Die simbabwische Autorin und Filmemacherin Tsitsi Dangarembga ist heute mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels ausgezeichnet worden. Die Verleihung fand vor rund 400 geladenen Gästen in der Frankfurter Paulskirche statt. Die Laudatio hielt die kenianische Germanistin und Soziologin Auma Obama.

In ihrer Dankesrede analysierte Tsitsi Dangarembga, wie die innerhalb imperialer Strukturen ausgeübte physische, psychologische, politische, ökonomische, metaphysische und genozidale Gewalt sukzessive dazu geführt habe, dass wir heute in einem System lebten, das als „No-Win-Situation“ beschrieben werden müsse: „Das heißt, dass der Westen mit all seiner Technologie, seinen Überzeugungen und seiner Praxis auf vielfachen weiterhin praktizierten Formen der Gewalt aufgebaut ist, die er in den Rest der Welt exportiert hat und die jetzt in postkolonialen Staaten so eifrig praktiziert werden wie zuvor in imperialen und kolonialen Staaten. […] Es ist wohl bekannt, dass Gewalt weitere Gewalt erzeugt, und das sehen wir heute auf der ganzen Welt, auch in den Heimatstaaten des Imperiums.“

Die aktuellen gesellschaftlichen Denkmuster böten offensichtlich keinen Lösungsansatz – im Gegenteil: Weltweit gelehrte Disziplinen wie Marketing und Betriebswirtschaft, Politik und Werbung hätten zum Inhalt, eine Population anhand einer Reihe demografischer Merkmale zu segmentierten und anschließend zu manipulieren, um finanziellen, politischen, sozialen oder anders gearteten Profit zu maximieren: „Ein System, das auf Profit basiert, […] ist ein System der Ausbeutung. Ein System, das einerseits Konzentration und andererseits ein Defizit erzeugt, ist ein System des Ungleichgewichts. So ein System ist notwendigerweise instabil und deshalb auch nicht nachhaltig. Wie ist es möglich, dass wir in ein instabiles, nicht nachhaltiges System investieren, das uns zwangsläufig in den Untergang führt?“

Tsitsi Dangarembga sagte weiter: „Die Lösung ist, ethnisch determinierte und andere hierarchische Denkweisen abzuschaffen, die auf demografischen Merkmalen wie sozialem und biologischem Geschlecht, Religion, Nationalität, Klassenzugehörigkeit und jedweden anderen Merkmalen beruhen, die in der gesamten Geschichte und überall auf der Welt die Bausteine des Imperiums waren und noch immer sind. […] Was wir tun können, ist, unsere Denkmuster zu verändern, Wort für Wort, bewusst und beständig, und daran festzuhalten, bis wir Ergebnisse sehen in der Weise, wie wir Dinge tun und welche Folgen sich daraus ergeben.“

Mit der Hoffnung, dass ein solcher Paradigmenwechsel möglich ist, schloss die Preisträgerin ihre Rede: „Unsere Entscheidung, was und wie wir denken, ist letztlich eine Entscheidung zwischen Gewalt oder Frieden fördernden Inhalten und Narrativen. Dass jemand wie ich, der in nicht so ferner Vergangenheit aufgrund von demografischen Kriterien im schlimmsten Fall als nicht denkend, im besten Fall als nicht auf eine wertvolle Weise denkend und deshalb auf nicht wertvolle Weise existierend kategorisiert wurde, heute diesen Preis erhält, bezeugt die Fähig-keit für Wandel, die wir Menschen haben.“

Auma Obama lobte in ihrer Laudatio Tsitsi Dangarembgas steten Antrieb, Verantwortung zu übernehmen und die Welt zum Guten zu verändern. Allen Hürden zum Trotz kämpfe sie tagtäglich voller Mut für diejenigen ohne eigene Stimme und für die Meinungsfreiheit: „Bestimmt hättest du manchmal am liebsten aufgegeben, Tsitsi, und der Versuchung nachgegeben, einfach ein normales, gewöhnliches Leben zu führen. Warum sich mühsam Gehör verschaffen, wenn man auch irgendwie so durchkommt? Warum unbedingt ein Forum für mehr Gerechtigkeit schaffen? Das Leben wäre sehr viel einfacher gewesen, für dich, für uns, wenn wir das gekonnt hätten. Aber du bist nicht gewöhnlich.“

Auch der Frankfurter Oberbürgermeister Peter Feldmann zog den Hut vor Dangarembgas Engagement für das Recht auf Selbstbestimmung und gegen die Dominanz weißer Menschen: „Sie akzeptieren nicht, dass Menschen aufgrund von Geschlecht oder Rasse unterdrückt werden – oder weil Kolonialismus wie ein Echo aus der Vergangenheit unsere Gegenwart bestimmt. […] Sie fordern Gleichberechtigung. Sie stehen auf für Pressefreiheit, für den Kampf gegen Korruption – selbst wenn Machthaber, wie vergangenes Jahr, Sie mit Inhaftierung einzuschüchtern versuchen. Diese Haltung, die sich durch Ihre Romane, Dramen und Filme zieht, macht Sie zu einem Vorbild.“

Karin Schmidt-Friderichs, Vorsteherin des Börsenvereins, stellte die Wirkung der Texte der Preisträgerin in den Fokus ihrer Ansprache und würdigte die Einblicke, die den Leser*innen hierdurch gewährt würden: „Danke, dass Sie mich an Tambus Seite gestellt haben, dass ich eins mit ihr werden durfte, dass ich Tambudzais Ausweglosigkeit begreifen konnte, aber auch jeden Versuch, wieder aufzustehen. Sie, haben es geschafft, uns eine Gesellschaft so nahe zu bringen, dass sie uns zwar nicht restlos verständlich wird, wir sie aber auf uns beziehen können, auf uns und unsere eigenen Unzulänglichkeiten.“

Seit 1950 vergibt der Börsenverein des Deutschen Buchhandels zum Abschluss der Frankfurter Buchmesse den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels. Preisträger waren unter anderem Sebastião Salgado, Albert Schweitzer, Astrid Lindgren, Václav Havel, Jürgen Habermas, Susan Sontag, Liao Yiwu, Navid Kermani, Margaret Atwood, Aleida und Jan Assmann und im vergangenen Jahr Amartya Sen. Der Preis ist mit 25.000 Euro dotiert.