
Gesichter sind allgegenwärtig. Sie blicken uns aus Zeitungen und Magazinen entgegen, begegnen uns auf Werbeplakaten, im Instagram-Feed oder in endlosen TikTok-Clips. Das Gesicht gilt als Ausdruck der Persönlichkeit. Schon im Kindesalter lernen wir, in Gesichtern zu lesen, Blicke zu deuten. Sie verraten Emotionen, Haltungen, manchmal ganze Geschichten – oft, ohne dass ein Wort gesprochen wird. Kein anderes Motiv fasziniert die Menschheit so dauerhaft wie das menschliche Antlitz.
In der Kunst wird das Gesicht zum Spiegel seiner Zeit. Es zeigt Ideale und Identitäten, spiegelt gesellschaftliche Normen und individuelle Empfindungen. Künstler aller Epochen haben das Gesicht als Oberfläche und Tiefe zugleich erforscht – als Ort der Projektion, der Inszenierung, aber auch des Geheimnisses. Von klassischen Porträts bis zu abstrahierten oder verfremdeten Darstellungen reicht die Bandbreite, in der das Gesicht immer wieder neu interpretiert wird.
Gerade in der Gegenwart tritt es in den Dialog mit Themen wie Identität, Vielfalt und digitaler Selbstinszenierung. Zwischen Nähe und Distanz, Echtheit und Maske entfaltet sich ein Spannungsfeld, das zeigt: Das Gesicht bleibt eines der zentralen Motive menschlicher Wahrnehmung – ein Fenster zur Seele und zugleich ein Schleier, hinter dem sich vieles verbirgt.
Die Ausstellung „Face2Face“ aus dem reichen Fundus der Graphischen Sammlung widmet sich diesem Phänomen mit besonderem Blick auf das Sehen und Gesehenwerden. Sie beleuchtet das Wechselspiel zwischen dem eigenen Gesicht, dem Antlitz des Anderen – und dem Spiegelbild. Denn ein Gesicht, das von niemandem gesehen wird, existiert nicht. Erst der Blick des Gegenübers, der Widerblick, macht das Gesicht lebendig.
Gerade in unserer digitalen Welt, in der Selfies und Filterbilder allgegenwärtig sind, wird das Gesicht zum Medium des Ausdrucks, der Selbstdarstellung und Kommunikation – zur Bühne der Seele.
Von der Renaissance bis heute zieht sich die Erforschung und Deutung des Gesichts wie ein roter Faden durch die Kunstgeschichte. Porträts überbrücken mühelos Jahrhunderte: Darstellungen aus der Romantik wirken mitunter so modern, als seien sie erst gestern entstanden – oder umgekehrt.
120 Zeichnungen, Druckgrafiken, Plakate und Fotografien von 78 Künstlern zeigen in „Face2Face“, wie unser Wissen um Mimik und Ausdruck geprägt ist und wie sehr Gesichter ihre Zeit widerspiegeln. Die Ausstellung lädt dazu ein, in die Vielfalt der Gesichter einzutauchen – und sich selbst im Blick des Anderen zu entdecken.
Liste der beteiligten Künstlerinnen und Künstler:
Gertrud Arndt | Carl Barth | Leandro Bassano | Max Beckmann | Pietro Bianchi | Jean-Jacques de Boissieu | Rudolf Börsig | Annibale Carracci | Johann Vincenz Cissarz | Daniel Dumonstier | Albrecht Dürer | Edmund Edel | Lukas Einsele | Barent Fabritius | Conrad Felixmüller | Georg Jakob Felsing | Elisabeth Freund-Fischer | Ute Gerdes | Walter Gramatté | George Grosz | Franz Harres | Heinz Heim | Thomas Theodor Heine | Romane Holderried Kaesdorf | Ernst Ludwig Kirchner | Bernhard Jäger | Michael Kalmbach | Hans Kanne | Siegfried Klapper | Maximilian Klewer | Victor Kossakovsky | Hedwig Kruse-Geibel | Lagneau | Charles Le Brun | Ottavio Leoni | Roy Lichtenstein | Jan Lievens | Annibal Christian Henry Loutherbourg | August Lucas | Carlo Maratti | Ludwig Meidner | Paula Modersohn-Becker | Francesco Montemezzano | Hanna Nagel | Ernst Neumann | Asta Nielsen | Emil Nolde | Alfred Nungesser | Justine Otto | Friedrich Overbeck | Giovanni Battista Piazzetta | Nicolas de Plattemontagne | Emil Preetorius | Arnulf Rainer | Johann Anton Ramboux | Harmensz van Rijn Rembrandt | Thomas Ritz | Vera Röhm | Dieter Roth | Franҫois Rouan | Georg Philipp Rugendas d.A. | Andrea Sacchi | Carl Friedrich Sandhaas | Walter Schels | Valentin Schmetzer | Johann Heinrich Schmidt, gen. Fonaro | Elisabetta Sirani | Annegret Soltau | Massimo Stanzione | Tobias Stimmer | Jean Valdor I | Cornelis Visscher | Jan de Visscher | Cornelis de Vos | Andy Warhol | Theodor Wende | Tom Wesselmann | Federico Zuccari
Hessisches Landesmuseum Darmstadt
Friedensplatz 1
64283 Darmstadt
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