
Am 25. August hatten der Börsenverein des Deutschen Buchhandels und die Deutsche Bank-Stiftung erstmals zu einer „Blind-Date-Lesung“ eines zum Deutschen Buchpreis nominierten Autors in die Türme der Deutschen Bank in Frankfurt am Main eingeladen.
Schon vor Öffnung des Veranstaltungssaals lag eine Mischung aus Neugier und Vorfreude in der Luft. Niemand wusste, wer gleich auf der Bühne stehen würde. „Blind Date“ heißt das Format, und das Spiel mit der Überraschung gehört zum Reiz. Die Reihen sind gefüllt, ein erwartungsvolles Murmeln liegt über dem Publikum. Nach Grußworten von Jürgen Fitschen, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Bank Stiftung, und Karin Schmidt-Friedrichs, Vorsteherin des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels, ließ Dr. Torsten Casimir die Spannung weiter steigen. Es sei eine Autorin, also stünden von 22 zum Buchpreis Nominierten noch 12 Autorinnen zur Auswahl, und diese Frau käme aus Berlin – macht vier Autorinnen, von denen eine heute Abend hier vorgestellt würde.
Als schließlich der Name Jacinta Nandi fällt, brandet Applaus auf. Die britisch-deutsche Autorin, bekannt für ihre spitze Zunge und ihr untrügliches Gespür für gesellschaftliche Widersprüche, hat es auf die Longlist des Deutschen Buchpreises 2025 geschafft. Mitgebracht hat sie ihr aktuelles Werk: Single Mom Supper Club.

Der Abend entfaltet sich als lebendiges Gespräch zwischen Nandi und Dr. Torsten Casimir, der mit Humor und klugen Nachfragen durch die Lesung führt und ganz begeistert ist von Nandis Dialog-Fertigkeit, die auch ohne große Bearbeitung sofort in ein Filmformat passen würden.
In kurzen, hintergründigen Interviewpassagen kitzelt er Anekdoten aus Nandis Alltag hervor, bevor diese zwischendrin immer wieder zum Buch greift und mit trockenem Ton und einem feinen Gespür für Pointen Episoden daraus liest. Worum geht es im Roman? Vier alleinerziehende Mütter – drei Britinnen und eine Deutsche – gründen ihren eigenen Supper Club, um sich inmitten von Alltagschaos, prekären Jobs und Erziehungsstress gegenseitig zu stützen. Zwischen dampfenden Töpfen und halbleeren Weingläsern entsteht ein Raum für Solidarität, aber auch für Streit, Selbstzweifel und bissige Gesellschaftskritik.

In ihrem Roman seziert Nandi das klischeehaft überzeichnete Leben alleinerziehender Mütter. Ein wenig klingt es wie „Desperate Housewives“ auf feministisch. In Single Mom Supper Club haben sich jedoch die durchgeknallten Weiber die Kerle – bis auf gelegentliches Koitieren – rechtzeitig auf Abstand gehalten. Natürlich kommen Männer in diesem feministischen Frauenroman nicht besonders gut weg. Fast alle wirken unreif, egoistisch oder schlichtweg überfordert. Eine Ausnahme scheint Herr Müller zu sein, der im Gegensatz zu den anderen zumindest sympathische Züge trägt, aber dafür erotisch völlig langweilig ist. Es ist ein herrlicher Seitenhieb auf einen häufigen feministischen Widerspruch: im Bett dann doch die „bösen Kerle“ zu bevorzugen. Besonders auffällig ist die Offenheit, mit der über Sex gesprochen wird. Nandi scheut sich nicht, die körperlichen und emotionalen Facetten von Lust, Begehren und Frust zu thematisieren – mal derb, mal komisch, mal schmerzhaft ehrlich.
Ihr Roman nimmt feministische, aber auch gesellschaftliche Klischees auseinander, ohne ihre Figuren der Lächerlichkeit preiszugeben – höchstens die schreckliche Antje, die als einzige Deutsche des Quartetts am meisten ihr Fett abbekommt. Wer Lust auf einen feministischen Blick auf das – idealtypisch chaotisch schwarzhumorig gezeichnete – Leben alleinerziehender Kiez-Mütter hat, wird bestens bedient. Manche Gästinnen haben Tränen gelacht!
Man darf gespannt sein, ob es Single Mom Supper Club, erschienen bei Rowohlt, 320 Seiten, 24,00 Euro, auf die Shortlist für den Deutschen Buchpreis 2025 schafft. Diese wird am Dienstag, den 16. September 2025, bekannt gegeben.
(Diether von Goddenthow /RheinMainKultur.de)