
FRANKFURT. Die 7. Dagmar-Westberg-Vorlesung, die in der kommenden Woche an der Goethe-Universität Frankfurt stattfindet, wird von dem israelischen Wissenschaftshistoriker und Philosophen Menachem Fisch übernommen. Der emeritierte Wissenschaftler widmet sich in insgesamt vier öffentlichen Vorträgen dem Thema des interreligiösen Dialogs. Im Zentrum stehen dabei die historischen und philosophischen Dynamiken zwischen Judentum, Christentum und Islam, die das Selbstverständnis dieser drei Religionen seit jeher geprägt haben. Ergänzt wird die Vorlesungsreihe durch ein Kolloquium, in dem Prof. Fisch zum vertiefenden wissenschaftlichen Austausch zur Verfügung steht. Der Titel der diesjährigen Westberg-Vorlesungsreihe lautet „Dialogues of Reason: Science, Politics, Religion“.
„Professor Fisch war bereits für 2019 für die Westberg-Professur angefragt worden. Umso mehr freuen wir uns, dass er nun für Januar 2020 zugesagt hat“, erklärt Prof. Matthias Lutz-Bachmann, der die Dagmar-Westberg-Vorlesung seit ihrem Bestehen koordiniert. Das Thema der diesjährigen Reihe bezeichnet er als einen wichtigen Schritt in der weiteren Forschungsplanung der Universität. Der interreligiöse Dialog und insbesondere die Auseinandersetzung mit der jüdischen Geistesgeschichte würden im Forschungsprofil der Goethe-Universität auch in Zukunft eine zentrale Rolle spielen.
In seinen Frankfurter Vorlesungen, die Menachem Fisch in englischer Sprache halten wird, geht es um die grundlegenden Beziehungen zwischen Judentum, Christentum und Islam. Diese Beziehungen sind einerseits von wechselseitigen Lernprozessen und positiv gelebter Nachbarschaft geprägt, andererseits aber auch von Konflikten und Abgrenzungen. Als Wissenschaftshistoriker richtet Fisch dabei den Blick vor allem auf die Begegnungen dieser Religionen in vormodernen Gesellschaften des Nahen Ostens und Europas und versucht, aus diesen historischen Konstellationen Einsichten für gegenwärtige Fragestellungen zu gewinnen.
Eröffnet wird die Vorlesungsreihe am Mittwoch, 22. Januar, um 18 Uhr im Festsaal des Casinogebäudes auf dem Campus Westend mit dem Vortrag „A Philosophical Overture“. Darin kündigt Fisch an, die normativen Beschränkungen einer Philosophie zu überschreiten, die sich ausschließlich auf eine bestimmte Vorstellung von Vernunft stützt, wie sie das westliche Denken seit Sokrates prägt. In den folgenden Vorträgen befasst er sich unter anderem mit der talmudischen Perspektive im Kontrast zur sokratischen Philosophie. Der Talmud steht dabei im Mittelpunkt seiner jüngeren Forschungsarbeiten und dient ihm als Ausgangspunkt für eine alternative Sicht auf Rationalität, Dialog und religiöse Erkenntnis.
Menachem Fisch wurde 1948 im britischen Leeds geboren und studierte in Tel Aviv und Oxford. Als Philosoph beschäftigt er sich vor allem mit Wissenschafts- und Geistesgeschichte, Sprache und Judentum. Über viele Jahre hatte er einen Lehrstuhl für Geschichte und Philosophie der Wissenschaften inne und war Direktor eines Zentrums für religiöse und interreligiöse Studien. Zu seinen zahlreichen internationalen Stationen zählen unter anderem eine Mitgliedschaft am Institute for Advanced Study in Princeton, Tätigkeiten als Senior Visiting Fellow in Budapest, als Visiting Scholar am Trinity College in Cambridge sowie als Senior Research Fellow am Shalom Hartman Institute in Jerusalem. Im Jahr 2016 wurde er mit dem Humboldt-Preis ausgezeichnet, 2017 erhielt er die Ehrendoktorwürde in Religionsphilosophie an der Goethe-Universität Frankfurt. Seit vielen Jahren arbeitet er eng mit Prof. Christian Wiese zusammen, der an der Goethe-Universität jüdische Religionsphilosophie lehrt. Darüber hinaus ist Fisch Senior Fellow am Forschungskolleg Humanwissenschaften der Goethe-Universität in Bad Homburg.
Die Dagmar-Westberg-Vorlesung ist nach dem Vorbild amerikanischer Lecture-Formate konzipiert und wird aus den Erträgen eines Fonds finanziert, den die Mäzenin Dagmar Westberg, die von 1914 bis 2017 lebte, gestiftet hat. Nach dem ausdrücklichen Willen der Stifterin dürfen die Mittel ausschließlich für die Geisteswissenschaften verwendet werden. Auf diese Weise kann die Goethe-Universität jedes Jahr eine international renommierte Forscherpersönlichkeit nach Frankfurt einladen. In den vergangenen Jahren waren unter anderem der Germanist und frühere DFG-Präsident Peter Strohschneider, die amerikanische Philosophin Martha Nussbaum, der deutsch-amerikanische Archäologe Lothar von Falkenhausen, der Berliner Theologe Christoph Markschies, der Historiker Anthony T. Grafton aus Princeton sowie die US-amerikanische Historikerin Lynn Hunt zu Gast.
Die 8. Dagmar-Westberg-Vorlesungsreihe wird im Sommersemester stattfinden. Vom 15. bis 19. Juni wird die Historikerin Prof. Mae N. Ngai von der Columbia University in Frankfurt erwartet. Sie beschäftigt sich mit Nationalismus, Bürgerlichkeit, Ethnizität und Rasse in der jüngeren Geschichte der Vereinigten Staaten.
Die Termine der 7. Dagmar-Westberg-Vorlesung ab 22.Jan 2026 im Überblick:
„A Philosophical Overture – Breaching Rationality’s Normative Constraints“
Mittwoch, 22. Januar, 18 Uhr
Campus Westend, Festsaal Casino (Cas. 823)
„The Dialogial Dynamics of Scientific Upheavals“
Donnerstag, 23. Januar, 18 Uhr
Campus Westend, Renate von Metzler Saal (Cas. 1.801)
„Talmudic Judaism’s Non-Socratic Paradigm“
Montag, 27. Januar, 18 Uhr
Campus Westend, Renate von Metzler Saal (Cas. 1.801)
„Reflective Emotions and the Politics of Love“
Mittwoch, 29. Januar, 18 Uhr
Campus Westend, Renate von Metzler Saal (Cas. 1.801)
Das Kolloquium „Dialogues of Reason: Science, Politics, Religion“ zu den Vorlesungen findet am Donnerstag, 17. Mai, von 10 bis 12 Uhr sowie von 13 bis 16 Uhr am Forschungskolleg Humanwissenschaften der Goethe-Universität, Am Wingertsberg 4, in Bad Homburg vor der Höhe statt. Eine Anmeldung ist per E-Mail unter schweighoefer@em.uni-frankfurt.de erforderlich.
