sich auf die ausführlichen Lebensbeschreibungen von Reni des Bologneser Gelehrte Carlo Cesare Malvasia aus dem Jahre 1678.  Aber  vielleicht  macht   Guido Reni seine ambivalente Persönlichkeit noch interessanter.

Ausstellungs-Rundgang

Guido Reni (1575–1642) Christus an der Geißelsäule, um 1604 Öl auf Leinwand, 192,7 x 109 cm (ohne Anstückungen) Frankfurt am Main, Städel Museum. © Foto: Diether von Goddenthow
Guido Reni (1575–1642) Christus an der Geißelsäule, um 1604 Öl auf Leinwand, 192,7 x 109 cm (ohne Anstückungen) Frankfurt am Main, Städel Museum. © Foto: Diether von Goddenthow

Diese Ausstellung präsentiert den Malerstar des italienischen Barock: Guido Reni (1575–1642). Neben  Hauptwerken aus der Sammlung des Städel Museums wie dem bedeutenden Frühwerk Himmelfahrt Mariens (um 1598/99) oder dem jüngst restaurierten Gemälde Christus an der Geißelsäule (um 1604) präsentiert die Ausstellung herausragende Arbeiten aus, wie gesagt, über 60 internationalen Museen und privaten Sammlungen, u. a. aus dem Museo Nacional del Prado, Madrid, der Pinacoteca Nazionale in Bologna, den Uffizien in Florenz, dem J. Paul Getty Museum und dem LACMA in Los Angeles, dem Metropolitan Museum of Art in New York und dem Louvre in Paris. Zudem ist eine Reihe von neu entdeckten und noch nie ausgestellten Werken Renis im Städel Museum zu sehen. Ergänzt wird diese Auswahl punktuell durch Gegenüberstellungen mit Werken von Vorbildern und Zeitgenossen, mit denen sich der Maler auseinandergesetzt hat (darunter Raffael, Parmigianino oder Annibale Carracci), sowie durch rare historische Dokumente, wie sein Rechnungsbuch der Jahre 1609–1612.

Facetten der Malerpersönlichkeit Guido Reni

Guido Reni (1575–1642) Himmelfahrt Mariens, um 1598/99 Öl auf Kupfer, 58 x 44,4 cm Städel Museum, Frankfurt am Main © Foto: Diether von Goddenthow
Guido Reni (1575–1642) Himmelfahrt Mariens, um 1598/99 Öl auf Kupfer, 58 x 44,4 cm Städel Museum, Frankfurt am Main © Foto: Diether von Goddenthow

Die auf zwei Stockwerken im großen Ausstellungshaus präsentierte Ausstellung beginnt im Erdgeschoss im 1. Raum mit der Auseinandersetzung seiner Maler-Persönlichkeit. Und trotz seines komplexen, ambivalenten Wesens zwischen „Superstar und Glückspieler“ war  Reni, so erfahren wir es von den Wandtexten, keineswegs ein einsames, verkanntes Genie, sondern vielmehr ein gefeierter Star seines Faches. Auf einem Skizzenblatt, das ein bemerkenswertes Zeugnis der zeichnerischen Auseinandersetzung mit sich selbst darstellt, hat er mehrfach seine Signatur eingeübt: „Ich, Guido Reni, Bologna“. In einem anderen raren Dokument, seinem Rechnungsbuch der Jahre 1609 bis 1612, bilanziert der Maler sorgfältig die Ausgaben und Einnahmen seiner Tätigkeit in Rom.
Einen exemplarischen Einstieg in Renis Kunst bietet eine Gruppe von Bildern der Himmelfahrt Mariens, die noch nie gemeinsam zu sehen waren: ein Lebensthema, das ihn von seinen ersten Jahren in Bologna bis in die ganz späte Phase immer wieder neu beschäftigt hat. Ausgangspunkt ist die früheste Version im Städel Museum, ein regelrechtes Programmbild seiner künstlerischen Ambitionen, auf das mehrere davon ausgehende Fassungen im kleinen wie großen Format folgten. Kein anderes Sujet vermag jene „himmlischen Ideen“, die engelsgleichen und paradiesischen Qualitäten von Renis Malerei, welche die zeitgenössischen Quellen als sein Alleinstellungsmerkmal ausweisen, besser zu verdeutlichen.

Auf dem Weg. Renis Anfänge in Bologna

Renis Anfänge in Bologna - Ausstellungsimpression Guido Reni Der Göttliche Städel Frankfurt. © Foto: Diether von Goddenthow
Renis Anfänge in Bologna – Ausstellungsimpression Guido Reni Der Göttliche Städel Frankfurt. © Foto: Diether von Goddenthow

Der nächste Raum erzählt Renis Anfänge in Bologna. Nach einer zehnjährigen Ausbildung in der Werkstatt des Spätmanieristen Denys Calvaert, der in Bologna vor allem mit kleinformatigen Bildern auf Kupfer erfolgreich ist und Renis Talent schon früh erkennt, tritt Guido aufgrund eines Zerwürfnisses mit seinem Meister 1595 in die Akademie der Carracci ein. In dieser neuartigen
Kunstschule, die eine Reform der Malerei und ihrer Lehre anstrebt, fördert ihn Ludovico Carracci, während dessen Cousin Annibale den jungen Reni als künftigen Konkurrenten kritisch beäugt. Gleichwohl prägt Annibale ihn künstlerisch ganz entscheidend. Die Carracci überlassen Reni kleinere Aufträge, die er – anders als bei Calvaert – auf eigene Rechnung ausführen darf, bevor es 1598 auch mit Ludovico zum Bruch kommt.
In diesen Jahren entstehen die ersten Altarbilder und kleinformatige Werke sowie virtuose Kreidezeichnungen, die demonstrieren, wie Reni schon früh den Spätmanierismus Calvaerts, die Reformmalerei der Carracci und sein Studium der Meister der Hochrenaissance (vor allem Raffael und Parmigianino) zu einer ganz eigenständigen Synthese vereint. Bis zu seinem Weggang nach Rom im Jahr 1601 zählen dabei die Konventeder Dominikanerinnen und Dominikaner in Bologna zu Renis wichtigsten Auftraggebern.

Caravaggist oder Anti-Caravaggio?

Ausstellungsimpression Guido Reni Der Göttliche Städel Frankfurt. © Foto: Diether von Goddenthow
Ausstellungsimpression Guido Reni Der Göttliche Städel Frankfurt. © Foto: Diether von Goddenthow

Im nächsten Raum werden Renis ersten Jahre in Rom, im Jahre 1601 beleuchtet.  Es zieht den Maler in die Hauptstadt des Kirchenstaats, zu dessen Territorium auch Bologna gehört.  Gemeinsam mit
Francesco Albani und Domenichino, den beiden Künstlerfreunden aus der Heimat, lebt er zwei Jahre lang in einer Wohngemeinschaft im Gästehaus von Santa Prassede. Für Kardinal Paolo Emilio Sfondrati führt er mehrere bedeutende Aufträge aus. Reni schließt sich in Rom jedoch nicht seinem Bologneser Landsmann Annibale Carracci an, auch nicht dem selbst erst im Aufstieg begriffenen Revolutionär Caravaggio, sondern dem Cavalier d’Arpino, einem etablierten und gut vernetzten Spätmanieristen.
Sein Biograf Malvasia stilisiert Guido zu einer Art ‚Anti-Caravaggio‘, und in der Tat stehen die Eleganz und ideale Schönheit seiner Malerei in markantem Kontrast zum Naturalismus und zum dramatischen Hell-Dunkel des Lombarden. Paradoxerweise wird Reni dennoch bald zu einem ‚Caravaggisten‘ der ersten Stunde, wenngleich nur für wenige Jahre (um 1604–06) und mit einer sehr individuellen und selektiven Interpretation von Caravaggios Kunst. Dafür stehen beispielhaft der Christus an der Geißelsäule, das große Altarbild mit dem Martyrium der heiligen Katharina oder der David, für den sich Reni zudem an einer antiken Skulptur orientiert. So erweitert sich sein Erfahrungshorizont in den ersten römischen Jahren beträchtlich. Dazu zählen auch episodenhafte Ausflüge in die Gattung der mit kleinen Figuren staffierten Landschaft.

Im Dienst der Borghese. Reni als Freskenmaler (und Zeichner) in Rom

Guido Reni - Aurora- Fresko im Casino des Palazzo Pallavicini Rospigliosi, Rom. © Foto: Diether von Goddenthow
Guido Reni – Aurora- Fresko im Casino des Palazzo Pallavicini Rospigliosi, Rom. © Foto: Diether von Goddenthow

Seinen rasanten Aufstieg vom praktisch unbekannten Ankömmling aus Bologna bis hin zum Malerstar in Rom verdankt Reni insbesondere der „Papst-Familie“ Borghese. So wird er in der zweiten Hälfte seines Rom-Aufenthaltes, der etwa von 1607 bis 1614 währt. von Papst Paul V. Borghese und den Kardinalnepoten Scipione Borghese als ‚Hofkünstler‘ beschäftigt. Damit steigt der Neuankömmling innerhalb kürzester Zeit zum führenden Maler der Ewigen Stadt auf. Es sind nun vor allem große Freskenprojekte, die Reni für die Borghese ausführt und in seinem Rechnungsbuch dokumentiert: im Vatikanischen Palast, in San Gregorio Magno, im Quirinalspalast, in Santa Maria Maggiore und schließlich das berühmte Aurora- Fresko im Casino des Palazzo Pallavicini Rospigliosi. Letzteres sollte bis ins 19. Jahrhundert zu den maßgeblichen Sehenswürdigkeiten Roms zählen. In der Ausstellung repräsentiert diesen wichtigen Teilbereich von Renis Schaffen eine Auswahl hochkarätiger Zeichnungen für alle Projekte, darunter Kompositionsstudien in Feder und Detailstudien in Kreide. Sie machen seine Entwurfspraxis und Zeichenkunst auf eindrucksvolle Weise anschaulich. Nach seiner endgültigen Rückkehr nach Bologna 1614 erhält Reni von Kardinal Pietro Aldobrandini den Auftrag, eine Kapelle im Dom von Ravenna auszustatten, doch möchte er sich fortan den körperlichen Strapazen der Freskomalerei nicht mehr aussetzen. So zeichnet er eigenhändig die Entwürfe im Originalformat (Kartons), von denen sich zwei rare Beispiele erhalten haben, und überträgt deren Ausführung seinen Mitarbeitern.

Weitere Schwerpunkt-Räume der Ausstellung sind beispielsweise:

Zurück in Bologna. Renis prima maniera

Guido Reni (1575 - 1642) Lucretia, ca. 1625. Öl auf Leinwand. Potsdam, Stiftung Preußische Schlösser und Gärten. Berlin Brandenburg, Neues Palais. © Foto: Diether von Goddenthow
Guido Reni (1575 – 1642) Lucretia, ca. 1625. Öl auf Leinwand. Potsdam, Stiftung Preußische Schlösser und Gärten. Berlin Brandenburg, Neues Palais. © Foto: Diether von Goddenthow

Seine römischen Erfahrungen entwickelt er zu einem kraftvoll-monumentalen, höchst eigenständigen Stil mit plastischen Einzelfiguren oder kleinen Figurengruppen vor dunklen Hintergründen weiter, den Malvasia als Renis prima maniera bezeichnet.

Arie di teste.Kopfstudien und ‚himmelnder Blick‘
Renis Zeichenkunst kulminiert in seinen schon von den Zeitgenossen hochgeschätzten und gesammelten ‚Ausdrucksköpfen‘ (arie di teste) in schwarzer und roter Kreide. Meist weisen diese den sogenannten ‚himmelnden Blick‘ auf, der regelrecht zum Synonym für seinen Stil geworden ist und unzählige Nachahmer gefunden hat.

Bolognas nackte Helden. Der männliche Akt

Atalante galt als uneinholbar schnell, alle ihre männlichen Herausforderer hatte sie bis dahin besiegt. Doch Hippomenses konnte mithilfe dreier goldener Äpfel der Aphrodite, die er hinter sich fallen ließ, seine Auserwählte ablenken, erreichte vor ihr das Ziel und durfte sie ehelichen. Hippomenes und Atalante ca 1615-18 Öl auf Leinwand Madrid, Museo Nacional del Prado. © Foto: Diether von Goddenthow
Atalante galt als uneinholbar schnell, alle ihre männlichen Herausforderer hatte sie bis dahin besiegt. Doch Hippomenses konnte mithilfe dreier goldener Äpfel der Aphrodite, die er hinter sich fallen ließ, seine Auserwählte ablenken, erreichte vor ihr das Ziel und durfte sie ehelichen. Hippomenes und Atalante ca 1615-18 Öl auf Leinwand Madrid, Museo Nacional del Prado. © Foto: Diether von Goddenthow

Teil II der Ausstellung startet im 1. OG mit „Bolognas nackten Helden“. In den Jahren der Bologneser prima maniera (um 1614–25) beschäftigt sich Reni in einer Reihe von Großformaten immer wieder mit dem männlichen Akt – bisweilen in Kombination mit dem weiblichen. Mythologische Figuren wie Herkules, Bacchus, Hippomenes oder Apoll dominieren dabei; es finden sich aber auch religiöse und allegorische Motive, etwa der alttestamentliche Held Samson oder die Personifikationen der himmlischen und der irdischen Liebe. All die monumentalen Kompositionen konzentrieren sich auf eine einzelne Ganzfigur oder auf das Zusammenspiel zweier Protagonisten, die wie Skulpturen ins Bild gesetzt sind und mit minimalem Beiwerk auskommen. Muskulös, aber von feingliedriger Eleganz und schönliniger Bewegtheit sind diese Körper. Die vom Studium der Antike und der Natur beseelte „Idee des Schönen“, wie sie der Kunsttheoretiker Giovan Pietro Bellori später nennen wird, findet hier anschauliche Gestalt.

Helle Palette und göttliches Licht. Renis seconda maniera
Ab den späten 1620er-Jahren hellt sich Renis Farbpalette zusehends auf. Wie Malvasia berichtet, versucht der Maler durch den stärkeren Einsatz von Bleiweiß dem Nachdunkeln seiner Gemälde, wie er es bei älteren Werken anderer Künstler beobachtet hat, von vornherein strategisch entgegenzuwirken.

Guido Reni invenit. Das druckgrafische Werk
Während seiner ganzen Laufbahn ist Reni auch als Druckgrafiker tätig und schafft rund 40 eigenhändige Radierungen – allesamt keine Reproduktionsgrafiken nach seinen Gemälden, sondern autonome Bilderfindungen. Von einem Großteil davon besitzt das Städel Museum Abzüge, die hier erstmals präsentiert werden.

Non finito. Renis letzte Werke
Aus Guidos letzten Jahren hat sich, teilweise in seinem Nachlassinventar von 1642 erwähnt, eine bemerkenswerte Gruppe von Gemälden erhalten, die unterschiedliche Grade des Unvollendeten aufweisen.

Epilog Reni ausstellen – vorgestern, gestern, heute
Im 19. Jahrhundert war die Kunst Guido Renis (und der meisten seiner Zeitgenossen) aufgrund anderer ästhetischer Vorlieben in Ungnade gefallen. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg haben die kunsthistorische Forschung und das breitere Publikum ihn und sein Schaffen zaghaft wiederentdeckt: zunächst 1954 in der ersten monografischen Schau in seiner Heimatstadt Bologna und dann 1988/89 in einer Wanderausstellung, die neben Bologna, Los Angeles und Fort Worth auch in Frankfurt in der Schirn Kunsthalle Station machte.

Ausstellungskatalog zur Sonderausstellung „GUIDO RENI. Der Göttliche“ (23.11.2022–05.03.2023)
guido-reni-katalog-2022-160Zur Ausstellung erschien ein von Bastian Eclercy herausgegebener Katalog mit einem Vorwort von Philipp Demandt und Beiträgen von Stefan Albl, Maria Aresin, Hans Aurenhammer, Lilly Becker, Babette Bohn, Aoife Brady, Heiko Damm, Corentin Dury, Sybille Ebert-Schifferer, Bastian Eclercy, Theresa Gatarski, Francesco Gatta, Mareike Gerken, Andreas Henning, Julia Katz, Raffaella Morselli, Elisabeth OyMarra, Catherine Puglisi, Andreas Raub, Aleksandra Rentzsch, Alexander Röstel, Letizia Treves, Samuel Vitali und Linda Wolk-Simon. Deutsche und englische Ausgabe, 328 Seiten, 39,90 Euro (Museumsausgabe)/ Buchhandelsausgabe bei Hatje Cantz.

Ort:
staedel-museum-sanierung-22-11-2022Städel Museum, Schaumainkai 63, 60596 Frankfurt am Main
Information: www.staedelmuseum.de
Besucherservice und Führungen: +49(0)69-605098-200, info@staedelmuseum.de

Öffnungszeiten: Di, Mi, Fr, Sa, So + Feiertage 10.00–18.00 Uhr, Do 10.00–21.00 Uhr
Sonderöffnungszeiten: Aktuelle Informationen zu besonderen Öffnungszeiten an Feiertagen unter
www.staedelmuseum.de
Tickets und Eintritt: Tickets online buchbar unter shop.staedelmuseum.de. Di–Fr 16 Euro, ermäßigt 14
Euro; Sa, So + Feiertage 18 Euro, ermäßigt 16 Euro; freier Eintritt für Kinder unter 12 Jahren; Gruppen ab
10 regulär zahlenden Personen: 14 Euro pro Person, am Wochenende 16 Euro. Für alle Gruppen ist
generell eine Anmeldung unter Telefon +49(0)69-605098-200 oder info@staedelmuseum.de erforderlich.

Am 26. und 27. November 2022 ist der Eintritt frei im Rahmen des Projektes „Städel Open House“