Nachdem bereits die Gesellschaft für deutsche Sprache e.V. am 13. August 2020 mitteilte, dass das „Gendersternchen und Co. mit deutscher Rechtschreibung nicht konform“ sei, hat nunmehr auch der Rat für deutsche Rechtschreibung in seiner Sitzung am 26.03.2021 seine Auffassung bekräftigt, dass das Ansinnen, allen Menschen mit geschlechtergerechter Sprache begegnen zu wollen, „nicht allein mit orthografischen Regeln und Änderungen der Rechtschreibung gelöst werden kann“. So gelte das Amtliche Regelwerk der deutschen Rechtschreibung „für Schulen sowie für Verwaltung und Rechtspflege.“ Der Rat habe vor diesem Hintergrund die Aufnahme von Asterisk („Gender-Stern“), Unterstrich („Gender-Gap“), Doppelpunkt oder anderen verkürzten Formen zur Kennzeichnung mehrgeschlechtlicher Bezeichnungen im Wortinnern in das Amtliche Regelwerk der deutschen Rechtschreibung zu diesem Zeitpunkt nicht empfohlen. Er bekräftige seine bereits am 16.11.2018 beschlossenen Kriterien geschlechtersensibler Schreibung: Demnach sollen „geschlechtergerechte Texte

  • sachlich korrekt sein,
  • verständlich und lesbar sein,
  •  vorlesbar sein (mit Blick auf die Altersentwicklung der Bevölkerung und die Tendenz
    in den Medien, Texte in vorlesbarer Form zur Verfügung zu stellen),
  • Rechtssicherheit und Eindeutigkeit gewährleisten,
  • übertragbar sein im Hinblick auf deutschsprachige Länder mit mehreren Amts- und Minderheitensprachen (Schweiz, Bozen-Südtirol, Ostbelgien; aber für regionale Amts- und Minderheitensprachen auch Österreich und Deutschland),
  • für die Lesenden bzw. Hörenden die Möglichkeit zur Konzentration auf die wesentlichen Sachverhalte und Kerninformationen sicherstellen.
  • Außerdem betont der Rat, dass geschlechtergerechte Schreibung nicht das Erlernen der geschriebenen deutschen Sprache erschweren darf (Lernbarkeit).“

Die geschriebene deutsche Sprache ist nicht nur von Schülerinnen und Schülern zu lernen, die noch schriftsprachliche Kompetenzen erwerben und deren Leistungen nach international vergleichenden Studien immer wieder Gegenstand öffentlicher und vor allem bildungspolitischer Diskussionen sind. Rücksicht zu nehmen ist auch auf die mehr als 12 Prozent aller Erwachsenen mit geringer Literalität, die nicht in der Lage sind, auch nur einfache Texte zu lesen und zu schreiben. Auch Menschen, die innerhalb oder außerhalb des deutschsprachigen Raums Deutsch als Zweit- oder Fremdsprache erlernen, sollte der Sprach- und Schrifterwerb nicht erschwert werden.

Diese Kriterien geschlechtersensibler Schreibung werden von den in den letzten Jahren in manchen Bereichen, vor allem Kommunen und Hochschulen, verfügten Vorgaben zur geschlechtergerechten Schreibung nicht erfüllt. Das gilt vor allem für die Nutzung von Asterisk, Unterstrich, Doppelpunkt und anderen verkürzten Zeichen, die innerhalb von Wörtern eine „geschlechtergerechte Bedeutung“ zur Kennzeichnung verschiedener Geschlechtsidentitäten signalisieren sollen. Diese Zeichen haben zudem in der geschriebenen Sprache auch andere Bedeutungen, z. B. als Satzzeichen oder typografische Zeichen oder informatik- und kommunikationstechnische Zeichen. Ihre Nutzung innerhalb von Wörtern beeinträchtigt daher die Verständlichkeit, Vorlesbarkeit und automatische Übersetzbarkeit sowie vielfach auch die Eindeutigkeit und Rechtssicherheit von Begriffen und Texten. Deshalb können diese Zeichen zum jetzigen Zeitpunkt nicht in das Amtliche Regelwerk aufgenommen werden.

Für den Hochschulbereich erscheint fraglich, ob die Forderung einer „gegenderten Schreibung“ in systematischer Abweichung vom Amtlichen Regelwerk der deutschen Rechtschreibung für schriftliche Leistungen der Studierenden und die Berücksichtigung „gegenderter Schreibung“ bei deren Bewertung durch Lehrende von der Wissenschaftsfreiheit der Lehrenden und der Hochschulen gedeckt ist. Hochschulen und Lehrende haben die Freiheit des Studiums nicht nur bei der Wahl von Lehrveranstaltungen, sondern auch bei der Erarbeitung und Äußerung wissenschaftlicher Meinungen der Studierenden zu beachten und zu schützen.

Der Rat für deutsche Rechtschreibung wird die weitere Schreibentwicklung beobachten. Er wird dabei insbesondere prüfen, ob und inwieweit verschiedene Zeichen zur Erfüllung der Kriterien geschlechtergerechter oder -sensibler Schreibung geeignet sein könnten. Er betont, dass auch bei der geschlechtergerechten oder -sensiblen Schreibung darauf zu achten ist, die Einheitlichkeit der geschriebenen Sprache im deutschsprachigen Raum zu sichern. Der Bericht der Arbeitsgruppe über die Schreibentwicklung seit 2018, der vom Rat zustimmend zur Kenntnis genommen wurde, ist auf der Website des Rats www.rechtschreibrat.com veröffentlicht.

Hintergrund: Der Rat für deutsche Rechtschreibung hat die Aufgabe, die Einheitlichkeit der Rechtschreibung im deutschen Sprachraum zu bewahren und die Rechtschreibung auf der Grundlage des orthografischen Regelwerks im unerlässlichen Umfang weiterzuentwickeln. Dazu dienen vor allem die ständige Beobachtung de Schreibentwicklung und die Klärung von Zweifelsfällen der Rechtschreibung. Der Rat wird getragen von Deutschland, Österreich, der Schweiz, der Autonomen Provinz Bozen-Südtirol, der Deutschsprachigen Gemeinschaft Belgiens und dem Fürstentum Liechtenstein.

Siehe auch:

Sprachforscher Jürgen Trabant über Gendern und Anglizismen: „Sprache ändert sich ständig“, Stuttgarter Zeitung, 12.03.2021

Gendergerechte Sprache: Ist das * jetzt Deutsch? Spiegel Nr. 10 / 6.03.2021

GLEICHBERECHTIGUNG DANK SPRECHAKT? Emma 24.02.2021

KRIEG DER STERN*INNEN: Müssen wir bald alle gendern, FAZ, 8.2.2021

Das *_Thema  Der Gender-Stern tritt geschlechtergerecht auf – und verbreitet eine hochproblematische Ideologie, VRM echo, Wiesbadener Kurier, Allgemeine Zeitung etc. 6.2.2021