Museum Wiesbaden ehrt erstmals mit Maria Sibylla Merian-Preis angehende Naturwissenschaftlerin und Künstlerin

Der am 18.11.2025 erstmals im Museum Wiesbaden verliehene Maria Sibylla Merian-Preis würdigt herausragende Leistungen von Künstlerinnen und Naturwissenschaftlerinnen, die in besonderer Weise die Verbindung von Kunst und Wissenschaft verkörpern – ganz im Sinne von Maria Sibylla Merian. (v.li,); Museumsdirektor Dr. Andreas Henning, Andrea Kraft (Weigle-Stiftung), Juline Rodrigues da Conceição (Preisträgerin), Seongbin Ma, (Preisträgerin), Patrick Bruns (Alfred-Weigle-Stiftung), Dr. Hannes Lerp
(Museum Wiesbaden Abteilungsleiter Naturhistorische Sammlung) sowie Dr. Jörg Daur (stv. Direktor
Kustos moderne und zeitgenössische Kunst). © Foto Diether von Goddenthow

Gestern Abend verlieh das Hessische Landesmuseum Wiesbaden im Rahmen des Jubiläumsjahres „200 Jahre Museum Wiesbaden“ erstmals den mit insgesamt 15.000 Euro dotierten Maria-Sibylla-Merian-Preis. Ausgezeichnet wurden die angehende Naturwissenschaftlerin Juline Rodrigues da Conceição für ihr Projekt „The Weaving of the Invisible“ sowie die Städelschule-Studentin Seongbin Ma für ihre künstlerische Dokumentation nachwachsender Moose in unwirtlichen Stadt- und Industriegebieten.

Mit dieser gemeinsam von der Alfred-Weigle-Stiftung ausgelobten Auszeichnung würdigt das Museum Wiesbaden herausragende Leistungen von Künstlerinnen und Naturwissenschaftlerinnen, die in besonderer Weise die Verbindung von Kunst und Wissenschaft leben – ganz im Sinne von Maria Sibylla Merian.

Wie Museumsdirektor Dr. Andreas Henning in seiner Begrüßung betonte, bestand Maria Sibylla Merians zentrales Anliegen im genauen Beobachten und Beschreiben der Natur. In diesem Sinne versteht das Museum Wiesbaden Kunst und Naturwissenschaft als zwei untrennbar miteinander verbundene Wege der Welterkenntnis. Aus dem eigenen Entdecken entstehen sowohl Kreativität als auch Wissen – Grundlagen für einen respektvollen und achtsamen Umgang mit unserer Umwelt. Gerade heute bietet diese Haltung die Chance, unser Verhältnis zur Natur zu überdenken und einen neuen, verantwortungsvolleren Kurs einzuschlagen. Denn wer die Dinge wirklich ergründet, wird sie nicht zerstören.

Maria Sibylla Merian verkörpere wie kaum eine andere Persönlichkeit die Verbindung von wissenschaftlicher Neugier und künstlerischer Ausdruckskraft, getragen von dem Anspruch, ihre Umwelt tiefgreifend zu verstehen. Sie sei daher die ideale Namensgeberin für den hier ausgelobten Preis, der dazu beitragen solle, Wissen und Kreativität zu fördern und die drängenden Fragen unserer Zeit stärker ins Bewusstsein der Menschen zu rücken, so Henning.

Preisträgerinnen: Juline Rodrigues da Conceição und Seongbin Ma, Studentin der Städelschule, © Foto Diether von Goddenthow

Die Preisträgerinnen des Maria-Sibylla-Merian-Preises werden von einer Fachjury ermittelt. Den wissenschaftlichen Vorsitz übernimmt die Evolutionsbiologin Professorin Dr. Susanne Foitzik vom Institut für Organismische und Molekulare Evolutionsbiologie der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Die künstlerische Jury wird von Beate Kemfert, Leiterin der Opelvillen Rüsselsheim, geführt. Unterstützt werden beide von weiteren Expertinnen und Experten aus Wissenschaft und Kunst und der Alfred-Weigle-Stifung. Ein wesentliches Anliegen des Preises sei zudem, so Patrick Bruns, Repräsentant der Alfred-Weigle-Stiftung, auf die noch immer bestehende Unterrepräsentanz von Frauen in führenden wissenschaftlichen Positionen hinzuweisen und diesem Ungleichgewicht entgegenzuwirken.

Maria-Sibylla-Merian-Preis in der Kategorie Wissenschaft
Mit dem Maria-Sibylla-Merian-Preis in der Kategorie Wissenschaft wurde die brasilianische Nachwuchsforscherin Juline Rodrigues da Conceição ausgezeichnet. Ihr Projekt „The Weaving of the Invisible“ untersucht die Welt der Mikroalgen und deren Bedeutung für das ökologische Gleichgewicht aquatischer Lebensräume, so die Laudatorin Professorin Dr. Susanne Foitzik. Das geförderte Buchprojekt soll dieses Wissen allgemeinverständlich aufbereiten und um die Naturgeschichte der wissenschaftlichen Illustration erweitern.
Rodrigues lässt sich dabei explizit von Maria Sibylla Merians Arbeitsweise inspirieren. Wie Merian verbindet sie wissenschaftliche Präzision mit künstlerischer Darstellung – nicht nur, um das unsichtbare Leben der Mikroalgen sichtbar zu machen, sondern auch, um durch ihre Ästhetik positive Emotionen und Neugier zu wecken. Gerade weil Mikroalgen für das bloße Auge verborgen bleiben, eröffnet erst der Blick durchs Mikroskop einen Zugang zu ihrer erstaunlichen Formenvielfalt.

Maria-Sibylla-Merian-Preis in der Kategorie Kunst
In der Kategorie Kunst wurde Seongbin Ma, Studentin der Städelschule, ausgezeichnet. Ihr Projekt widmet sich Stadtspaziergängen, die sie fotografisch und zeichnerisch dokumentiert und in tagebuchartigen Texten reflektiert, so Dr. Jörg Daur, stv. Museumsdirektor in seiner Laudatio. Das Zeichnen spiele für sie dabei eine zentrale Rolle, da es – noch stärker als die Fotografie – zum genauen Hinsehen und damit zum Verstehen anleitet.

Besonders fasziniert sie der Winter, in dem sich in Mauerritzen, Asphaltkanten und dunklen Ecken kleine Fundstücke verbergen: Moos, das selbst in der kalten Jahreszeit Feuchtigkeit aus seiner Umgebung zieht. Dieses Moos weckt bei Ma Erinnerungen an ihre Kindheit in einer ländlichen Region Südkoreas – an Gerüche, Pflanzen, Natur. Diese Erinnerungen sind Ausgangspunkt ihrer Streifzüge durch deutsche Städte auf der Suche nach den unscheinbaren, leicht übersehbaren Dingen.

Im Atelier untersucht sie das Moos unter dem Mikroskop und fertigt präzise Zeichnungen an. Indem sie diese Miniaturwelt fokussiert, zeigt sie, dass man „sich so klein wie möglich machen und die Augen ganz nah heranbringen“ muss, um das verborgene Leben darin wahrzunehmen. Ganz im Sinne Merians dient ihr Zeichnen nicht nur dem Verstehen, sondern auch dem Vermitteln sonst unsichtbarer Strukturen und Zusammenhänge.

Beide Preisträgerinnen erhalten je 7.500 Euro, die der Realisierung eines Druckwerks dienen sollen, das ihre Arbeit einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich macht. Die Preisverleihung findet alle zwei Jahre statt – das nächste Mal im Jahr 2027.

(Diether von Goddenthow – RheinMainKultur.de)

Weitere Informationen: Gewinnerinnen des Merian Preises 2025