Wiesbadener Staatstheater – Premierenvorschau Januar bis März 2026

© Foto /Collage: Diether v Goddenthow

Mit einem ebenso vielschichtigen wie ambitionierten Spielplan startet das Hessische Staatstheater Wiesbaden ins neue Jahr. Die Premierenvorschau von Januar bis März 2026 spannt einen weiten Bogen von selten gespielten Opernraritäten über große Klassiker der Schauspielgeschichte bis hin zu zeitgenössischen Uraufführungen und Angeboten für junges Publikum. Gemeinsamer Nenner: der Blick auf gesellschaftliche Verantwortung, auf Machtstrukturen – und auf die Hoffnung auf Veränderung.

Den Auftakt im Musiktheater macht im Januar eine echte Entdeckung. Mit Nikolai Rimski-Korsakows Oper „Schneeflöckchen“ (Premiere am 24. Januar im Großen Haus) bringt das Staatstheater ein Werk auf die Bühne, das nur selten zu erleben ist. Der vielfach ausgezeichnete Regisseur Maxim Didenko verbindet den russischen Märchenstoff mit einem hochaktuellen Diskurs über kollektive Verantwortung in Zeiten der Klimakrise. Seine Inszenierung liest die Oper als Parabel auf eine Gesellschaft jenseits des Kipppunktes – sozial erkaltet, unfähig zuzuhören und auf der Suche nach Rettung. Unter der musikalischen Leitung von Generalmusikdirektor Leo McFall entfaltet das Hessische Staatsorchester Wiesbaden die schillernde, farbenreiche Partitur Rimski-Korsakows.

Im Februar folgt mit Gaetano Donizettis „La Mamma“ (Premiere am 7. Februar) eine komische Oper über das Theater selbst. In turbulenten Proben prallen Eitelkeiten, Mutterliebe, Hierarchiekämpfe und Selbstverwirklichungsträume aufeinander. Regisseur Wolfgang Nägele inszeniert das selten gespielte Werk als rasante, publikumsnahe Komödie, die den Blick hinter die Kulissen nutzt, um zeitlose Mechanismen des Theaterbetriebs offenzulegen. Ensemblemitglied Hovhannes Karapetyan sorgt als titelgebende Mutterfigur für ein augenzwinkerndes „Theaterwunder“. Die musikalische Leitung liegt bei Paul Taubitz, der das Staatsorchester in kleiner Besetzung direkt auf der Bühne führt.

Den Abschluss des Opernquartals bildet im März Walter Braunfels’ „Die Vögel“ (Premiere am 21. März). Regisseur Ersan Mondtag, nach dem Erfolg von „Double Serpent“ erneut in Wiesbaden zu Gast, entwirft als Regisseur sowie Bühnen- und Kostümbildner eine visuell wie politisch zugespitzte Lesart des antiken Stoffes. Die Oper, nach ihrer Uraufführung 1920 ein großer Erfolg, wurde lange verdrängt und erlebt nun eine späte Wiederentdeckung. Mondtags Inszenierung überträgt die Fragen nach neuen Träumen, Machtgier und gesellschaftlichen Utopien konsequent in die Gegenwart. Auch hier steht Paul Taubitz am Pult des Hessischen Staatsorchesters.

Im Schauspiel setzt das Staatstheater ebenfalls auf starke Ensemblearbeiten und renommierte Regienamen. Das Jahr beginnt mit Georg Büchners „Leonce und Lena“ (Premiere am 30. Januar im Kleinen Haus). Regisseur Stefan Pucher führt mit dieser Inszenierung seine Büchner-Reihe fort, die mit einem gefeierten „Woyzeck“ startete. Zwischen Satire, Verwechslungskomödie und Gesellschaftskritik zeigt Pucher Büchners Lustspiel als poppig gestaltete, zeitgemäße Reflexion über Langeweile, Sinnsuche und soziale Zwänge – mit filmischen und musikalischen Elementen, die auch ein junges Publikum ansprechen.

Im Februar folgt mit „Romeo und Julia“ (Premiere am 21. Februar im Großen Haus) Shakespeares berühmteste Tragödie. Regisseurin Charlotte Sprenger übersetzt den Klassiker mit ihrer charakteristischen Pop-Ästhetik in eine Gegenwart, die von Gewalt, Vorurteilen und eskalierenden Konflikten geprägt ist. Inmitten von Hass und Machtspielen behauptet sich die Liebe der beiden Jugendlichen als kraftvoller Gegenentwurf – ein bildgewaltiger Appell für Menschlichkeit in brutalen Zeiten.

Eine besondere Akzentsetzung gelingt im Studio mit der Uraufführung von Maria Lazars „Zwei Soldaten“ (Premiere am 13. März). In den letzten Tagen des Zweiten Weltkriegs liegen ein englischer Flieger und ein deutscher Soldat sterbend auf einem Schlachtfeld. Sie sehen sich nicht, hören einander aber – und beginnen zu sprechen. In ihrer Abschlussinszenierung widmet sich die Regieabsolventin Julia Gudi einem lange verschollen geglaubten Text, der Fragen nach Feindschaft, Nähe und Menschlichkeit radikal verdichtet.

Auch das junge Publikum kommt nicht zu kurz. Mit „Wenn Wolken wachsen“ (Premiere am 15. Januar im Studio) eröffnet JUST das Jahr mit einem poetischen Erzähltheater für Kinder ab drei Jahren. Emel Aydoğdus Inszenierung lädt zu einer sinnlichen Entdeckungsreise ein, bei der Wolken die Welt erkunden und das Staunen über das Wachsen im Mittelpunkt steht. Für Kinder ab zehn Jahren erzählt „Troja!“ (Premiere am 27. Februar in der Wartburg) mit Motiven der griechischen Mythologie eine Geschichte über Freundschaft, Vergebung und den Mut, Grenzen zu überwinden.

Musikalisch ergänzt wird das Programm durch das Junge Staatsmusical mit „Alice by Heart“ (Premiere am 14. Februar in der Wartburg). Das Coming-of-Age-Musical von Duncan Sheik und Steven Sater verknüpft die Fantasiewelt von „Alice im Wunderland“ mit den Schrecken des Zweiten Weltkriegs – eine berührende Geschichte über Verlust, Liebe und die Kraft der Imagination.

So präsentiert sich das Hessische Staatstheater Wiesbaden zu Jahresbeginn 2026 als Ort der Vielfalt und der klaren Haltung: mit großen Stoffen, neuen Perspektiven und dem Mut, Klassiker und Raritäten gleichermaßen neu zu befragen.

(Diether von Goddenthow /RheinMainKultur.de)

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