
Bei Kaiser-Wetter, hoch oben über den Dächern von Frankfurt haben gestern, am 18. August 2025, Dompfarrer Dr. Johannes zu Eltz, Stadtkämmerer Dr. Bastian Bergerhoff und Museumsdirektorin Bettina Schmitt die neue Dauerausstellung „Turm und Stadt, oder: Wofür man einen Domturm braucht“ in der Türmerstube des Frankfurter Kaiserdoms eröffnet.
In den drei kleinen Räumen der Türmerstube, 66 Meter über der Stadt, wird die Geschichte des Domturms lebendig erzählt. Zahlreiche Bilder, Dokumente und Hörstationen laden zum Anschauen, Lesen und Hören ein und vermitteln Eindrücke vom Leben und Arbeiten hoch oben auf dem Turm – ebenso wie von der besonderen Zuneigung, die Einheimische und Reisende dem Frankfurter Wahrzeichen seit jeher entgegenbringen. Berichte von Besucherinnen und Besuchern wie Victor Hugo und Cornelia Goethe, eine Installation des Künstlerinnen-Duos Sounds of Silence sowie ein animierter Film von Stefan Matlik machen den Alltag des Domtürmers anschaulich. Ihre Stimmen erhalten der Türmer und seine Frau durch die Schauspieler Michael Quast und Stefani Kunkel.

„Was viele nicht wissen und vielleicht etwas verwundert: Der Kirchturm war von Anfang an vor allem ein städtisches Gebäude. Eine wesentliche Funktion war die Nutzung als Brandwache. Um das rund um die Uhr zu gewährleisten, wurde eine Wohnung für den Türmer und seine Familie eingerichtet“, sagt Kämmerer Dr. Bergerhoff. „Mit der Dauerausstellung in der Türmerstube haben wir diesem Raum wieder Leben eingehaucht. Jetzt lässt sich endlich Näheres über die Baugeschichte, über die Türmer und über die Stube als Wohnort und als Brandwache erfahren.“ Denn der Domturm diente nicht nur der Repräsentation, sondern auch ganz praktischen Zwecken. Er ist bis heute mit seiner Uhr und den Glocken Ort der Zeitmessung und Zeitverkündung, er diente als Feuerwache, als militärischer Beobachtungsposten, als touristische Attraktion und gelegentlich sogar als Veranstaltungsort für Feste.
„‚Zum Sehen geboren, zum Schauen bestellt, dem Turme geschworen, gefällt mir die Welt.‘ – Goethe hat das Türmerlied aus dem Faust nicht in Frankfurt geschrieben, es ist ein Alterswerk aus Weimar. Aber das ihm dabei auch der Pfarrturm des Bartholomäusdomes mit seiner Türmerwohnung in den Sinn kam, das will ich wohl glauben. Diesen Anblick vergisst man nicht. Heute nur noch Mittelfeld der vielen Frankfurter Hochhäuser ist er doch der Turm der Herzen geblieben“, betont Dompfarrer Dr. Johannes zu Eltz.

Als der Frankfurter Stadtrat 1414 beschloss, für die künftige Krönungskirche der Kaiser einen repräsentativen Neubau zu beginnen, war es höchste Zeit, denn „die alten Westtürme waren baufällig“, führt die Leiterin des Dommuseums Bettina Schmitt in die Ausstellung ein. „Als man dann 100 Jahre später die Bauarbeiten provisorisch beendete, war der Kostenvoranschlag um 900 Prozent übertroffen.“ Seit dem ersten provisorischen Bauabschluss 1514 wurde der Dom Wahrzeichen Frankfurts. Er verkörperte den Stolz und die Unabhängigkeit der Frankfurter Bürgerschaft und war zugleich ein Zeichen ihrer Frömmigkeit. Der Turm sorgte für Finanznöte und war Ort vieler Festlichkeiten, diente als Wache und als Wohnung, wurde kritisiert und bewundert. Unzählige Besucherinnen und Besucher stiegen die 328 Stufen zur Galerie hinauf um den Blick auf die Stadt und ihre Umgebung zu genießen. Die Ausstellung erzählt in drei Kapiteln in den drei kleinen Räumen der Türmerstube die Baugeschichte und viele Turmgeschichten aus über 600 Jahren.
Domturm-Romantik versus Domturm-Wirklichkeit

Anrührend habe Victor in seinem Rhein-Reisebericht „Le Rhin“ ( 1842) uns einen Einblick über das Leben in der Türmerstube hinterlassen, so Dr. Wolfgang Cillessen, Kurator im Historisches Museum Frankfurt. Victor Hugo schrieb: „Ich wollte den Thurm besteigen. Der Glöckner, der mir in der Kirche als Führer gedient hatte, aber kein Wort Französisch versteht, hat mich bei den ersten Treppenstufen verlassen, und so bin ich allein hinaufgestiegen. Oben angelangt, habe ich die Treppe durch ein Eisengitter abgesperrt gefunden; ich bin also übergeklettert. Nachdem dies geschehen war, befand ich mich auf der Plattform des Pfarrthurms. Dort bot sich mir ein reizendes Schauspiel. Ueber meinem Kopfe die schönste Sonne; zu meinen Füßen die ganze Stadt; links der Römerplatz, rechts die Judengasse, gleichsam eine lange und unbiegsame schwarze Fischgräte zwischen den weißen Häusern (…) wäre am liebsten den ganzen Tag dageblieben.“ Hugo, der glaubte, ganz allein auf der Plattform zu weilen, hörte auf einmal ein leise Geräusch neben ihm „es war ein junges Mädchen von etwa vierzehn Jahren, das halt aus der Dachluke hervorgetreten war und mich lächelnd ansah. Da wagte ich noch ein paar Schritte, ging um die Ecke des Pfarrturms herum (…) und befand mich nun mittel unter den Bewohnern dieses Turmes. Das war nun wirklich eine winzige glückliche Welt für sich. Ein junges Mädchen, mit Stricken beschäftigt; eine alte Frau, sicher die Mutter, am Spinnrad; Tauben gurrten auf den Dachkandeln: ein lustiger Affe reichte mir aus seiner kleinen Hütte die Pfote; mit dumpfen Rasseln stiegen die Gewichte der großen Uhr auf und ab, und hatten ihre Spaß dran, die Marionetten in Bewegung zu setzen, da unten in der Kirche, in der man einst Kaiser krönte; dazu der tiefe Frieden hochgelegener Orte, diese Mischung aus Windesrauschen, Sonnenglanz und schöner Aussicht – ist das nicht etwas sehr Schönes, tief Bezauberndes?“

So idyllisch hier von Victor Hugo beschrieben, war aber das Leben auf dem Turm überhaupt nicht, so Cilleßen. Die Türmer verpflichteten sich, 24 Stunden Wache zu halten. Vor allem ging es dabei um die Feuerwache – und damit um die Existenz der Stadt. Zu den Aufgaben gehörte auch das Zeitläuten und das Anblasen des Marktschiffs, das täglich aus Mainz kam. Bei ihrem Dienst wurden die Türmer von den Nachtwächtern aber auch von ihren Familien unterstützt. Auf diese Weise waren oft auch Frauen mit dem Türmerdienst betraut. Der Pfarrtürmer Alexander Mengel beklagt 1630, dass „ich keine Stund, weder Tag noch Nacht von dem Turm darff […], also dass ich ganz einem gefangenen Mann gleich bin“. Und der Verleger George Friedrich Hartmann aus Königsberg schreibt 1808 „Man sollte Menschen eigentlich nur zur Strafe dahin senden“. Als Ende des 19. Jahrhunderts die Feuerwehr professionalisiert wurde, verblieb die Brandwache auf dem Domturm. In den 1920er und 1930er Jahren wurde sie mit dem zunehmenden Altstadt-Tourismus ein wichtiges Ziel. Die Türmerstube von Johannes und Elisabeth Rüb ist fotografisch gut dokumentiert. Originales Mobiliar ist allerdings nicht erhalten. Eine Installation des Künstlerinnen-Duos Sounds of Silence (Umsetzung Christian Dörner) entführt in der Ausstellung in die Zeit, als noch Türmer auf dem Domturm lebten.
Wie Türme die Stadt sichtbar und hörbar machen

Seit dem Mittelalter prägten die Türme von Kirchen, Stadtmauern und -toren, Rat- und Zunfthäusern das Bild der Städte. Anzahl und Höhe der Türme vermehrten das Ansehen einer Ortschaft. Sie schmückten die großen Gotteshäuser und zeugten vom Selbstbewusstsein der städtischen Kommunen. In Frankfurt beschlossen Stadtrat und Bartholomäus-Stift (das ist der heutige Dom) im Jahr 1414 gemeinsam den Bau des Pfarrturms. Der Kirchturm war also von Anfang an vor allem ein städtisches Gebäude. Aus dieser doppelten Auftraggeberschaft resultierte eine fortdauernde Konkurrenz um die Nutzung. Dabei ging es vor allem um die im Turm aufgehängten Glocken – die Stimme der Stadt.
Aufgrund der langen Bauzeit und der hohen Kosten kam die Bauarbeiten an vielen Kirchtürmen im 16. Jahrhundert zum Erliegen – so auch in Frankfurt. 1514 war man bei 67 Metern angelangt und die kleine Kuppel auf der Turmspitze wurde geschlossen. Die zierliche gotische Laterne nach dem Entwurf von Madern Gerthener wurde nicht vollendet, auch der Skulpturenschmuck und die filigrane Bauzier wurden nicht ausgeführt. So blieb der Turm als Zweckbau über Jahrhunderte stehen.
Die Diskussion um seine Vollendung wurde bereits im 18. Jahrhundert geführt. Mit den verlorenen Kriegen gegen die Armeen Napoleons und der Auflösung des Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation 1806 belebte sich das Interesse an der Gotik als angeblich deutschem Nationalstil aufs Neue und führte zur Vollendung vieler Domkirchen und -türme wie in Köln, Regensburg, Ulm und Frankfurt. Hier gab 1867 der verheerende Dombrand den Ausschlag: Der Architekt und Ingenieur Franz Josef Denzinger, der sich zuvor in Regensburg bewährt hatte, wurde mit der Restaurierung und einem teilweisen Neubau des Doms beauftragt. Nach zehn Jahren Bauzeit konnte die Kreuzblume auf die neue Turmspitze gesetzt werden, 1880 bezog die Frankfurter Feuerwehr die Brandwache in der Türmerstube.
Als höchstes Gebäude der Stadt war der Domturm ein beliebter Aussichtspunkt. Viele Besucherinnen und Besucher idealisierten das Leben der Türmer als einsame Wächter hoch oben, weit entfernt vom Getriebe der Stadt.
Besuchszeiten und Sonderprogramme
Die Dauerausstellung „Turm und Stadt, oder: Wofür man einen Domturm braucht“ ist jeden Samstag geöffnet:
• April–Oktober: 13.00–18.00 Uhr
• November–März: 13.00–17.00 Uhr
Eintritt: 5 Euro, ermäßigt 3 Euro.
Zur Eröffnung locken besondere Abendöffnungen unter dem Motto „Sommerabend auf dem Domturm“:
• Montag, 18. August 2025, 15.00–18.00 Uhr
• 19.–22. August 2025, 17.00–20.00 Uhr (letzter Aufstieg: 19.30 Uhr)
Weitere Informationen: www.dommuseum-frankfurt.de
Tel. 069 / 13 37 61 86 (Museumskasse)
Tel. 069 / 80 08 71 82 90 (Dommuseum Verwaltung)