Ganoven, Kanonen und Milizionäre: Das goEast Symposium 2016 auf den Spuren des Kriminalfilms

GoEast zentraler Festival-Ort caligari Filmbühne Wiesbaden
GoEast zentraler Festival-Ort caligari Filmbühne Wiesbaden

goEast – Festival des mittel- und osteuropäischen Films steht vom 20. bis 26. April ganz im Zeichen des Kriminalfilms und bringt bisher weitgehend unbekannte Spielarten des beliebten Genres nach Wiesbaden.

Traditionell als Festival im Festival präsentiert goEast jährlich ein Symposium zu einem filmhistorisch oder gesellschaftlich relevanten Thema, lädt ExpertInnen ein und bringt wahre Filmschätze aus europäischen Archiven nach Wiesbaden. Mit dem Kriminalfilm aus Mittel- und Osteuropa widmet es sich vom 21. bis 24. April einer Produktionskultur, die bislang nur wenig Beachtung fand. Unter dem Titel „Die im Schatten: Verbrechen und andere Alltäglichkeiten im mittel- und osteuropäischen Kriminalfilm ab 1945“ hat Kurator Olaf Möller ein Programm aus zwölf Filmen und sechs Vorträgen zusammengestellt, das an diesen Themenkreis heranführt.
Der Blick gen Osten verrät, dass der Krimi sich dort ähnlicher Beliebtheit erfreut wie in Deutschland – was sich nicht allein in seiner beachtlichen Produktionsmenge niederschlägt. Wie kaum ein anderes Genre vermag der Kriminalfilm dabei Zeitgeschichte, Lebenswirklichkeit und Alltag abzubilden. Die zwölf Filmbeiträge aus zwölf verschiedenen Ländern nehmen unterschiedliche zeitliche Settings in den Blick – von der Nachkriegszeit bis zur Gegenwart – und umspannen dieselbe Produktionsperiode. Unter anderem liefert der lettische Genremeister Aloizs Brencs in EIN ÜBERFLÜSSIGES LEBEN (UdSSR 1976) Bilder eines heruntergekommenen Riga; der DEFA-Krimi JETZT UND IN DER STUNDE MEINES TODES (DDR 1962; Regie: Konrad Petzold) prangert das von Altnazis durchdrungene politische Establishment der Bonner Republik an, während Wojciech Smarzowski in DAS HAUS DES BÖSEN (Polen 2009) Verbrechen von Milizionären während der Kriegsrechtsjahre aufdeckt. Die landesspezifischen Umstände und Entwicklungen sowie deren Darstellung im Film brachten dabei ganz eigene Spielarten des Kriminalfilms hervor: So finden sich im russischen Genrekino vermehrt Vigilanten-Filme, wie Yuriy Bykovs LEBEN! (Russland 2010), während sich im Serbien nach den Jugoslawien-Kriegen eine sehr spezifische, gewaltreiche Form des Film noir etablierte – wie bei Dorde Milosavljevics MECHANISMUS (Serbien 2000).
Trotz seiner Vielschichtigkeit und der Vielzahl an Produktionen fand der mittel- und osteuropäische Kriminalfilm in Wissenschaft und Kritik bislang kaum Beachtung. Woher diese Schieflage kommt, möchte das Symposium im Laufe der vier Veranstaltungstage klären. Eine inhaltliche Vertiefung bieten sechs Vorträge sowie eine abschließende Diskussion.