
Rund 800 Gäste waren am 4. Juli 2025 der gemeinsamen Einladung der Industrie- und Handelskammer (IHK) für Rheinhessen, der Handwerkskammer (HWK) Rheinhessen und der VRM zum traditionellen Sommerabend der Wirtschaft in den VRM-Garten in Mainz gefolgt. In lockerer Atmosphäre konnten sich die Gäste austauschen – und zugleich auf den 175. Geburtstag der Allgemeinen Zeitung (AZ) anstoßen.
Die AZ, ein Unternehmen, das Zeitgeschichte schrieb und diese dokumentierte, wurde 1850 als „Täglicher Straßen-Anzeiger“ gegründet, hat viele Wirren der Geschichte überstanden und sich zu einem der führenden Medienhäuser Deutschlands entwickelt. Eine Ausstellung im Foyer des Medienhauses zeigt die beeindruckende Entwicklung des Verlags.

Der Sommerabend begann mit einer Interviewrunde der Gastgeber zur wirtschaftlichen Lage, gefolgt von einem Gespräch mit Ministerpräsident Alexander Schweitzer über die Bedeutung lokaler Medien anlässlich „175 Jahre Allgemeine Zeitung“. Anschließend übernahm Levin McKenzie, als amtierender rheinhessischer Weinkönig, Deutschlands erster Weinkönig überhaupt, die Bühne mit einer Weinpräsentation und eröffnete das Buffet – damit war der Weg frei für das Netzwerken der Gäste. Musikalisch umrahmt wurde der Abend von der Band Pure Deluxe.
Interviewrunde zum Auftakt des Sommerabends der Wirtschaft

Zum Auftakt des Sommerabends hatte sich VRM-Chefredakteur Dennis Rink einen kleinen Gag einfallen lassen: Er legte jedem seiner Gesprächspartner drei Emoji-Schilder vor – einen freundlich lächelnden Smiley, ein skeptisches Gesicht und ein missgestimmtes Emoji. Die Gesprächsteilnehmerinnen und -teilnehmer sollten auf die Frage „Wenn Sie an die aktuelle Stimmung in Ihrer Branche denken – mit welchem Gefühl, mit welchem Emoji blicken Sie in die Zukunft?“ jeweils eine der Karten hochhalten.

HWK-Präsident Hans-Jörg Friese zeigte sich in der Gesprächsrunde e eher skeptisch: „Die Lage ist aktuell etwas prekär.“ Besonders kritisch sieht er die angekündigte Senkung der Stromsteuer – diese solle nun nicht mehr für alle Unternehmen gelten. Friese betonte, dass gerade das Handwerk mit besonders energieintensiven Betrieben wie Fleischereien, Bäckereien oder Friseursalons stark betroffen sei. Die mangelnde Verlässlichkeit seitens der Bundespolitik sei ein zentrales Problem, das zunehmend zu Frustration in der Branche führe.
IHK-Präsident Dr. Marcus Walden schätzte die Lage etwas optimistischer ein: Die wirtschaftlichen Grundlagen seien solide, und Unternehmerinnen und Unternehmer blickten grundsätzlich positiv nach vorn.

Die in Aussicht gestellten Investitionsprogramme könnten zur Erholung beitragen, so Walden – allerdings seien die versprochenen Maßnahmen bislang kaum in der Praxis angekommen.
Joachim Liebler, Geschäftsführer der VRM, richtete den Blick auf die Medienbranche: Während sein eigenes Haus gut aufgestellt sei und die strategischen Weichen in den vergangenen Jahren richtig gestellt habe, rechnet er für die Branche insgesamt mit einer „beispiellosen Übernahmewelle“. Besonders kleinere und mittelgroße Medienhäuser würden unter der wirtschaftlichen Last zunehmend unter Druck geraten.
Als zentrales Thema mit Zukunftspotenzial – aber auch Unsicherheiten – wurde die Digitalisierung und der Einsatz von Künstlicher Intelligenz benannt.
IHK-Hauptgeschäftsführerin Karina Szwede sprach von einer Art „Warteschleife“: Die technischen Möglichkeiten seien vorhanden, doch rechtliche Hürden und Unsicherheiten – etwa beim Datenschutz – bremsten viele Unternehmen. „Da könnten wir noch eine ganze Schippe drauflegen“, so ihre Einschätzung.
Anja Obermann, Hauptgeschäftsführerin der Handwerkskammer, blickte entspannter auf das Thema: Nach einer Auswertung mit einem Online-Tool der Bundesagentur für Arbeit zeigte sich, dass sich viele handwerkliche Berufe durch die Digitalisierung kaum verändern werden. „Es wird weiterhin den Maurer geben, der das Haus baut – und jemanden in der Werkstatt, der das Auto repariert. Individuelle Dienstleistungen vor Ort sind das, was das Handwerk ausmacht – und das bleibt.“

Jule Lumma, Chefredakteurin der VRM GmbH & Co. KG, bezeichnete ihr Medienhaus in Sachen Transformation und Digitalisierung als „super aufgestellt“. Der Innovationsgeist im Team sei groß – ebenso die Bereitschaft, neue Wege zu gehen und aus Fehlern zu lernen. Gleichzeitig betonte sie die gesellschaftliche Dimension der KI-Entwicklung: „Solche Technologien verändern unsere Gesellschaft. Und gerade wir als Journalistinnen und Journalisten haben die Aufgabe, das einzuordnen und Orientierung zu bieten.“
Ministerpräsident Schweitzer bekennt sich zu Qualitäts-Journalismus

Ein weiterer Höhepunkt des Abends war das Interview von VRM-Chefredakteur Dennis Rink mit Ministerpräsident Alexander Schweitzer – in dieser Funktion ein Premierenauftritt beim Sommerabend der Wirtschaft. Bevor es inhaltlich wurde, hatte Rink dem Landeschef augenzwinkernd ein glitzerndes „AZ-Tattoo“ auf den Arm gepinselt – ein humorvoller Einstieg anlässlich des Jubiläums „175 Jahre Allgemeine Zeitung“.
Im anschließenden Gespräch ging es um Schweitzers Verhältnis zu Lokalmedien. Diese, so Rink, nähmen ihre Rolle als „vierte Gewalt“ ernst – was bedeute, dass sie Politikerinnen und Politiker durchaus auch mal nerven könnten, etwa wenn sie den Finger in die Wunde legen oder unbequeme Themen offen ansprechen.

Ministerpräsident Alexander Schweitzer fand in seinem Gespräch mit VRM-Chefredakteur Dennis Rink klare Worte über sein Verhältnis zur Rolle der Medien:
„Ich bin fest davon überzeugt: Ohne lokale Medien und ohne Qualitätsjournalismus wäre unsere Demokratie eine andere.“
Er mache sich, so Schweitzer, „schon seit Langem ernsthafte Sorgen um die Veränderungen in unserer Medienlandschaft.“ Es ärgere ihn, „wie leichtfertig wir manchmal mit dem umgehen, was Journalistinnen und Journalisten in redaktionell verantworteten Medien veröffentlichen.“ Besonders beunruhigend sei, dass viele Menschen ihre Informationen zunehmend „ausschließlich über amerikanische oder chinesische Plattformen beziehen.“
Sein klares Plädoyer: „Deshalb werden Sie von mir immer ein eindeutiges Bekenntnis zu Qualitätsmedien hören – ganz gleich, ob öffentlich-rechtlich oder privat. Beides gehört zusammen. Das ist unsere Medienvielfalt. Und diese Vielfalt ist unerlässlich für eine funktionierende Demokratie.“
Er schloss mit einem eindringlichen Appell: „Ich kann es nicht kleiner sagen: Wir brauchen starken, unabhängigen Journalismus, um als Demokratinnen und Demokraten weiter handlungsfähig zu bleiben.“
Sorge vor organisierter Desinformation
Besonders besorgt zeigte sich Ministerpräsident Schweitzer angesichts der zunehmenden Verbreitung von Fake News und gezielter Desinformation im politischen Raum:
„Ich halte das für eine sehr reale und ernstzunehmende Gefahr. Und damit meine ich nicht den privaten Facebook-Post, in dem etwas mal nicht ganz korrekt dargestellt wird – ich spreche von organisierter Desinformation.“
Als Ministerpräsident mit Verantwortung in der Rundfunk- und Medienpolitik wisse er aus erster Hand, wie ernst die Lage sei:
„Wir haben es tagtäglich mit gezielten Kampagnen zu tun – mit regelrechten Desinformations-Armeen, die Einfluss auf unsere demokratischen Gesellschaften nehmen wollen.“

Vermehrt Medienbildung für alle
Das Tragische daran, so Schweitzer, sei, dass „selbst kritische Bürgerinnen und Bürger, Journalistinnen und Journalisten oder Politiker nicht immer sofort erkennen, wenn sie mit Desinformation konfrontiert sind.“ Umso wichtiger sei es, die Medienvielfalt zu erhalten und Medienbildung für alle Altersgruppen zu stärken – als bewusste Gegenstrategie zu den algorithmusgesteuerten Informationsströmen großer Plattformen.
„Medien wie die VRM – und viele andere, gerade bei uns in Rheinland-Pfalz – leisten hier einen unverzichtbaren Beitrag“, betonte der Ministerpräsident. „Dieses Angebot muss erhalten und gestärkt werden, damit Menschen gar nicht erst in die Versuchung kommen, ihre Weltbilder ausschließlich über Plattformen zu formen. Wir brauchen Alternativen. Wir brauchen Vertrauen. Wir brauchen Journalismus!“, so Schweitzer abschließend.
Deutschlands erster Weinkönig informierte über Rheinhessen-Wein

Anschließend übernahm der rheinhessische Weinkönig Levin McKenzie, der seit seiner Wahl im Jahr 2024 als erster männlicher Weinkönig Deutschlands Geschichte schreibt, das Wort. Mit fundierten Hintergrundinformationen zur regionalen Weinkultur führte er kenntnisreich und charmant in die Weine des Abends ein. Mit seinem Startsignal wurde das Buffet eröffnet – der gemütliche Teil des Abends begann, ideal zum Genießen und Netzwerken bei angenehm mildem Wetter.
(Diether von Goddenthow /RheinMainKultur.de)
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