
Mit Perscheids Cartoons schaue man lachend in unermessliche und gefährliche Tiefen, „bevor man merkt, worüber man da eigentlich lacht. Denn ganz weit unten lauert das Unfassbare, das scheinbar Unsag- und Undenkbare“, bringt Stefanie Rohde Kuratorin Caricatura frankfurt, Perscheids Werk bei einem Pressegespräch auf den Punkt. Martin Perscheid, 1966 im rheinischen Wesseling geboren, zähle zu den markantesten Cartoonisten des deutschsprachigen Raums. Mit seinem unverwechselbaren Strich, seinem präzisen Gespür für menschliche Schwächen und seinem rabenschwarzen Humor schuf er ein Werk, das weit über bloße Komik hinausreicht. Seine berühmte Serie „Perscheids Abgründe“ wurde über Jahrzehnte hinweg zu einem festen Bestandteil der deutschen Humorlandschaft und machte ihn zu einem der prägendsten Cartoonisten seiner Zeit.

Jetzt ehrt das Caricatura Museum Frankfurt den legendären Künstler anlässlich seines 60. Geburtstags mit einer umfassenden Jubiläumsausstellung: „Das kann nur Perscheid“, zu sehen vom 28. November 2025 bis 7. Juni 2026. Die Schau würdigt sein gesamtes Schaffen und beleuchtet gleichzeitig die enorme kulturelle Resonanz, die Perscheids Werk bis heute besitzt.

Perscheid erhielt im Verlauf seiner Karriere zahlreiche Auszeichnungen: 2002 wurde ihm der Max & Moritz-Preis für den besten deutschsprachigen Comic-Strip verliehen, 2004 belegte er den dritten Platz beim Deutschen Karikaturenpreis, 2018 erneut den dritten Platz beim Deutschen Cartoonpreis. Eine ganz besondere Ehrung wurde ihm bereits 2016 zuteil, als die Caricatura – Galerie für Komische Kunst ihn mit dem „Denkmal des unbekannten Idioten“ ehrte. Die figurative Skulptur – ein glatzköpfiges Männchen mit Brille und Knollennase – steht bis heute auf dem Vordach des Kasseler KulturBahnhofs und erinnert an einen der zentralen Protagonisten seines Werkes, der in Perscheids Cartoons die alltäglichen Dummheiten des Lebens mit stoischer Verzweiflung auszuhalten versucht.

Auch in seiner Arbeitsweise war Perscheid eigenständig. Er entschied sich früh dafür, seine Werke über eine eigens eingerichtete Facebook-Seite zu veröffentlichen und erreichte dort ein riesiges Publikum. Auf seiner bis heute bestehenden Website martin-perscheid.de sind seine Cartoons bis zur Nummer A 4252 nach einer eigenen Systematik katalogisiert. Die stetig wachsende Fangemeinde organisiert sich mittlerweile in der Facebook-Gruppe „Perscheid Cartoons 3.0“, der über 242.000 Personen angehören. Diese Community kümmert sich auch um die Fortführung und Pflege der Datenbank idioten-die-im-wege-stehen.de, die eine textbasierte Suche durch einen Großteil seines Œuvres ermöglicht – ein eindrucksvolles Beispiel dafür, wie lebendig und präsent sein Werk nach seinem Tod geblieben ist.

Bereits zu Lebzeiten galt Martin Perscheid als wichtiges Vorbild seiner Zunft: Seine Werke gehören längst zum Kanon der Komischen Kunst, erläutert Martin Sonntag, Leiter des Frankfurter Caricatura-Museums am Dom, und langjähriger Freund Perscheids, der 2021 mit nur 55 Jahren viel zu früh an Krebs verstarb. Er sei immer noch sehr berührt. Und eines der größten Herausforderung seines Lebens war, so Sonntag, als er die Trauerrede bei der Beerdigung Perscheid hielt. Sein Tod hinterließ eine spürbare Lücke in der deutschsprachigen Cartoon-Szene, denn sein Humor war nicht nur stilprägend, sondern auch unverwechselbar mutig.
Befreiend politisch unkorrekt

Perscheid nahm sich jedes Thema vor, ohne Rücksicht auf Tabus, aber stets mit einem scharfen Blick für die Absurditäten menschlichen Verhaltens. Seine Werke sind so herrlich befreiend politisch unkorrekt; „wo viele aus Angst vor politischer Unkorrektheit aufhören genau hinzuschauen, genau das platziert er seinen beißenden Spott, der auch noch gradios komisch ist“, brachte es Kollege Til Mette Perscheid mal liebevoll auf den Punkt. Perscheid verschonte nichts und niemanden, teilte in alle Richtungen aus: Tiere, Eltern, Autofahrer und -fahrerinnen, Beziehungen, Frauen und auch Perscheids eigenes Alter Ego bewegen sich gefährlich nah am Rand des Abgrunds. Und so vielfältig sein Figurenpersonal, so breit war auch sein Themenspektrum – stets geprägt vom provokant tabulosen Spiel mit geschlechtsspezifischen Stereotypen, Genderkritik und menschlichen Schwächen und gängigen Klischees.
Die Figuren in seinen Cartoons – Normalbürger, Paare, Zyniker, Ahnungslosigkeiten aller Art – wurden bei ihm zu Spiegelbildern einer Welt, die er als zutiefst widersprüchlich, komisch und tragikomisch zugleich inszenierte. Gerade diese Mischung aus Überzeichnung, Lakonie und existenzialistischem Humor machte seine Cartoons unverwechselbar. Kollegen würdigten ihn als einen Künstler, der immer bereit war, einen Schritt weiterzugehen als erwartet – und der gerade deshalb so einzigartig blieb. So hieß es bei Kollegen: „Gut, hat Perscheid schon gemacht!“, darin der Subtext „es selbst nicht besser hinkriegen zu können“, plaudert Martin Sonntag Leiter Caricatura Museum Frankfurt ein wenig aus dem Nähkörbchen.

Leitender Direktor Archäologisches Museum Frankfurt, und Martin Sonntag
Leiter Caricatura Museum Frankfurt, bewundern Martin Perscheids selbst restaurierte Honda CB 450 (Jahrgang 1966), „mit 190 Kilogramm das schwerste Exponat, das wir je hatten“, so Sonntag. © Foto Diether von Goddenthow
Die Ausstellung im Caricatura Museum Frankfurt zeigt Perscheids prägnanteste Werke, die den Ausstellungstitel „Das kann nur Perscheid“ unterstreichen und unter Beweis stellen. Die Schau zeigt auch eine andere Facette des Cartoonisten und präsentiert Modelle und technische Erfindungen Perscheids. Dass der Künstler ein leidenschaftlicher Motorradfahrer und -schrauber war, ist kein Geheimnis und zeigt sich in vielen seiner – auch in der Ausstellung gezeigten – Cartoons. So nimmt Perscheids geliebte und selbstrestaurierte Honda CB 450 (Jahrgang 1966) einen Ehrenplatz in der Ausstellung ein.
Parallel 30 Perscheid-Cartoons im Archäologischen Museum
In einem zweiten, ausstellungsbegleitenden Teil der Schau präsentiert Perscheid-Fan und Museumsdirektor Dr. Wolfgang David im Archäologischen Museum rund 30 Werke von Martin Perscheid. Perscheid habe eine unglaubliche Beobachtungsgabe, auch im Bereich der Archäologie, so David. Die Werke werden auf Staffeleien gezeigt und thematisch den Bereichen Archäologie, Geschichte und Evolution zugeordnet. Bereits eine erste Kooperation mit Werken von Walter Moers im Frühjahr war für das Archäologische Museum ein großer Erfolg. Mit der Caricatura-Eintrittskarte ermäßigt sich der Eintritt im Archäologischen Museum (Karmelitergasse 1, 60311 Frankfurt am Main; Öffnungszeiten: Dienstag, Donnerstag–Sonntag 10.00–18.00 Uhr, Mittwoch 10.00–20.00 Uhr).

„Die Jubiläumsausstellung ‚Das kann nur Perscheid‘ ist absolut empfehlenswert und befreiend, weil sie erlaubt, wieder einmal schamlos und ohne schlechtes Gewissen über die Grenzen des politisch korrekten Tellerrands hinweg zu lachen.“ Eben: „Das kann nur Perscheid“ bieten!!!
(Caricatura / Diether von Goddenthow – RheinMainKultur.de)
Ort:
Caricatura Museum Frankfurt – Museum für Komische Kunst
Weckmarkt 17, 60311 Frankfurt am Main
caricatura-museum.de
Öffnungszeiten:
Dienstag bis Sonntag: 11:00 – 19:00 Uhr
caricatura-museum.de
Montag: geschlossen
DAS KANN NUR PERSCHEID

Das Beste aus Perscheids Abgründen
Perscheids treue Fan-Gemeinde kann aufatmen, endlich gibt es etwas Neues vom Kult-Cartoonisten Martin Perscheid. Dieser opulente Cartoonband versammelt die besten Werke von Martin Perscheid und gibt zugleich ganz neue Einblicke in sein künstlerisches Schaffen. Denn neben Perscheids legendären Cartoons – von den Anfängen bis zu seinen letzten Arbeiten – zeigt das Buch auch Perscheids Installationskunst, die er gemeinsam mit seinem Freund und Künstler-Kollegen Dirk Schmitt geschaffen hat. Die im Buch enthaltenen Textbeiträge geben einen interessanten Einblick in das künstlerische Schaffen von Martin Perscheid.
Mit einem Vorwort von Martin Sonntag Lappan Verlag, 2025, 240 Seiten, Hardcover
ISBN 978-3-8303-3715-7 22,00 Euro
Publikationen

• Beeil Dich, Mutter! Lappan Verlag, 2021.
• Perscheids Abgründe. Lappan Verlag, 2021.
• Führende YouTuber fanden heraus, dass Flugzeuge gar nicht fliegen können. Lappan Verlag, 2019.
• Der fette Perscheid. Lappan Verlag, 2018.
• Tut mir furchtbar leid, aber ein winzig kleiner Penis zählt nicht als Behinderung! Lappan Verlag, 2017.
• Wieso hat Facebook unser Profilbild gelöscht?, Lappan Verlag, 2016.
• Ich würde Sie ja anzeigen, aber ich seh’ nix!, Lappan Verlag, 2014.
• Frauen. Lappan Verlag, 2013.
• Angeber der Karibik. Lappan Verlag, 2012.
• Das Cartoonbuch für Väter. Lappan Verlag, 2010.
• Abnehmen mit dem Mond. Lappan Verlag, 2009.
• Der dicke Perscheid. Lappan Verlag, 2008.
• Perscheid für Schrauber. Lappan Verlag, 2008.
• Der kleine Perscheid. Lappan Verlag, 2007.
• Also mir persönlich sagt das was!. Lappan Verlag, 2006.
• Auch Männer können Spülmaschinen ausräumen!. Lappan Verlag, 2004.
• Hunde am Abgrund. Lappan Verlag, 2003.
• Eltern am Abgrund. Lappan Verlag, 2003.
• Jemand hat mir eine SMS geschickt! Lappan Verlag, 2002.
• Beziehungen am Abgrund. Lappan Verlag, 2001.
• Männer am Abgrund. Lappan Verlag, 2001.
• Autofahrer am Abgrund. Lappan Verlag, 2001.
• Frauen am Abgrund. Lappan Verlag, 2001.
• First-Date-Katastrophen. Lappan Verlag, 2000.
• Floradomie. Rake-Verlag, 2000.
• If…, die wahre Geschichte der Welt (zusammen mit Jens-Oliver Haas). Rake-Verlag, 1999.
• Wenn Deppen duschen. Lappan Verlag, 1999.
• Nun, das will ich mal gelten lassen. Lappan Verlag, 1997.
• Gänse – Stripshow. Lappan Verlag, 1995.
