Georg-Büchner-Preis 2025 für Ursula Krechel geehrt – Lesung in der Akademie der Wissenschaft u. Literatur Mainz am 9. November

Ursula Krechel © Heike Steinweg

Die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung in Darmstadt ehrt die Schriftstellerin Ursula Krechel für ihr Gesamtwerk mit dem diesjährigen Georg Büchner-Preis. Die Autorin ist unter anderem Mitglied der Akademie der Wissenschaften und der Literatur, Mainz. Der Preis ist mit 50.000 Euro dotiert. Die Preisverleihung wird am 1. November 2025 in Darmstadt stattfinden. Am 7. November wird Ursula Krechel den Festvortrag auf der Jahresfeier der Akademie der Wissenschaften und der Literatur halten.

Begründung der Jury:
In der Begründung der Jury heißt es, mit ihr ehre die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung eine Autorin, die in all ihren literarischen Formen – ob Lyrik, Theater, Hörspiel, Roman oder Essay – den Katastrophen der deutschen Geschichte ebenso wie den ideologischen und gesellschaftlichen Verhärtungen der Gegenwart etwas entgegenzusetzen wisse: die klare, kraftvolle Sprache der Literatur.
Besonders in ihrer Lyrik – so wird betont – sei diese Haltung spürbar. In dem Auswahlband Die da von 2013 etwa gehe sie gängigen Redewendungen auf den Grund, nehme sprachliche Automatismen auseinander und mache so die Brüche, Hoffnungen und Verletzungen des Alltags sichtbar. Ihre Gedichte gäben Innenansichten sozialer Verhältnisse preis – präzise, scharf und zugleich poetisch.

Hervorgehoben wird auch ihre Romantrilogie, bestehend aus Shanghai fern von wo (2008), Landgericht (2012) und Geisterbahn (2018). Diese Romane, so die Jury, gründeten auf intensiver historischer Recherche und entfalteten ein vielschichtiges Bild von Vertreibung, Exil, Rückkehr und anhaltender Fremdheit. Es sei eine große Erzählung über das Schicksal von Juden und Sinti im 20. Jahrhundert, aber auch über das Deutschland, das diese Rückkehrer nach dem Krieg erwartete – ein Land, in dem Zugehörigkeit keine Selbstverständlichkeit sei.
Ein zentrales Thema, das sich durch Ursula Krechels gesamtes Werk ziehe, sei zudem die Selbstbehauptung weiblicher Autorschaft. Immer wieder beschäftige sie sich mit vergessenen oder marginalisierten Autorinnen, gebe ihnen Stimme und Sichtbarkeit zurück. Gerade in ihren Essays suche sie die Auseinandersetzung mit der internationalen Moderne und erweitere so den Horizont der deutschsprachigen Literatur.
Was ihre Texte auszeichne, sei nicht zuletzt die Einladung an die Leserinnen und Leser, Spuren der Vergangenheit im heutigen Alltag zu erkennen – und das gesellschaftliche Jetzt nicht einfach als gegeben hinzunehmen. Krechels Werk sei ein literarischer Widerstand gegen das Vergessen – und ein Anstoß, die Wirklichkeit mit anderen Augen zu sehen.

Der Jury gehörten an:
Ingo Schulze, Rita Franceschini, Olga Martynova, Lothar Müller, Lukas Bärfuss, Daniel Göske, Felicitas Hoppe, Joachim Kalka, Daniela Strigl, Michael Walter sowie je ein Vertreter/eine Vertreterin des Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien, des Landes Hessen und der Stadt Darmstadt.

Biographisches

Ursula Krechel, Jahrgang 1947, veröffentlichte eine Vielzahl von Gedichtbänden, Prosawerken, Hörspielen und Essays. Zuletzt erschien ihr Roman ›Sehr geehrte Frau Ministerin‹ (2025). Krechel erhielt für ihr Werk und ihr Engagement zahlreiche Preise, darunter den Joseph-Breitbach-Preis (2009), den Deutschen Buchpreis (2012), den Jean-Paul-Preis (2019) und den Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland (2020). Sie ist Mitglied der Akademie der Wissen- schaften und der Literatur | Mainz, deren Vizepräsidentin sie von 2015 bis 2021 war, sowie der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung und der Akademie der Künste Berlin.

Hintergrund

Der Georg-Büchner-Preis wird seit 1951 von der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung an herausragende Schriftstellerinnen und Schriftsteller verliehen und zählt – neben dem Joseph-Breitbach-Preis – zu den prestige- trächtigsten literarischen Auszeichnungen in Deutschland. Der mit 50.000 € dotierte Preis wird finanziert von dem Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien, dem Hessischen Ministerium für Wissenschaft und Kunst und der Stadt Darmstadt.

(D/A, AdW, Diether von Goddenthow)