Fachkräfte-Sicherung und Bürokratie-Abbau gefordert beim Jahresempfang der Handwerkskammer Wiesbaden

© Handwerkskammer Wiesbaden

Beim Jahresempfang der Handwerkskammer Wiesbaden, die in diesem Jahr ihr 125-jähriges Bestehen feiert, diskutierten am 2. September 2025 Vertreterinnen und Vertreter aus Handwerk, Politik und Wirtschaft über die aktuellen Herausforderungen und Zukunftsperspektiven des Handwerks. Wirtschaftsminister Kaweh Mansoori betonte dabei insbesondere die Bedeutung eines entschlossenen Bürokratieabbaus.

Handwerkspräsident Stefan Füll © Foto Diether von Goddenthow

Handwerkspräsident Stefan Füll betonte in seiner Begrüßung die große Bedeutung des Handwerks als „Wirtschaftsmacht von nebenan“, das 2024 bundesweit rund 757,2 Milliarden Euro erwirtschaftet hat. Die Sicherung von Fachkräften sei dabei die zentrale Aufgabe der kommenden Jahre. Um junge Menschen für das Handwerk zu begeistern, habe die Kammer ihre Jubiläumskampagne gestartet: Über Videos, Geschichten und Gesichter aus der Branche wurden in sozialen Medien Einblicke in die Vielfalt und Modernität handwerklicher Berufe gegeben – mit beachtlicher Resonanz von über 400.000 Aufrufen.

 

 

Landtagspräsidentin Astrid Wallmann © Foto Diether von Goddenthow

Landtagspräsidentin Astrid Wallmann gratulierte in ihrem Grußwort der Wiesbadener Handwerkskammer zum 125-jährigen Bestehen der Kammer. Das Handwerk sei in der öffentlichen Wahrnehmung oft noch mit traditionellen Tätigkeiten verbunden, so Wallmann. Diese hätten auch weiterhin ihren festen Platz, doch das Handwerk biete weit mehr: hochspezialisierte, moderne und innovative Berufe, die in der Breite noch zu wenig bekannt seien. Umso wichtiger sei die Jubiläumskampagne, die in den sozialen Medien Gesichter und Geschichten sichtbar mache und die Vielfalt der Branche zeige. Gerade für junge Menschen, die am Ende ihrer Schulzeit vor der Berufswahl stünden, sei diese Ansprache entscheidend.

Das Handwerk sei ein sicherer Karriereweg, die Auftragsbücher der Betriebe seien gut gefüllt, so die Landtagspräsidentin. Doch ohne ausreichend Nachwuchs könnten die enormen Aufgaben in Wohnungsbau, energetischer Sanierung und Infrastruktur nicht bewältigt werden. Hier brauche es eine Trendwende. Die Politik stehe deshalb im engen Austausch mit dem Handwerk und müsse ihren Beitrag leisten, um die Attraktivität der Branche zu erhöhen.

Wallmann erinnerte zudem daran, dass die Handwerkskammer nicht nur ein Jubiläum feiere, sondern auch einen personellen Einschnitt erlebe: Der langjährige Hauptgeschäftsführer Bernhard Mundschenk sei in den Ruhestand gegangen. Eine geplante Ehrung habe krankheitsbedingt nicht stattfinden können, doch sprach sie im Namen aller Anwesenden ihre besten Genesungswünsche aus.

Der stellvertretende Ministerpräsident und Wirtschaftsminister Kaweh Mansoori ging in seiner Rede beim

Wirtschaftsminister Kaweh Mansoori © Foto Diether von Goddenthow

Jahresempfang der Handwerkskammer Wiesbaden auf die besonderen Herausforderungen der aktuellen Zeit ein. Unter dem Eindruck zahlreicher Krisen sprach er von „bewegten Zeiten“, in denen Demokratie und Wirtschaft von innen wie außen unter Druck stünden. Gerade deshalb sei es wichtig, Räume für Begegnung und Austausch zu schaffen. Auch wenn es in Sachfragen unterschiedliche Auffassungen gebe, verbinde die Menschen im Kern weit mehr, als sie trenne. Demokratie lebe vom Diskurs – und davon, dass die Menschen im Alltag die Vorteile einer freiheitlichen Gesellschaft spüren.

Mit Blick auf die wirtschaftliche Lage stellte Mansoori fest, dass sich Hessen im vergangenen Jahr zwar stabiler entwickelt habe als andere Regionen, dennoch sei die Situation anspruchsvoll. Umso wichtiger sei es, alle Spielräume zu nutzen, um Zuversicht und Vertrauen in eine bessere Zukunft zu schaffen.

Besonderes Augenmerk legte Mansoori auf die Fachkräftesicherung. Viele Jugendliche verließen die Schule ohne klare Vorstellung ihrer beruflichen Zukunft. Hier brauche es frühzeitige Orientierung und niedrigschwellige Angebote. Ein Beispiel sei das Projekt „Praktikumstag“, das gemeinsam mit Handwerk, Kultus- und Wirtschaftsministerium entwickelt wurde. Tausende Schülerinnen und Schüler hätten so die Möglichkeit, Handwerksberufe praktisch auszuprobieren. „Je früher wir junge Menschen erreichen, desto mehr Perspektiven eröffnen wir ihnen – und desto stärker profitiert auch das Handwerk“, betonte er.

Impression aus dem Meistersaal der HWK Wiesbaden © Foto Diether von Goddenthow

Darüber hinaus unterstrich Mansoori die Notwendigkeit eines konsequenten Bürokratieabbaus. Gerade mittelständische Betriebe im Handwerk hätten keine großen Verwaltungsabteilungen, die komplizierte Verfahren stemmen könnten. Hessen habe daher als erstes Bundesland ein eigenes Entbürokratisierungsministerium eingerichtet und bereits fast 100 konkrete Maßnahmen in einem Gesetz zusammengefasst. Ziel sei es, Prozesse einfacher, schneller und effizienter zu gestalten – insbesondere im Bauwesen. Das geplante Gesetz zum „schnelleren und einfacheren Bauen“, das im Herbst in den Landtag eingebracht werden soll, sei ein wichtiger Schritt, um Wohnraum zu schaffen, Betriebe zu entlasten und die Wirtschaft wieder anzukurbeln.

Bürgermeisterin Christiane Hinninger © Foto Diether von Goddenthow

Die Wiesbadener Bürgermeisterin Christiane Hinninger würdigte das Handwerk als starken Partner der Stadtgesellschaft und als unverzichtbaren Akteur bei zentralen Zukunftsaufgaben wie Wärmewende, Digitalisierung und Wohnungsbau. Gemeinsam mit der Kammer habe die Landeshauptstadt die „Handwerksagenda Wiesbaden 2030“ erarbeitet. Sie bündelt Maßnahmen zur Fachkräftesicherung, zur Förderung von Gründungen, zur Digitalisierung und zur Energieversorgung. Programme wie „Makerspace Handwerk“ oder „Job in echt Handwerk“ sollen Jugendlichen den Zugang zum Handwerk erleichtern, während Gründungsstipendien und smarte Digitalprojekte die Wettbewerbsfähigkeit der Betriebe stärken.

HWK-Hauptgeschäftsführer Pierre Schlosser © Foto Diether von Goddenthow

Abschließend dankte HWK-Hauptgeschäftsführer Pierre Schlosser allen Beteiligten herzlich für ihr Engagement und lud die Gäste zu weiteren Gesprächen im Rahmen des Netzwerkabends ein. Darüber hinaus regte er an, seinem erkrankten Vorgänger Bernhard Mundschenk Genesungswünsche zu übermitteln – gerne auch in Form von Selfies vor der Handwerkskammer.
Der Empfang machte deutlich, dass das Handwerk trotz aller Krisen eine tragende Säule der Wirtschaft bleibt – und dass Politik, Kommunen und Betriebe gemeinsam daran arbeiten, seine Zukunft zu sichern.

(Diether von Goddenthow /RheinMainKultur.de)